Warum verlässt Vettel Red Bull?

Die Kritik der Fans am Teamwechsel des amtierenden Weltmeisters ist groß. Wechselt Sebastian Vettel nur das Team, weil Red Bull in dieser Saison ein Flaute erlebt und die Weltmeistertitel nicht in greifbarer Nähe sind? "Natürlich könnte man sagen: Dieses Jahr war nicht erfolgreich, also ist es die richtige Zeit, um zu gehen", weiß Vettel. "Aber das ist nicht der Fall."

An Unstimmigkeiten mit Red Bull liegt der Wechsel ebenfalls nicht. "Man muss wissen, dass hier nichts Negatives in der Luft liegt", betont Vettel. "Es ist nicht so, dass ich gehe, weil ich nicht mehr hier sein möchte oder ich die Leute hier nicht mehr mag." Worin liegt die Entscheidung des amtierenden Weltmeisters begründet? "Es ist eine innere Stimme, die in mir immer lauter geworden ist", erklärt Vettel. "Die Lust und der Hunger etwas Neues zu erschaffen sind erwacht. Deshalb habe ich mich entschieden, eine andere Tür zu öffnen."

Wie erfuhr Red Bull vom Abschied?

Bereits am Vorabend der Bekanntgabe sprach Sebastian Vettel in Japan mit Christian Horner und Helmut Marko über seinen Wunsch, das Team zu verlassen. "Wir haben das ausgesprochen, wir hatten sehr schöne und erfolgreiche Jahre", sagte Motorsportchef Marko. "Wir verstehen das und sind in gutem Einvernehmen auseinander gegangen."

Für Teamchef Christian Horner kam die Entscheidung seines Piloten nicht ganz unerwartet. "Ich habe in den letzten Wochen gemerkt, dass mit ihm etwas nicht gestimmt hat", verriet Horner. "Ich kenne ihn sehr gut, wir haben viel Zeit zusammen verbracht und man konnte sehen, dass ihn zuletzt etwas beschäftigt hat." Wenige Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe, offenbarte Vettel auch den Red-Bull-Verantwortlichen sein Vorhaben. "Er hat sich erst am letzten Abend mit uns zusammengesetzt und uns informiert", so Horner.

Und Dietrich Mateschitz? Der Red-Bull-Boss, der an diesem Wochenende nicht in Japan vor Ort ist, erfuhr laut Bild erst am Samstagmorgen davon, dass Vettel seinem Team zum Ende der Saison den Rücken kehren wird. Der amtierende Weltmeister konnte Mateschitz nicht erreichen - das Handy des Österreichers ist kaputt.

Sebastian Vettel möchte etwas Neues erschaffen, Foto: Sutton
Sebastian Vettel möchte etwas Neues erschaffen, Foto: Sutton

Wie reagierte Red Bull auf die Nachricht?

Die Verantwortlichen bei Red Bull trugen die Entscheidung Vettels mit Fassung. "Das ist seine Entscheidung. Er war lange genug hier, um seine eigene Meinung zu haben. Wenn jemand mit seinem Herz nicht mehr da ist, spielt es keine Rolle, was auf einem Stück Papier steht", betonte Horner und erinnerte damit an den laufenden Vertrag des Heppenheimers, den er erst zu Beginn des Jahres verlängert hatte. "Er hat einen Abschnitt in seiner Karriere erreicht, in dem er eine neue Herausforderung braucht. Das ist sein Vorrecht und es ist in jeder Beziehung so, dass es Zeit ist, weiterzuziehen, wenn man mit dem Herz nicht mehr bei der Sache ist."

"Er hat diese Entscheidung getroffen und wir respektieren das", so Horner, der jedoch zugleich klar machte: "Er wird weiterhin in unseren Herzen sein, aber ab 1. Januar ist er ein Gegner." Auch Helmut Marko konnte die Entscheidung nachvollziehen. "Wir verstehen das und sind in gutem Einvernehmen auseinander gegangen", verriet der Motorsportchef. "Im Leben gibt es einfach immer wieder neue Herausforderungen und Motivationen."

Wer wird Vettels Nachfolger bei Red Bull?

Die Entscheidung über den Nachfolger des Deutschen fiel schnell. Bereits um 2:55 Uhr deutscher Zeit, also mit Bekanntgabe über Vettels Abschied, verkündete Red Bull die Fahrerpaarung für die kommende Saison. Neben Daniel Ricciardo wird nun auch Daniil Kvyat für die Österreicher an den Start gehen. Dieser konnte sein Glück kaum fassen. "Es war heute ein ganz besonderer Samstag in Japan, als mir gesagt wurde, dass ich im kommenden Jahr bei Red Bull fahren würde", strahlte der Russe.

"Es ist ein fantastisches Gefühl und eine große Ehre für mich", freute sich Kvyat. "Dafür möchte ich mich bei Red Bull bedanken." Christian Horner steht voll und ganz hinter seinem neuen Piloten. "Es gab Fragezeichen, als wir ihn unter Vertrag nahmen und es gab Fragezeichen, als wir Daniel Riccardo unter Vertrag nahmen, aber wir haben gezeigt, dass es funktioniert", erinnert der Red-Bull-Teamchef. "Daniil ist ein sehr vielversprechendes Talent und ein aufregendes neues Kapitel für Red Bull Racing."

Daniil Kvyat wird Nachfolger von Sebastian Vettel, Foto: Toro Rosso
Daniil Kvyat wird Nachfolger von Sebastian Vettel, Foto: Toro Rosso

Wohin geht Vettel?

Wohin der Weg des amtierenden Weltmeisters gehen wird, ist ein offenes Geheimnis. Bereits seit einiger Zeit wird Vettel mit Ferrari in Verbindung gebracht - eine offizielle Bestätigung steht jedoch aus. "Über meine Zukunftspläne werde ich in Kürze etwas bekanntgeben", so Vettel. Aber: "Jeder Rennfahrer träumt insgeheim von Ferrari oder Mercedes", sagte der Heppenheimer nach seinem ersten Titelgewinn 2010. "Ob man aber irgendwann dort fährt, hängt von vielen Faktoren ab. Da muss dann alles zusammenpassen, Mythos alleine reicht nicht. Aber das ist noch weit, weit weg." Nun könnte es soweit sein.

Red-Bull-Teamchef Christian Horner wurde hingegen konkreter. "Wir haben gestern Abend mit Seb gesprochen und er hat uns informiert, dass er gerne für Ferrari fahren würde", verriet der Brite. "Ferrari hat ihm ein sehr attraktives Angebot gemacht." Eindeutigere Hinweise auf die Zukunft Vettels hätte Horner kaum geben können. "Bei Ferrari hat sich ein Fenster geöffnet und er hat entschieden, dass das Timing für ihn richtig ist."

Was macht Alonso jetzt?

Damit sollte auch feststehen, dass Fernando Alonso sein Cockpit bei Ferrari räumen wird. Den Spanier scheint dies allerdings nicht zu interessieren. "Ich entscheide so, wie ich es im Kopf habe", kommentierte der Ferrari-Pilot in Japan. "Ich habe seit zwei oder drei Monaten einen Plan. Wenn der richtige Zeitpunkt kommt, werde ich meinen Plan öffentlich machen."

Bis auf McLaren, wo Alonso bereits seit längerer Zeit im Gespräch ist, sind jedoch alle Top-Teams besetzt. Ob der britische Traditionsrennstall im kommenden Jahr jedoch zum Kreis der Favoriten gehört, ist fraglich. Bereits in dieser Saison läuft es alles andere als glänzend und auch für 2015 steht mit dem neuen Antriebspartner Honda ein großes Fragezeichen über der Leistung McLarens.

Weder Button noch Magnussen haben derzeit einen McLaren-Vertrag für die kommende Saison. "Das ist nicht unsere Priorität", erklärte Ron Dennis. "Natürlich sprechen wir mit Leuten und machen all die Sachen, die man von uns erwartet. Im Moment haben wir aber noch keine Optionen aus unseren Verträgen gezogen." Sollte Alonso also nicht bei McLaren unterkommen, könnte der Spanier für das kommende Jahr auch eine Pause einlegen.

Wechselt Fernando Alonso zu McLaren?, Foto: Sutton
Wechselt Fernando Alonso zu McLaren?, Foto: Sutton

Wie sieht es mit Räikkönen aus?

Natürlich könnte anstelle von Fernando Alonso auch Kimi Räikkönen sein Cockpit für Vettel räumen. Immerhin liegt der Finne aktuell nur auf dem elften Rang der WM-Wertung - 88 Punkte hinter seinem spanischen Teamkollegen zurück. Gut möglich, dass Räikkönen die Lust an der Formel 1 wieder einmal vergangen ist? Im Rahmen des Japan GP klang das anders, denn der Ferrari-Pilot machte deutlich, dass er seinen Vertrag bei den Roten erfüllen wird.

"Ich habe einen Vertrag und daher mache ich mir um meine Zukunft keine Sorgen", mahnte Räikkönen. Und auch Ferrari sollte die Fahreraarung Räikkönen/Vettel gefallen. Die beiden Piloten kennen und schätzen sich. Erst im vergangenen Jahr wären sie nach dem Rückzug Webbers beinahe zu Teamkollegen geworden. "Ich kenne ihn sehr gut und komme gut mit ihm aus", sagte Vettel damals. "Kimi war immer aufrichtig zu mir und es wäre eine großartige Herausforderung." Im kommenden Jahr könnte diese Traumpaarung wahr werden.

Wer wird Kvyats Nachfolger bei Toro Rosso?

Durch den Aufstieg Kvyats zu Red Bull, hat Toro Rosso wieder ein freies Cockpit zu vergeben. Wer wird der neue Teamkollege von Rookie Max Verstappen? Weil auch Toro Rosso zu Red Bull gehört, ist die Verpflichtung eines erfahrenen Piloten unwahrscheinlich. "Die Philosophie von Red Bull ist eine Andere", erklärte Motorsportchef Helmut Marko. "Wir wollen junge Fahrer aufbauen."

Nachdem Jean-Eric Vergne sein Cockpit im kommenden Jahr für Max Verstappen räumen sollte, hätte der Franzose wieder die Hoffnung, auch 2015 in der Königsklasse an den Start gehen zu können. "Ein Verbleib von Vergne bei Toro Rosso ist nicht ausgeschlossen", verriet Motorsportberater Dr. Helmut Marko. Doch der Nachwuchs drängt: Neben Antonio Felix da Costa hätte auch Carlos Sainz jr. eine berechtigte Chance auf den Toro-Rosso-Platz. "Wir haben vier Top-Kandidaten und werden aus ihnen sicherlich eine gute Wahl treffen", so Marko.

Für Sainz, der in der Formel Renault 3.5 kurz vor dem Triumph in der Meisterschaft steht, wäre der Schritt in die Formel 1 die logische Konsequenz. Antonio Felix da Costa, der sich im Vorjahr noch Hoffnungen auf ein Cockpit bei Toro Rosso gemacht hat, ist mittlerweile in der DTM aktiv und scheint sich dort auch wohlzufühlen. Marko: "Vielleicht ist unsere Wahl für viele ja wieder eine Überraschung."