Pro: Rückzug wäre ein fatales Zeichen

Tradition - dieses Wort wird im Sport seit einiger Zeit nahezu überstrapaziert. Traditionsteams, Traditionsstrecken, Traditionsrennen - die Formel 1 strotzt nur so vor Geschichte, die in den letzten Jahren allerdings keineswegs eine optimale Pflege erfahren hat. Der einstige Kernmarkt Europa wurde, zumindest was die Schauplätze der Grands Prix betrifft, zugunsten der Expansion in neue Märkte sträflich vernachlässigt. Und jetzt droht auch noch der Deutschland GP, eine Institution schlechthin, auszufallen?

Besonders für Mercedes wäre das Aus bitter, Foto: Sutton
Besonders für Mercedes wäre das Aus bitter, Foto: Sutton

Die Formel 1 gastiert seit 1961 ohne Unterbrechung in der Bundesrepublik, sei es auf dem Nürburgring oder dem Hockenheimring. Auch wenn sich das Gesicht der Strecken stark gewandelt hat und der Zuschauerzuspruch zuletzt unbefriedigend war, gehören diese beiden Austragungsorte untrennbar zur Königklasse des Motorsports. Es wäre ein fataler Fehler, würde Bernie Ecclestone Deutschland wegen eines Streits um ein paar Euro den Rücken kehren und dafür den nächsten Plastik-Grand-Prix aus dem Boden stampfen.

Doch nicht nur aus nostalgischen Gründen darf ein Rückzug der Formel 1 aus Deutschland keine Option darstellen, es wäre auch ein verheerendes Signal an die Wirtschaft. Deutschland ist das Automobilland Nummer eins und stellt demnach für zahlreiche in der Formel 1 engagiert Unternehmen den wichtigsten Absatzmarkt dar. Gerade weil die Formel 1 in Deutschland zuletzt mit einem Popularitätsproblem zu kämpfen hatte, muss sie als Marke gestärkt werden, momentan ist allerdings genau das Gegenteil der Fall.

Deutschland stellt mit Mercedes das Weltmeisterteam und mit Sebastian Vettel den prägenden Piloten der letzten Jahre. Ganz zu schweigen von Michael Schumacher, der wie eine mystische Aura über allem zu schweben scheint. Verabschiedet sich die Formel 1 von Nürburgring und Hockenheimring, verabschiedet sie sich auch von einem großen Stück ihrer Identität und liefert weiteres Wasser auf die Mühlen jener Kritiker, die den Rennzirkus in seiner Gesamtheit in Frage stellen.

Österreich macht's vor: Formel-1-Begeisterung 2014, Foto: Sutton
Österreich macht's vor: Formel-1-Begeisterung 2014, Foto: Sutton

Contra: Kein Deutschland GP - Wen juckt's?

Natürlich wäre es irgendwie schade, würde der Deutschland GP nach mehr als 50 Jahren aus dem Rennkalender verschwinden. 'Schade' ist aber nicht besonders rational. Die Formel 1 denkt zu selten an die Fans, okay. Aber genau genommen waren bei den letzten GPs auf deutschem Boden nicht besonders viele davon. Das liegt auch nicht nur am neuen Reglement. Schon nach 2006 haben die Zuschauerzahlen spürbar nachgelassen. Trotz Vettel, trotz Rosberg, trotz Mercedes. Auch das Schumacher-Comeback konnte nicht mehr die Massen an den Nürburgring oder den Hockenheimring locken.

Klar ist so ein Formel-1-Wochenende kein Schnäppchen, das war es aber vor 2006 auch nicht. Und zumindest auf dem Hockenheimring gibt es im Motodrom gute Tribünentickets zu vertretbaren Preisen - deutlich billiger als im Vergleich mit anderen Rennen. Und dort ist der Zuschauerzuspruch deutlich größer - siehe Österreich GP. Auf den können deutsche Fans genauso ausweichen wie auf Spa, Monza oder Budapest.

Volles Motodrom - ein Bild aus vergangenen Tagen, Foto: Sutton
Volles Motodrom - ein Bild aus vergangenen Tagen, Foto: Sutton

Immer wieder kommt das Argument auf, man müsse wieder mehr auf Traditionsstrecken fahren. Der GP-Kurs am Nürburgring ist eine schöne Strecke, aber eben keine Nordschleife. Der Hockenheimring wurde mit dem Umbau kastriert und ist heute eine beliebige Strecke im Kalender. Da gibt es andere, schönere Kurse, die nicht mehr im Kalender sind.

Wolff bezeichnete den Deutschland GP als "Höhepunkt der Heimrennen" für Mercedes. Schön und gut, aber bezahlen will Mercedes dafür auch nicht. Es ist auch nicht Sache von Mercedes, das zu machen. Aber wenn der Hersteller unbedingt vor den heimischen Fans fahren will, das aber anders nicht möglich ist, muss er eben selbst dafür zahlen. Wie Red Bull.

Und wem wäre mit einem Deutschland GP geholfen? Den Fans - so das traurige Fazit nach den letzten Jahren - nicht. Nürburgring und Hockenheim ebenfalls nicht, sie würden nur noch mehr Geld verlieren als in den letzten Jahren - Vorverkauf und vor allem das Weihnachtsgeschäft wurden versäumt. Es ist traurig, aber Formel-1-Deutschland braucht einen Denkzettel. Vielleicht gibt es dann irgendwann ein ähnlich umjubeltes Comeback wie in Österreich.