Benoit Treluyer zählt zu den prägenden Gesichtern der erfolgreichen Audi-Geschichte im Motorsport. Der Franzose gewann die 24 Stunden von Le Mans in den Jahren 2011, 2012 und 2014 für den Autobauer aus Ingolstadt, der auf insgesamt 13 Gesamtsiege beim berühmtesten Autorennen der Welt zurückblickt.

Mit dem Audi Sport Team Joest und seinen Dauer-Teamkollegen Andre Lotterer sowie Marcel Fässler gewann Treluyer zudem die Langstrecken-Weltmeisterschaft 2012, die 12 Stunden von Sebring (2013) sowie insgesamt zehn WEC-Rennen in der Zeit zwischen 2012 und 2015. Der heute 46-Jährige steigt für 'Audi Tradition' noch heute in die wahnsinnigen LMP1-Monster vergangener Zeiten, blickt nach den letzten Ereignissen aber mit Sorge gen Ingolstadt bzw. Neuburg.

Benoit Treluyer: "Verstehe Audi-Strategie nicht"

Den Vorstands-Entscheid im Juli dieses Jahres, dem geplanten Formel-1-Einstieg 2026 alles unterzuordnen - kein weiterer Werkssport nach dem Dakar-Projekt 2024 und keine finanzielle Unterstützung mehr für Kundenteams - kann Treluyer wie viele andere Szene-Kenner nur schwer nachvollziehen.

"Ich verstehe die Strategie von Audi nicht", sagt der langjährige Werksfahrer zu Motorsport-Magazin.com. "Es hat sich dramatisch verändert im Vergleich zu der Zeit, als ich bei Audi war. Vor ein paar Jahren, als Julius Seebach als Motorsportchef kam, hat es sich komplett verändert. Das war ihre Entscheidung. Vielleicht liegen sie damit richtig, vielleicht falsch."

Benoit Treluyer mit Audi bei den 24 Stunden von Le Mans
Dreimaliger Le-Mans-Sieger mit Audi: Benoit Treluyer, Foto: Audi AG

Audi ordnet dem Formel-1-Einstieg alles unter

Seebach hatte im Dezember 2020 parallel zu seinem Job als Geschäftsführer der Audi Sport GmbH den Posten den Audi-Motorsportchefs von Dieter Gass übernommen. Den Vorbereitungen zum Formel-1-Einstieg fielen unter anderem das Werksengagement in der Formel E sowie die geplante Rückkehr nach Le Mans mit einem LMDh-Auto zum Opfer. Aus der DTM hatte sich Audi bereits im Juli 2020 verabschiedet.

Zahlreiche Werksfahrer wie Rene Rast, Mike Rockenfeller oder Nico Müller sowie das Top-Team WRT verließen Audi im Laufe dieser Zeit. Seebach übergab sein Sportchef-Amt im September 2022 an Rolf Michl und sitzt heute im Verwaltungsrat von Sauber Motorsport, Audis Formel-1-Partnerteam. Zudem ist er General Manager in der Technischen Entwicklung bei Audi unter der Leitung von Entwicklungsvorstand Oliver Hoffmann.

"Audi unterschätzt, was Formel 1 bedeutet"

Das Audi-Motorsport-Beben sorgte in den vergangenen Wochen für einige Kritik, und auch Ex-Fahrer Treluyer fand klare Worte: "Was Dr. Wolfgang Ullrich aufgebaut und Dieter Gass fortgeführt hat über viele Jahr hinweg, wurde komplett zerstört."

An Audis F1-Ambitionen hat Treluyer zumindest Zweifel. "Ich denke, sie unterschätzen, was Formel 1 bedeutet", meint der Rennsport-Veteran. "Das wäre das Gleiche, wenn ein F1-Team in Le Mans an den Start gehen würde, die würden das auch unterschätzen. Es ist schwierig, auf solch einem hohen Level anzukommen und zu versuchen, alle zu schlagen. Es wird hart für Audi und eine große Herausforderung. Wenn sie Erfolg haben, Hut ab. Aber darauf würde ich nicht wetten."

Treluyer: Le-Mans-Held und Japan-Superstar

Treluyer bestritt in der Saison 2020 sein letztes Profi-Rennen für Audi. Beim DTM-Wochenende in Zolder sprang er bei Phoenix Racing für den verhinderten Loic Duval ein. 2019 ging Treluyer zudem für Audi beim Showrennen zwischen der DTM und der japanischen Super GT an den Start. Im Samstagsrennen in Fuji belegte er als bestplatzierter Audi-Pilot den sechsten Platz.

Treluyer war bei europäischen Motorsport-Fans vor allem für seine Erfolge in Le Mans bekannt - insgesamt zwölf Starts zwischen 2002 und 2016 vorrangig für Pescarolo und Audi - galt in Japan aber längst als Superstar. Dem Gewinn der Japanischen Formel-3-Meisterschaft 2001 ließ er weitere Titelgewinne in der Formel Nippon (2006) und der Super GT mit Nissan (2008) folgen.