13 Siege bei den 24 Stunden von Le Mans, zwölf DTM-Fahrermeisterschaften, sechs Siege beim 24h-Rennen Nürburgring, vier in Spa-Francorchamps und schier unzählige weitere Erfolge im Kundensport: Audi gehörte in den vergangenen Jahrzehnten zweifellos zu den bedeutsamsten Autobauern im Motorsport.

Durch den Vorstands-Entscheid, dem geplanten Formel-1-Einstieg 2026 alles unterzuordnen - kein weiterer Werkssport nach dem Dakar-Projekt 2024 und keine finanzielle Unterstützung mehr für Kundenteams - sieht es für die kommenden Jahre ziemlich düster auf der Rennstrecke aus. Das Audi-Beben aus Ingolstadt ist das große Thema in diesen Tagen und Wochen.

Rene Rast über Audi-Beben: "Tut weh, das zu sehen"

Auch bei der Formel E, in der Audi nach der Saison 2021 den Stecker zog und wo weiter zahlreiche Rennfahrer mit Audi-Vergangenheit an den Start gehen. Wie Rene Rast, der der Marke mit den vier Ringen unter anderem drei DTM-Meisterschaften, einen Sieg beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring, zwei bei den 24h Spa sowie einen Meistertitel im ADAC GT Masters beschert hat.

Rast war im vergangenen Jahrzehnt das prägende Gesicht von Audi-Motorsport und reihte sich in den Reigen erfolgreicher Werksfahrer wie Le-Mans-Rekordsieger Tom Kristensen, Hans-Joachim Stuck, Walter Röhrl, Andre Lotterer, Mike Rockenfeller, Marco Werner oder Emanuele Pirro ein. Ende 2022 verließ Rast das Unternehmen und wechselte zur bayerischen Konkurrenz von BMW, nachdem Audi das für 2023 geplante und größtenteils fertige LMDh-Projekt für die Rückkehr nach Le Mans eingestampft hatte.

"Das war ein schleichender Prozess und es tut natürlich ein bisschen weh, das zu sehen", sagte Rast, der in der Formel E für McLaren startet, am vergangenen Wochenende in Rom zu Motorsport-Magazin.com. "Audi hat immer viel Motorsport betrieben. Und das jetzt zu sehen, dass das komplett eingestellt wird abgesehen von der Formel 1, ist schon ein bisschen traurig."

Rene Rast gewann drei DTM-Titel mit Audi, Foto: Audi Communications Motorsport
Rene Rast gewann drei DTM-Titel mit Audi, Foto: Audi Communications Motorsport

Manager Dennis Rostek: "Eine traurige Nachricht"

"Ich bin froh, dass wir zum richtigen Zeitpunkt gehandelt und mit unseren Fahrern Audi verlassen haben. Dafür hat man uns gehasst, heute können es viele hoffentlich nachvollziehen", sagte Dennis Rostek, Geschäftsführer der Agentur Pole Promotion, auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. Neben Rast gehören auch die Brüder Kelvin und Sheldon van der Linde sowie der Däne Nicki Thiim zum Fahrer-Pool - alle mit erfolgreicher Audi-Vergangenheit.

Rostek, der selbst mit Audi-Rennwagen an den Start ging, weiter: "Für mich persönlich ist die Entscheidung, dass Audi den Motorsport außerhalb der Formel 1 einstellt, eine traurige Nachricht. Ich dachte immer und war mir sicher, dass die vielen Erfolge, die unsere Fahrer Rene Rast, Nicki Thiim sowie Kelvin und Sheldon van der Linde in der DTM und im GT-Bereich gefeiert haben, geholfen hätten, die Traditionsmarke Audi sportlich zu platzieren."

Manager Dennis Rostek mit Rene Rast, Foto: SICHTBARfotografie 2020
Manager Dennis Rostek mit Rene Rast, Foto: SICHTBARfotografie 2020

Nico Müller: "Formel 1 nur wirklich gut, wenn du gewinnst"

Neben Rast und zuletzt Kelvin van der Linde, 'flüchtete' auch der zweifache DTM-Vizemeister Nico Müller. Der Schweizer hatte sich ebenfalls einen Platz im LMDh-Aufgebot erhofft und war bereits für das Le-Mans-Comeback bestätigt. Nach dem vorzeitigen Ende des Projekts suchte Müller sein neues Glück bei Peugeot, das dieses Jahr mit einem Hypercar zu den 24 Stunden von Le Mans zurückgekehrt ist und zuletzt den ersten Podestplatz in der Langstrecken-WM erzielte.

Müller, der in der Formel E für das Team Abt-Cupra an den Start geht, auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com: "Die Sachen, die man sich über lange Jahre aufgebaut und viel Zeit und Energie investiert hat, stuft man anscheinend nicht mehr als wichtig ein und unterstellt alles einem Thema - das ist die Formel 1. Ich kann das irgendwo aus rein faktischer Sicht verstehen, dass man sagt, das hat den höchsten Stellenwert, die größte Reichweite und die größte Strahlkraft."

Allerdings habe sich Audi mit motorsportlichen Erfolgen in anderen Kategorien ein Image aufgebaut, sagte Müller weiter und merkte an, dass ihn das Thema inzwischen nicht mehr betreffe. "Gerade dank Autos wie dem R8 LMS hatte man die Chance, diese Geschichten weiterzuführen, sich dann aber plötzlich umorientiert. Ob man den gewünschten Effekt erzielt, wird sich zeigen. In der Formel 1 ist es auch nur wirklich gut, wenn du gewinnst. Dass es nicht so einfach ist, als Neueinsteiger in der F1 schnell Fuß zu fassen, weiß man."

Andre Lotterer: "Man muss Audi dankbar für alles sein"

Laut Andre Lotterer, der die 24 Stunden von Le Mans mit Audi in den Jahren 2011, 2012 sowie 2014 beim vorerst letzten Ringe-Triumph gewann, gebe es immer unterschiedliche Phasen bei einem Hersteller. Der gebürtige Duisburger wechselte nach Audis Le-Mans-Aus zu Porsche und tritt inzwischen wieder im neuen LMDh-Auto der Zuffenhausener auf der Langstrecke an. In der Formel E startet Lotterer für das Porsche-Kundenteam Andretti, Teamkollege Jake Dennis ist auf bestem Wege zum WM-Titelgewinn.

Lotterer am Rande des Formel-E-Events in Rom zu Motorsport-Magazin.com: "Die wollen sich voll auf die Formel 1 fokussieren und werden ihre Gründe haben. Ich habe schon früher mit Andreas Seidl gearbeitet und weiß, dass es da keine Kompromisse gibt. Die werden die Situation gut analysiert haben und wissen, was das Beste ist. Ich wünsche ihnen viel Glück in der Formel 1. Es wäre natürlich schön, die Marke oben zu sehen. Es ist ebenso schade für den Kundensport und alles, was Audi in den letzten Jahren ausgemacht hat. Man muss dankbar sein für alles, was sie gemacht haben."

Audis letzte Le-Mans-Sieger 2014: Andre Lotterer, Marcel Fässler und Benoit Treluyer, Foto: LAT Images
Audis letzte Le-Mans-Sieger 2014: Andre Lotterer, Marcel Fässler und Benoit Treluyer, Foto: LAT Images

Di Grassi: "Lohnt es sich, das ganze Geld in F1-Motor zu investieren?"

Die volle Fokussierung auf Audis Formel-1-Einstieg stammt direkt aus der Vorstandsetage in Ingolstadt. Die Entscheidung gegen weiteren Werkssport und werksunterstützten Kundensport ist auch auf den Vorstandsvorsitzenden Markus Duesmann zurückzuführen, der das Unternehmen allerdings zum 01. September 2023 verlassen muss. Welche Pläne sein Nachfolger Gernot Döllner - ein langjähriger Porsche-Mann - verfolgt, darüber rätselt die Motorsport-Szene mit großer Spannung.

"Verschiedene Managements und CEOs haben unterschiedliche Visionen", sagte Lucas di Grassi zu Motorsport-Magazin.com. Der Brasilianer gehörte früher zu Audis Le-Mans-Kader und gewann 2016/17 mit Abt-Audi die Formel-E-Meisterschaft. "Kann sich das in der Zukunft wieder ändern? Vielleicht. Lohnt es sich, dieses ganze Geld in einen Formel-1-Motor zu investieren? Ich denke eher nicht, darauf basierend, wie viele Verkäufe von elektrischen Fahrzeugen bis 2030 erwartet werden. Aber letztendlich habe ich nicht die Daten, um das zu beurteilen."

Di Grassi weiter: "Jede Marke, egal ob Motorsport-relevant oder nicht, hat riesige Marketing-Kampagnen, die funktionieren. Braucht eine Marke wie Audi überhaupt den Motorsport? Marken, die voll auf den Sport fokussiert sind, wie Porsche oder Ferrari, die brauchen den Sport. Wird sich so ein Multi-Milliarden-Projekt, selbst die Formel 1, auszahlen? Zahlt sich Kunden-Motorsport aus? Ich weiß es nicht. Wenn es Sinn macht, dann müssen die Hersteller Motorsport-relevante Autos anbieten, damit der Kunde diese auch kauft."