Der ADAC und das Sachsenring-Management haben miteinander gebrochen. Am Donnerstagabend bestätigten beide Organisationen, dass der Vertrag zwischen ihnen aufgelöst wurde. Somit ist die Zukunft des deutschen MotoGP-Rennens über 2018 hinaus unklar. Motorsport-Magazin.com sucht nach Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Welcher Vertrag wurde gekündigt?

Im Sommer 2016 unterzeichnete der ADAC mit MotoGP-Organisator Dorna einen Vertrag über die Ausrichtung des Deutschland-GP bis inklusive 2021, der nach wie vor aufrecht ist. Da der ADAC aber nicht selbst als Veranstalter des Rennens auftritt, schloss er seinerseits einen bis ursprünglich 2021 laufenden Vertrag mit der Sachsenring Rennstrecken Management GmbH (SRM).

Diese kümmert sich nicht nur um die Organisation des Rennens, sondern trägt auch das volle finanzielle Risiko der Veranstaltung. Dieser Vertrag mit dem SRM wurde nun von Seiten des ADAC aufgelöst, womit der Sachsenring nach aktuellem Stand 2019 kein Recht mehr hat, den Deutschland-GP auszurichten, der aber wiederum vom ADAC der Dorna bis inklusive 2021 nach wie vor vertraglich zugesichert ist.

Was ist der Grund für den Bruch zwischen ADAC und SRM?

Das Sachsenring-Management betonte in seiner Presseaussendung vom Donnerstagabend, dass man sämtliche Vorgaben der Dorna erfüllt hätte, allerdings Zusatzforderungen vom ADAC bekommen habe. "Was nicht erfüllbar ist, sind die vom ADAC München zusätzlich geforderten Bedingungen, die Bestandteil des Vertrages zwischen SRM und ADAC München sind", hieß es in dem Statement. Genauere Ausführung verweigerte man allerdings.

Der ADAC antwortete wenig später auf die Vorwürfe aus Sachsen: "Die Sachsenring-Rennstrecken Management GmbH (SRM) als unser Vertragspartner hat ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen können. Der SRM war bei Vertragsabschluss bekannt, welche finanzielle Verpflichtung auf Sie zukommt. Dass wir jetzt zusätzliche Forderungen gegenüber der SRM erheben, ist nicht der Fall und entbehrt jeglicher Grundlage."

Im Klartext: Es geht im Streit zwischen München und Hohenstein-Ernstthal um Geld. Denn Fakt ist, dass die SRM GmbH mit dem Event keinen Gewinn erwirtschaftet. Da der Sachsenring keine permanente Rennstrecke ist, kostet alleine die Errichtung der Tribünen jährlich mehrere hunderttausend Euro.

Die Zuschauer straften eine im Vorjahr erfolgte Erhöhung der Ticketpreise mit Fernbleiben ab, was die finanzielle Lage der GmbH zusätzlich verschärfte. 22,4 Prozent weniger Fans musste man 2017 vermelden und somit die geringsten Zuschauerzahl seit dem Jahr 2000 ausweisen. Aber auch der ADAC schwimmt keinesfalls im Geld, weist seine Bilanz für das Vorjahr doch ein Minus von acht Millionen Euro aus. Zur Einordnung: der Bereich "Sport" schlägt in der Bilanz mit Ausgaben in Höhe von 11,3 Millionen Euro zu Buche.

"Daher sind wir gezwungen, den Vertrag mit der SRM zu kündigen, da mögliche finanzielle Verpflichtungen nicht zu Lasten unserer Mitglieder gehen dürfen", stellte der ADAC in seinem Statement vom Donnerstag klar.

Bedeutet die Kündigung das MotoGP-Aus für den Sachsenring?

Nicht grundsätzlich, denn selbst der ADAC verkündete am Donnerstagabend: "Unser vorrangiges Ziel ist es, die Zukunft des Motorrad-Grand-Prix von Deutschland über das Jahr 2018 hinaus langfristig sicherzustellen – idealerweise am Sachsenring."

Die Aufkündigung des Vertrages würde allerdings neue Verhandlungen zwischen ADAC und SRM notwendig machen, in denen man sich auf einen neuen Kontrakt einigen müsste. Allerdings dürften die Fronten ziemlich verhärtet sein, denn die Sachsen haben bereits angekündigt, sich direkt an die Dorna wenden zu wollen.

"Sowohl die Geschäftsführung der SRM, als auch deren Gesellschafter und der Freistaat Sachsen möchten betonen, dass sie sich auch weiterhin dafür einsetzen werden, dass der Grand Prix 2019 und darüber hinaus auf dem Sachsenring durchgeführt werden kann. Hierzu werden wir umgehend Gespräche mit der Dorna Sports aufnehmen", hieß es in einer Presseaussendung.

Die Chancen einen direkten Vertrag zwischen Dorna und SRM sind gering, da die Spanier einen bis 2021 gültigen Vertrag mit dem ADAC haben. Der Verband darf das Rennen also jederzeit umsiedeln, insofern die Strecke vom Motorrad-Weltverband FIM die entsprechende Homologation erhält.

Könnte die MotoGP Deutschland 2019 den Rücken kehren?

Unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Sollten sich ADAC und SRM nicht einigen, müsste der Dorna ein Ersatzkandidat mitgeteilt werden. Die Suche läuft bereits. "Wir haben aufgrund der Umstände auch Gespräche mit anderen Veranstaltern und Rennstrecken aufgenommen", gab der ADAC in seinem Statement offen zu.

Allerdings muss die entsprechende Strecke von der FIM im Zuge der Homologation mit "Grade A" bewertet werden. Denn nur dieses Prädikat berechtigt zur Ausrichtung eines MotoGP-Rennens. Für Läufe zur Superbike-WM (wie zuletzt am Lausitzring oder einst am Nürburgring) genügt "Grade B", für Rennen der Endurance-WM (wie etwa in Oschersleben) genügt sogar "Grade C".

Wie läuft der Bewertungsprozess der FIM?

Der Motorrad-Weltverband passt seine "FIM Standards for Circuits" jährlich an, aktuell umfasst das komplette Regelwerk 96 Seiten. Auf diesen ist von der Art der Streckenbegrenzung bis hin zur Ausstattung der Boxengasse oder des Media Centers alles geregelt. Für MotoGP-Rennen werden nur Strecken mit der höchsten Bewertung auf der fünfstufigen Skala zugelassen.

Will eine neue Strecke in den MotoGP-Kalender, muss sie sich zunächst einer Inspektion durch eine Delegation der FIM unterziehen. Nach dieser wird ein Bericht verfasst, der vorschreibt, welche Änderungen an der Strecke vorgenommen werden müssen, damit "Grade A" vergeben werden kann. Eine derartige Inspektion fand etwa auf dem Nürburgring im Vorjahr statt.

Für die Umsetzung dieser Maßnahmen hat die Rennstrecke bis 90 Tage vor Beginn des Events Zeit. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss eine finale Freigabe der Strecke durch den Weltverband erfolgen. In erster Linie geht es bei den Abnahmen durch die FIM darum, Sicherheitsbedenken auszuräumen. So wird zumeist etwa die Vergrößerung der Sturzräume oder die Entfernung bzw. Versetzung von Streckenbegrenzungen gefordert.

Welche Strecken könnte einspringen?

Sollte sich der Sachsenring tatsächlich nicht mit dem ADAC einigen, müsste dieser der Dorna einen Ersatzkandidaten präsentieren, um nicht seinerseits vertragsbrüchig zu werden. Als heißester Kandidat gilt der Nürburgring, der im Vorjahr eine FIM-Inspektion durchführen ließ. Da bei dieser aber kein "Grade A" erteilt wurde, müssten die Betreiber Umbaumaßnahmen durchführen, was neuerliche Investitionen nötig machen würde.

Zudem würde - wie schon die SRM GmbH - der jeweilige Veranstalter das volle finanzielle Risiko tragen. Dass auch an den Nürburgring gleich viele MotoGP-Fans pilgern würden, wie an den Sachsenring, darf zumindest bezweifelt werden. Denn in keiner Region Deutschlands ist die Begeisterung für den Motorradsport so groß wie in Sachsen.

Auf Anfrage von Motorsport-Magazin.com teilte der Nürburgring mit: "Natürlich streben wir danach eine höhere Graduierung zu erhalten. Sicherlich ist die Durchführung einer MotoGP interessant, da es das höchste Zweirad-Prädikat im internationalen Motorradsport ist. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen jedoch für alle Parteien vertretbar sein."

Die Motorsport Arena in Oschersleben (dort fährt im Juni die FIM Endurance-WM) hegt hingegen keinerlei Absichten, Sachsen das Rennen abspenstig zu machen. "Unserer Meinung nach gehört die MotoGP in Deutschland an den Sachsenring", stellte ein Sprecher auf unsere Nachfrage klar. Eine entsprechende Anfrage von Motorsport-Magazin.com an die Streckenbetreiber in Hockenheim wurde bislang noch nicht beantwortet.

Einen Wechsel an den Lausitzring, immerhin bis zum Vorjahr Gastgeber eines Events der Superbike-WM, kann man wohl ausschließen. Seit der Übernahme durch die Dekra im Vorjahr wird der Ring zu einem Kompetenzzentrum für autonomes Fahren umgewandelt. Motorsport fand bzw. findet dort im Jahr 2018 nur an drei Wochenenden statt: im April mit der deutschen Rallycross-Meisterschaft, im Mai mit dem DTM-Rennen und im August mit einem IDM-Lauf.

Die Dekra selbst tritt aber bei keinem dieser Events selbst als Veranstalter auf und wird das auch künftig nicht tun. Somit müsste ein unabhängiger Ausrichter gefunden werden, der wiederum selbst das komplette finanzielle Risiko eines MotoGP-Rennens tragen würde. Eine derartige Hasardaktion wird sich wohl niemand antun.

Kann die MotoGP auf ein deutsches Rennen verzichten?

Die Dorna hat stets klargestellt, dass ihr der deutsche Markt wichtig ist. Auch die Hersteller und viele in der MotoGP involvierte Unternehmen würden auf eine Präsenz in Deutschland nur ungern verzichten. Allerdings machen die Motorradkonzerne ihre großen Gewinne längst woanders: etwa in Südostasien oder Lateinamerika. Regionen, die mit aktuell zwei (Südostasien) bzw. einem (Lateinamerika) Rennen im MotoGP-Kalender unterrepräsentiert sind.

In Indonesien entsteht bereits eine Strecke, auch Brasilien und Mexiko haben Interesse an der MotoGP bekundet. Darüber hinaus sitzen in Finnland und Kasachstan Projekte im Wartezimmer des Rennkalenders. Ein Rennen in Deutschland ist für die Dorna längst kein Muss mehr, vor allem, da es mit Assen, Brünn und Spielberg mittlerweile drei örtlich nahe Alternativen gibt.

Viele Veranstaltungen stehen finanziell deutlich besser da als der defizitäre Deutschland-GP. Sei es aufgrund öffentlicher Gelder (wie etwa in Katar oder Thailand), starker Investoren (wie etwa am Red Bull Ring) oder eines Fan-Ansturms (wie zuletzt in Le Mans oder alljährlich in Valencia). Ein finanziell prekär aufgestellter Deutschland-GP ist somit auch für die Dorna ein Risiko, das sie nicht mehr um jeden Preis nehmen muss.