Die DTM steht kurz vor dem mit großer Spannung erwarteten Saisonfinale auf dem Hockenheimring (20.-22. Oktober). Wer holt die Fahrer-Meisterschaft? Wer gewinnt den Team-Titel? Geht diesmal alles sauber über die Bühne? Und was passiert hinter den Kulissen? Fragen über Fragen, die am kommenden Wochenende auf dem badischen Traditionskurs geklärt werden. Motorsport-Magazin.com beleuchtet die größten Brennpunkte vor dem DTM-Showdown im Motodrom.

Brennpunkt #1: Wer gewinnt den DTM-Titel?

Es ist die alles entscheidende Frage: Wer schnappt sich in Hockenheim die DTM-Meisterschaft? Mit Thomas Preining (Manthey-Porsche, 190 Punkte), Mirko Bortolotti (SSR-Lamborghini, 180 Punkte) und Ricardo Feller (Abt-Audi, 159 Punkte) können sich Fahrer drei unterschiedlicher Teams und Marken gute Hoffnungen ausrechnen. Der amtierende DTM-Champion Sheldon van der Linde (Schubert-BMW, 138 Punkte) hat bei 52 Zählern Rückstand auf Preining nur noch theoretische Chancen. Maximal 56 Punkte kann ein Fahrer in Hockenheim erzielen.

Es steht richtig viel auf dem Spiel: Für Porsche und Lamborghini wäre es jeweils der erste Titel in der Geschichte der 1984 gegründeten DTM. Preining wäre der erste Meister aus Österreich und Bortolotti der erste Italiener seit Nicola Larini 1993, der sich zum Champion krönt. Setzt sich Feller durch, würde er der Schweiz die erste DTM-Meisterschaft bescheren. In der Team-Wertung steuert Manthey-Porsche (283 Punkte) vor Abt-Audi (256 Punkte) und SSR-Lamborghini (255 Punkte) dem ersten DTM-Titeltriumph entgegen.

"Im Endeffekt herrscht der gleiche Druck wie an jedem Wochenende", sagt Porsche-Werksfahrer Preining zwar. "Aber jeder fiebert mit und ist motiviert." Herausforderer Bortolotti: "Jeder bei Lamborghini freut sich auf das Wochenende, das ist eine ganz große Sache. Wir kämpfen gegen deutsche Großmächte und haben ein ganz anderes Standing."

Die DTM-Titelanwärter 2023 Thomas Preining, Mirko Bortolotti und Ricardo Feller
Preining, Bortolotti oder Feller: Wer holt den DTM-Titel?, Foto: DTM

Brennpunkt #2: Die ewige Teamorder-Sorge

Unweigerlich schwebt das ewige DTM-Schreckgespenst, die Teamorder, über dem Hockenheimring. Per Reglement bleibt das leidige Dauer-Thema auch unter dem ADAC als neuem Promoter verboten. Wer erwischt wird, einem Fahrer Anweisungen zu seinem Nachteil zu erteilen, kassiert bis zu 250.000 Euro Geldstrafe. Hilft ein Fahrer aus eigenem Antrieb heraus jedoch einem Kollegen, so wäre das erlaubt.

Positiv hervorzuheben: Im bisherigen Saisonverlauf haben die Titelfavoriten keine auffälligen Geschenke von ihren Team- oder Markenkollegen erhalten. Ganz anders als zu früheren Hersteller-Zeiten, in denen die Meisterschaftskandidaten häufig schon nach dem zweiten oder dritten Rennwochenende einer Saison auserkoren wurden und der Rest mitspielen musste.

"Wir sind auf uns selbst gestellt und müssen kämpfen", betonte Titel-Herausforderer Mirko Bortolotti. "Ich hoffe, dass es fair abläuft und keine dummen Spielchen getrieben werden." Spitzenreiter Thomas Preining: "Klar ist, dass man nicht auf so etwas angewiesen ist. Es ist auch nichts in die Richtung geplant. Es wäre am besten, wenn das Ganze sauber abläuft und sportlich auf der Strecke geklärt wird statt irgendwo am Grünen Tisch oder durch Teamkollegen."

Brennpunkt #3: Titelfavoriten sind ge- und verwarnt

Hockenheim verspricht wegen der engen Ausgangslage in der Meisterschaft einen Titelkampf mit harten Bandagen. Sowohl Preining als auch Bortolotti und Feller sind bekannt dafür, ordentlich austeilen zu können, wenn es um die Wurst geht.

Dabei sollten allerdings gerade Preining und Bortolotti mit kühlem Kopf zu Werke gehen, denn: Den Titelanwärtern droht auf dem Hockenheimring eine Grid-Strafe. Beide haben in der laufenden Saison jeweils zwei Verwarnungen kassiert. Bei der dritten setzt es per Reglement eine Strafversetzung um fünf Plätze in der Startaufstellung für das nächstfolgende Rennen.

Eine Verwarnung ist in der DTM schnell kassiert, kann aber genauso einfach vermieden werden: Bortolotti 'wartet' seit dem dritten Saison-Event am Norisring auf seine dritte Verwarnung, Preining seit dem darauffolgenden Rennwochenende auf dem Nürburgring. "Ich glaube nicht, dass dadurch die Meisterschaftshoffnungen für die beiden Jungs weg wären", wollte Feller den 'Vorstrafen' seiner Titelgegner keine allzu hohe Bedeutung beimessen. Der Abt-Pilot musste am Sachsenring bereits eine 5-Platz-Strafe absitzen und könnte sich in Hockenheim eine weitere Verwarnung - es wäre seine fünfte - ohne Konsequenzen abholen.

Brennpunkt #4: Welche Rolle spielt die BoP?

Kein DTM- bzw. GT3-Wochenende ohne Diskussionen über die Balance of Performance. Kommt das Hockenheim-Finale ohne BoP-Querelen aus? Zumindest in der Theorie gilt keine der sechs Marken als deutlicher Favorit auf dem deutschen Traditionskurs, wenngleich Porsche, Lamborghini und Ferrari neue Modelle einsetzen. Die privaten Testfahrten vor zwei Wochen, bei denen Manthey, SSR und Schubert einen zusätzlichen Tag einlegten, brachten wenig überraschend kaum Aufschluss über die wahre Performance.

"Ich kann sagen, dass ich mich sehr wohl im Auto gefühlt habe", ließ sich Preining entlocken. "Ob ich mich nach dem Qualifying immer noch so positiv ausdrücke, werden wir dann sehen. Ich hoffe auf Chancengleichheit, ein paar Mal hat das ganz gut funktioniert." Nachdem die Porsche am Sachsenring einen größeren Restriktor spendiert bekamen, hätten sich die Äbte über ein ähnliches Zugeständnis für den Audi R8 gefreut. Das wurde jedoch abgelehnt. Abt-Motorsportdirektor Martin Tomczyk vor Hockenheim: "Ohne das leidige BoP-Thema wären wir jetzt in einer besseren Ausgangsposition."

Die von der SRO erstellte Balance of Performance kann in der DTM auch während eines laufenden Rennwochenendes angepasst werden, wovon häufig Gebrauch gemacht worden ist. Im Hintergrund wird trotz der verfügbaren SRO-Datenmasse diskutiert, ob die DTM eine eigene BoP benötigt, weil sich hier nicht wie sonst üblich zwei Fahrer ein Auto teilen und nur wenige 'Amateure' am Start sind.

DTM Hockenheim: Balance of Performance (Version 1)

AutoGrundgewichtBoP-BallastGesamtgewichtRestriktor/Ladedruck
Audi R8 LMS GT3 Evo II1.260 kg50 kg1.310 kg2 x 36 mm
BMW M4 GT31.265 kg40 kg1.305 kg2,66 bar bei 6.000 rpm
Ferrari 296 GT31.275 kg30 kg1.305 kg2,50 bar bei 5.250 rpm
Lamborghini Huracan GT3 Evo21.250 kg80 kg1.330 kg1 x 51 mm
Mercedes-AMG GT31.285 kg40 kg1.325 kg2 x 34,5 mm
Porsche 911 GT3 R1.250 kg60 kg1.325 kg2 x 39,5 mm

Brennpunkt #4: Qualifying diesmal keine Vorentscheidung?

Bisher war das Qualifying schon die halbe Miete in der DTM: 10 der 14 Saisonrennen gewann der Pole-Setter! Am besten gelang das Mirko Bortolotti, der als einziger Fahrer drei Rennen gewinnen konnte - alle vom ersten Startplatz. Mit 12 Punkten hat der Lamborghini-Werksfahrer auch die meisten Zusatzpunkte in den Zeittrainings kassiert. DTM-Spitzenreiter Preining belegt mit 11 Zählern Platz zwei in der Quali-Punkte-Liste, gefolgt von Sheldon van der Linde (10) und Ricardo Feller (9).

Bortolotti selbst glaubte nicht, dass eine Pole Position in Hockenheim einer Vorentscheidung im Rennen gleichkommt. "Das Qualifying spielt immer eine wichtige Rolle, aber keine fundamentale", meinte der in Wien lebende Italiener. "Es gab Strecken, die die Startposition gefördert haben und auch die neue Startprozedur, wo der Pole-Setter entscheidet, wann er Gas gibt. Das gibt einen kleinen Vorteil. Hockenheim ist aber eine Strecke, wo Überholmanöver möglich sein sollten."

Thomas Preining fuhr mit seinem Manthey-Porsche nur beim Saisonauftakt in Oschersleben auf Pole, ließ aber vier zweite Startplätze folgen. Der Österreicher zeigte wie Bortolotti zudem die eine oder andere starke Aufholjagd, namentlich auf dem Nürburgring (von 16 auf 5) und am Sachsenring (von 11 auf 4). "Es gibt ein paar Stellen, wo man etwas versuchen kann, aber die Spitzkehre ist der Hotspot Nummer 1", sagte Preining mit Blick auf den Hockenheimring.

Die DTM-Titelanwärter 2023 Thomas Preining, Mirko Bortolotti und Ricardo Feller
DTM-Meisterschaft 2023: Showdown im Motodrom, Foto: DTM

Brennpunkt #5: Wann hört es auf zu regnen?

Das Wetter könnte den Teams und Fahrern am Wochenende einiges Kopfzerbrechen bereiten. Nach aktuellem Stand (Donnerstagmittag) ist der Trainings-Freitag komplett verregnet. Bis in die frühen Morgenstunden am Samstag sind Schauer vorhergesagt und noch ist unklar, ob es pünktlich zum 1. Qualifying um 09:30 Uhr aufhört zu regnen. Das Zeittraining könnte sich zu einer munteren Regen-Lotterie entwickeln.

Zum nachfolgenden Samstagsrennen (13:30 bis 14:30 Uhr) soll es trocken bleiben, bei mehr oder weniger angenehmen Temperaturen um 16 Grad. Weiterer Regen wird aktuell nicht erwartet, womit auch das letzte Rennen des Jahres am Sonntag bei trockenen Bedingungen und rund 13 Grad über die Bühne gehen sollte.

Brennpunkt #6: Dieses Interview sorgt für Gesprächsstoff

Zu Beginn der Woche sorgte der langjährige Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug mit einem Interview in der Bild-Zeitung für Aufsehen in der deutschen Motorsport-Szene. Der 70-Jäjhrige, der weiterhin alle Rennen vor Ort begleitet, kritisierte deutlich den hohen Kostenaufwand für die DTM-Teams und sprach sich unter anderem für eine Abschaffung der privaten Testfahrten aus.

"Es wird viel zu viel getestet", fand Haug. "Das ist ein Nachhaltigkeits-Thema! Man darf künftig nicht weiter sinnlos Reifen und Sprit verheizen. Teilweise werden an einem Testtag pro Auto zehn Sätze - also 40 Reifen oder gar mehr - für kurze Qualifying-Übungen verbraucht. Ein einziger Testtag kostet 40.000 Euro und mehr. Das hat keine Zukunft." Auch brachte Haug eine Verkürzung des Rennformats ins Spiel, um weitere Gelder einsparen zu können. Das Interview dürfte in Hockenheim eines der beherrschenden Themen abseits des sportlichen Geschehens sein.

Brennpunkt #7: Abt Sportsline lüftet DTM-Geheimnis

Für den voraussichtlich ersten Brennpunkt des Wochenendes sorgt Abt Sportsline schon am Freitagabend: Der Rennstall aus Kempten präsentiert höchst frühzeitig sein komplettes DTM-Aufgebot für die Saison 2024! Autos, Fahrer, Sponsoren, alles mit an Bord. Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren ist zumindest nicht ganz sicher, ob die Äbte weiterhin auf Audi setzen.

Die Ingolstädter fahren ihre Werksunterstützung bekanntermaßen runter, wenngleich die Verbindung beider Unternehmen sehr stark ist. Auf der Nordschleife setzt Abt Sportsline bereits einen Lamborghini ein - etwa auch in der DTM? Man darf sich so oder so auf eine spannende Präsentation freuen.