Was war nicht wieder alles los in Silverstone! Wetterchaos, Startkonfusion, Hollywoods Bester, geile Rennen. Die deutsche Kalex schon sechs Rennen vor Schluss Konstrukteurs-Weltmeister. Es gibt schon wieder so viel zu erzählen, dass es eigentlich für fünf Kolumnen reichen würde. Wie immer also.

MotoGP erzählt Geschichten. In anderen Rennserien müssen diese Geschichten künstlich entworfen werden. Bei uns nicht! Herrlich, dass bei grausigstem englischen Wetter 80.000 Zuschauer einen Heimsieg von Danny Kent feiern durften. Das Wetter hatte den Nebeneffekt, dass Valentino Rossi auf seiner Hassstrecke Nummer eins nicht zu schlagen war.

Auch nicht von Marc Marquez, der sich mit seinem Sturz aus dem WM-Kampf verabschiedet hat. Toll für Rossi, der wieder alleine die WM anführt. Und das ausgerechnet zwei Wochen vor dem Rennen in seinem Vorgarten. Misano wird beben, auch weil mit Petrucci und Dovizioso ein komplett Italienisches Podest für echte MotoGP-Ekstase in Italien sorgt.

Ein deutscher Motorrad-Traum

Danilo Petrucci ist ja wohl klar der Held des Wochenendes. Wohlverdient, wohlgemerkt. Da können wir Deiutschen im Moment nur davon träumen! Das mache ich einfach mal: Man stelle sich ein MotoGP-Podest mit Stefan Bradl, Sandro Cortese und Jonas Folger vor. Das hätte doch was! Und zwar eine ganze Menge. Ein schöner Traum. Solch ein Ergebnis würde sicherlich auch in unserem geliebten Auto-und Fußballland für mehr Interesse an der MotoGP sorgen.

Ok, genug geträumt, Augen wieder auf. Denn die Realität sieht leider anders aus. Stefan Bradl konnte durch einen Sturz die Chance auf ein Top-Ten-Resultat nicht nutzen. So bleibt ein sehr schönes Selfie mit Brad Pitt als Erinnerung. Wahrscheinlich der erste Zahlinger überhaupt mit Brad-Pitt-Selfie. Zwar kein Titel, aber auch nicht wirklich schlecht. Auch nicht schlecht ist, dass Stefan Bradls engster Berater die Welt wissen lässt, dass die Zusammenarbeit mit Aprilia wohl auch nächstes Jahr weiter geht. Klasse! Und mehr als verdient für Stefan Bradl. Sehr wichtig für MotoGP-Deutschland. Hoffen wir, dass die Meldung nicht nur Spekulation ist.

Die für mich eigentliche Sensationsmeldung des Wochenendes dagegen ist wasserdicht: Sandro Cortese und Jonas Folger werden Teamkollegen. Wow! In einem deutschen Team mit deutscher Crew und deutschen Sponsoren. Na bitte, geht doch, möchte man ausrufen. Zwei junge Deutsche mit dem Potenzial auf das Podest der Moto2. Großartig. Die Medien werden Kopf stehen, sollte man meinen. Aber denkste: Außer auf Motorsport-Seiten habe ich über die neuformierte deutsche Nationalmannschaft nix gelesen.

An vergangenen Erfolge anschließen

Das Baby von Frau Rosberg ist eben wichtiger. Dabei ist die Konstellation, die Stefan Keckeisen, Jürgen Lingg und Wolfgang Kuhn mit dieser Fahrernominierung für das nächste Jahr geschaffen haben sensationell. Diese drei Herren sind nämlich die Macher hinter Dynavolt Intact GP. Respekt deshalb, weil zwei erfolgreiche Geschäftsleute (Keckeisen und Kuhn) einem benzinverseuchten Technikgenie (Lingg) vor gerade mal drei Jahren die Chance gegeben haben, ein Dreamteam aufzubauen.

Was sportlich leider nicht so ganz rund gelaufen ist. Was wiederum am Fahrer liegt. Sandro Cortese hat in knapp drei Saisons nur ein Podest geschafft. Das ist zu wenig. Viel zu wenig. Das weiß Sandro Cortese auch selbst. Und er weiß auch, dass bei jedem anderen Team längst Feierabend wäre. Der Moto3-Weltmeister von 2012 weiß ebenso ganz genau, dass er nächstes Jahr liefern muss. Ein starker Teamkollege als mentaler Turbolader. Klasse! Vor allen Dingen, weil es um ein rein deutsches Lineup geht. Was es auf diesem Niveau zuletzt 1996 gab.

Ralf Waldmann (l.) duellierte sich Mitte der Neunzigerjahre erbittert mit Max Biaggi (r.), Foto: Milagro
Ralf Waldmann (l.) duellierte sich Mitte der Neunzigerjahre erbittert mit Max Biaggi (r.), Foto: Milagro

Damals fuhren Ralf Waldmann und Jürgen Fuchs für HB Honda im Team von Dieter Stappert und wurden in der WM am Ende Zweiter und Vierter. Herrlich war das. Unvergessen Assen 1996: Waldi Erster, Fuchsie Zweiter. Ein gewisser Max Biaggi mit 20 Sekunden Rückstand Dritter. Was glauben Sie, was da unter den deutschen Fans auf den Tribünen los war!? Und sowas geht nächstes Jahr auch. Mit Folger und Cortese. Leider nicht mit Marcel Schrötter.

Der war nämlich auch in der engeren Wahl, aber Dynavolt Intact GP kann ja schlecht alles alleine machen. Aber ein positives Beispiel zeigen, das kann man. Denn in nur drei Jahren ist es gelungen mit sauberer Arbeit ein weltweit anerkanntes Topteam der Moto 2 zu gestalten. Weltweit anerkannt weil nämlich das halbe Fahrerfeld gerne den zweiten Platz neben Sandro Cortese gehabt hätte. Es geht also doch, von Deutschland aus ein Profiteam in der WM zu etablieren. Siehe auch Kiefer Racing oder das Racing Team Germany.

Deutsche Verbände gefordert

Aber in der Moto2 so durchzustarten wie die Truppe um Cortese, das sollte Mut machen. Und zwar anderen potenziell Interessierten. Denn es wäre mit Marcel Schrötter und auch Florian Alt durchaus noch Potenzial für ein zweites deutsches Team da. Wenn Schrötter nicht auch endlich Topmaterial bekommt, wäre das ein Skandal. Und wenn Florian Alt nicht eine weitere Chance bekäme, ebenso.

Florian Alt: Auch er hätte eine weitere Chance in der Moto2 verdient, Foto: E-Motion IodaRacing Team
Florian Alt: Auch er hätte eine weitere Chance in der Moto2 verdient, Foto: E-Motion IodaRacing Team

Das wäre doch eigentlich auch mal eine Chance für die Verbände, ausnahmsweise mal unbürokratisch zu reagieren. Der DMSB könnte doch zum Beispiel die 200.000 Euro Strafe, die Audi für den DTM-Skandal bezahlen muss, direkt als Karriereförderungsmittel für Alt und Schrötter einsetzen. Damit wäre viel geholfen. Anruf genügt. Ich vermittle gerne!

Oder auch die vielen deutschen Zulieferer. Die wollen zwar allesamt, dass Deutschlands Biker ihre Kohle in Ihren Läden lassen, tun aber für die deutschen Sportler wenig bis gar nix. Was schade ist. Fragen sie doch mal nach bei Stefan Keckeisen und Wolfgang Kuhn. Die können bestätigen, dass die vielen regionalen Sponsoren und Unterstützer total begeistert sind, dass sie im Cortese/Folger-Team dabei sein dürfen. Und einen Traum verfolgen. Nämlich den Traum von deutschen Erfolgen.

Geldbörse auf, ihr Sponsoren!

Was klappen könnte! Nach der neuen deutschen Nationalmannschaft auf zwei Rädern mit Sandro und Jonas, fehlt jetzt nur noch Ähnliches für Alt und vor allen Dingen Schrötter. Und dann wäre nämlich möglich etwas zu wiederholen, was 1985 für beste Einschaltquoten in der ARD sorgte. Ein deutsches Dreifach-Podest in Silverstone. Mit Mang, Roth und Herweh. Das war ein Traum. Und es muss keiner bleiben.

Die Glaskugel auf meinem Schreibtisch flimmert zwar gerade ein wenig, aber verschwommen erkenne ich Cortese, Schrötter und Folger gemeinsam im Jahr 2016 auf einem Podest. Die Frage ist auf welchem. Und ob die Begeisterung für den besten Motorsport der Welt gerade mal wieder mit dem Schreiber dieser Zeilen durchgeht. Wäre ja nichts Neues. Aber Träume müssen erlaubt sein, nur dann geht es weiter. Wie das geht, haben die letzten drei Jahre Dynavolt Intact GP gezeigt. Denn jetzt haben wir für 2016 eine neue deutsche Nationalmannschaft auf zwei Rädern am Start. Also Geldbörse auf und nachmachen! Unsere Sportler hätten es verdient.