Porsche hat nach dem chaotischen Samstagsrennen der Formel E in London einen Einspruch gegen eine 3-Minuten-Zeitstrafe für Antonio Felix da Costa angekündigt, die den Portugiesen den zweiten Platz auf dem Podium kostete. Der Sportwagenbauer hat nun 96 Stunden Zeit, seinen Einspruch schriftlich zu begründen. Geschieht dies innerhalb der vorgegebenen Frist, landet der Fall vor dem FIA-Berufungsgericht.

Sollte Porsche vor dem Ende des kommenden Rennens am Sonntag in London seine Einspruchsankündigung nicht zurückziehen, bleiben das Ergebnis des Samstagsrennens, in dem sich Jake Dennis (Andretti-Porsche) vorzeitig die Formel-E-Weltmeisterschaft gesichert hat, sowie die WM-Wertungen bis nach dem Final-Wochenende vorläufig.

Formel E: WM-Entscheidung vor FIA-Berufungsgericht?

An Dennis' WM-Triumph würde sich auch nichts ändern, wenn Felix da Costa den zweiten Platz am Grünen Tisch zurückerhält. Wohl aber könnte eine möglich Ergebniskorrektur einen Einfluss auf den Ausgang der Team-Weltmeisterschaft haben. Porsche belegt vor dem letzten Saisonrennen am Sonntag den dritten Platz mit 27 Punkten Rückstand auf Spitzenreiter Jaguar. Felix da Costas P2 wäre allein 18 Zähler wert.

Die FIA-Sportkommissare brummten Felix da Costa während des laufenden Rennens eine 3-Minuten-Zeitstrafe auf, weil der Porsche-Pilot den vom Reifenhersteller Hankook vorgegebenen Mindest-Reifenluftdruck von der 33. Runde bis zum Rennende unterschritten habe. Exklusivausstatter Hankook gibt in der Formel E einen Mindestdruck von 1,2 bar vor, der zu keinem Zeitpunkt unterschritten werden darf.

Das war bei Felix da Costa tatsächlich der Fall und wurde schon während der 22-minütigen Rot-Unterbrechung in Folge eines Unfalls von Sacha Fenestraz diskutiert. Laut Porsche habe es sich um einen schleichenden Plattfuß am rechten Vorderreifen gehandelt, der "aber so langsam war, dass er niemals sicherheitskritisch war, keinen Performance-Vorteil gebracht hat und klar von außen herbeigeführt wurde", wie Porsche-Gesamtprojektleiter Florian Modlinger gegenüber Motorsport-Magazin.com versicherte.

Formel E, London, Felix da Costa, Porsche
Foto: LAT Images

Felix da Costa: "Leute denken, wir seien Betrüger"

Felix da Costa schäumte nach dem Rennen geradezu vor Wut. "Wenn ich eine Strafe bekomme, weil ich zu wenig Luftdruck im Reifen habe, dann denken die Leute, wir seien Betrüger", sagte der frühere Formel-E-Meister in der Mixed Zone. "Aber wir bei Porsche betrügen nicht! Wir sind ein tolles Rennen gefahren, und das nimmt man uns nun weg."

Felix da Costa, einmal in Rage, weiter: "Das ist total enttäuschend. Ich glaube nicht, dass sie ausreichend technische Expertise haben, um eine Meisterschaft wie diese mit all diesen Herstellern und Fahrern zu regulieren. Die sind nicht gut genug. So simpel ist das." Heute habe der Sport, die Formel E und die FIA verloren, legte Felix da Costa später auf Twitter nach. Das sei nicht das erste Mal gewesen, dass die FIA inkonstante Strafen verteile.

Felix da Costa ärgerte sich darüber, dass bei anderen Gelegenheiten keine Strafen vergeben wurden, als Autos in einem vermeintlich unsicheren Zustand auf der Strecke fuhren. So wie in London bei McLaren-Pilot Rene Rast, der einige Runden mit einem lädierten Frontflügel fuhr und laut Felix da Costa Karbonstücke auf der Strecke verteilte. Oder bei Ex-Weltmeister Stoffel Vandoorne, der das Qualifying in Rom mit einem beschädigten Frontflügel bestreiten durfte.

Felix da Costa über eine Situation während der Rot-Phase in Rom: "Ich habe von Angesicht zu Angesicht mit dem Technischen Delegierten der FIA gesprochen, als ich im Auto saß. Ich sagte: 'Das Auto ist sicher, lasst mich fahren'. Und er sagte: 'Ja, du kannst das Rennen fahren'. Laut einem FIA-Sprecher hingegen sei Porsche gesagt worden, den Reifen zu tauschen. Hier steht also Aussage gegen Aussage...

Formel E, London, Felix da Costa, Porsche
Foto: Porsche AG

"Ich weiß, wann ein Auto sicher ist"

"Ich gehe doch nicht drei, vier Tage für jedes Rennen in den Simulator und verbringe hunderte Tage weg von meiner Familie, um hierher zu kommen und das Rennen dann so weggenommen zu bekommen. Ich bin mehr als 100 Formel-E-Rennen gefahren. Ich weiß, wann ein Auto sicher ist zu fahren. Ich sagte ihm (dem Technischen Delegierten der FIA; d. Red.), dass das Auto sicher sei. Er ließ mich raus, und jetzt bekomme ich eine Strafe. Wir hatten nicht mal die Chance, das zusammen zu besprechen."

Porsche-Leiter Modlinger zu MSM: "Ich kenne zwei Aussagen. Einmal vom Mechaniker und einmal von Antonio. Ich war selbst nicht dabei, kenne aber zwei Aussagen, dass uns von der FIA gesagt wurde - was normalerweise auch so ist - dass wir die Sicherheit der Fahrzeuge selbst einschätzen. Wir haben Antonio mit dem Verdacht, dass er eventuell einen Slow Puncture hat, rausgeschickt, um hinter dem Safety Car zu checken, ob sich das Auto okay anfühlt und alles normal ist."

Das habe Felix da Costa bestätigt, nachdem er Schlangenlinien hinter dem Safety Car fuhr. "Dazu muss man sagen, dass man immer mal wieder Probleme mit dem Reifendrucksensor hat", führte Modlinger aus. "Das hatten wir auch dieses Wochenende. Zu dem Zeitpunkt wussten wir nicht, ob es ein schleichender Plattfuß ist oder ob es ein Problem mit dem Reifendrucksensor gibt. Aufgrund der Fahreraussage - er hat ja auch gezeigt, dass es bis zum Ende ging und es keine Sicherheitsbedenken gab - sind wir natürlich weitergefahren. Ein Podium oder eine Siegchance gibt man nicht ohne ersichtlichen Grund her."

Formel E, London, Felix da Costa, Porsche
Foto: LAT Images

Keine Sicherheitsbedenken bei Porsche

Die FIA untersuchte Felix da Costas Porsche inklusive der Reifen nach dem Rennen und hörte ebenso die involvierten Parteien an. Es waren längere Gespräche. Erst gegen 23:00 Uhr am Samstagabend - rund fünf Stunden nach dem Rennende - kam man zur Entscheidung, die Strafe aufrechtzuerhalten.

Modlinger: "Der Technische Delegierte hat das Recht, ein unsicheres Fahrzeug in die Garage zu schicken, um es zu reparieren. Das Fahrzeug zu reparieren. Hier handelte es sich um einen Reifen, wo man eventuell einen schleichenden Plattfuß vermutet und wo Hankook die Hoheit hat. Wir haben im Nachgang mit ihnen gesprochen und Hankook sieht mit dem Schnitt, den man von außen sieht, keine Sicherheitsbedenken. Ich denke, wir als Team haben das richtig eingeschätzt und hatten auch keine Sicherheitsbedenken."

Formel E, London, Porsche, Modlinger
Foto: Porsche AG

Porsche und FIA: Diskussionen auch um Wehrlein

Es war nicht der einzige Vorfall zwischen Porsche und der FIA, der für Diskussionen sorgte. Pascal Wehrlein lag auf Podestkurs, bis er während einer Rot-Phase angewiesen wurde, den defekten Frontflügel seines Autos austauschen zu lassen. Das warf den früheren DTM-Campion und Formel-1-Fahrer per Reglement beim Re-Start ans Ende des Feldes zurück. Vorausgegangen war eine Kollision mit McLaren-Pilot Rene Rast.

"Die FIA hat gesagt, dass unser Auto repariert werden und die Nase getauscht werden muss", sagte Wehrlein, der beim Zieleinlauf den zehnten Platz belegte, zu Motorsport-Magazin.com. "Das heißt bei einer roten Flagge, dass du dich hinten anstellen musst. Danach war mein Rennen komplett zu Ende. Auch was ich von Antonio mitbekommen habe, ist nicht ganz verständlich."

Porsche und Wehrlein äußerten Zweifel, ob der Frontflügel-Tausch aus Sicherheitsgründen wirklich nötig war. Wehrlein selbst hätte keine Bedenken gehabt, die letzten Runden mit dem angeknacksten Flügel zu bestreiten: "Natürlich. Ich bin die Runden davor auch so gefahren. Das halbe Feld fuhr ohne Nase."