Jake Dennis ist Formel-E-Weltmeister 2023! Der Andretti-Pilot sicherte sich beim dramatischen Samstagsrennen in London vorzeitig den Titelgewinn. Dem Briten reichte beim Sieg von Mitch Evans (Jaguar) der zweite Platz, um vor dem letzten Rennen des Jahres am Sonntag rechnerisch nicht mehr einholbar zu sein.

Dennis trägt sich als neunter Meister in die Geschichtsbücher der Formel E ein - und schaffte dieses Kunststück mit einem Kundenauto von Porsche. Nach dem 15. von 16 Saisonrennen hat Dennis - der seinen zehnten Podestplatz errang - 213 Punkte auf dem Konto. Der Gesamt-Zweite Evans kommt auf 176 Zähler und hat damit rechnerisch keine Chancen mehr. Dennis löst Stoffel Vandoorne als Weltmeister ab und ist der erste Formel-E-Champion aus Großbritannien.

Formel-E-Tabelle 2023 nach 15/16 Rennen (Top-5)

Pos.FahrerTeamPunkte
1Jake DennisAndretti-Porsche213
2Mitch EvansJaguar176
3Nick CassidyEnvision-Jaguar174
4Pascal WehrleinPorsche146
5Jean-Eric VergneDS Penske107

London-Wahnsinn: Zwei Safety Cars, zwei Rot-Phasen

Dennis bekam den zweiten Platz 'geschenkt', weil der eigentlich Zweitplatzierte Antonio Felix da Costa (Porsche) wegen eines technischen Vergehens mit einer 3-Minuten-Strafe belegt wurde. Sebastien Buemi (Envision-Jaguar) komplettierte das Podium als Dritter.

Das vorletzte Rennen der Saison entwickelte sich zu einem echten Thriller mit chaotischen Momenten. Zwei Safety-Car-Phasen und zwei zwischenzeitliche Renn-Unterbrechungen mit roten Flaggen (Unfall von Sacha Fenestraz in Runde 29 und Massen-Karambolage in Runde 35) sorgten für wahre Schock-Momente.

Formel-E-Weltmeister 2023: Jake Dennis, Foto: LAT Images
Formel-E-Weltmeister 2023: Jake Dennis, Foto: LAT Images

Dennis beschwert sich über Porsche und Wehrlein

Auch Dennis erlebte vom zweiten Startplatz hinter Pole-Setter Nick Cassidy ein äußerst ereignisreiches Rennen. Nach dem Start musste er sich zunächst Hintermann und Cassidy-Teamkollege Sebastien Buemi geschlagen geben, mischte aber munter im vorderen Feld mit. Zwei verpasste Attack-Mode-Aktivierungen warfen Dennis in der ersten Rennhälfte etwas zurück.

Spektakulär wurde es dann im Duell mit Porsche-Werkspilot Pascal Wehrlein, der Dennis' Kunden-Porsche so beherzt attackierte, dass sogar Andretti-Teamgründer Michael Andretti auf direktem Wege in die Porsche-Garage marschierte und das Gespräch mit den Verantwortlichen des Werksteams suchte.

Rast kollidiert mit Wehrlein

Kurz vor der roten Flagge mit einer Dauer von 22 Minuten, ausgelöst in Runde 29 durch einen Unfall von Nissan-Fahrer Fenestraz, crashte dann auch noch der zu diesem Zeitpunkt Drittplatzierte Rene Rast (McLaren) mit Wehrlein und schickte den früheren Formel-1-Fahrer in die Bande. Da Rasts McLaren während der Rennunterbrechung in der Garage repariert werden musste, fanden sich die beiden Deutschen beim Restart am Ende des Feldes wieder. Rast kassierte für den Vorfall eine 5-Sekunden-Zeitstrafe.

Cassidy nach Teamkollegen-Crash raus

Zu diesem Zeitpunkt war das Rennen für Titelanwärter und Pole-Mann Cassidy bereits beendet. Nachdem der Neuseeländer in der Anfangsphase souverän in Führung gelegen hatte, spielten sich in den folgenden Runden dramatische Szenen ausgerechnet mit Envision-Teamkollege Buemi ab.

Eine offensichtliche Fehl-Kommunikation des Teams sorgte für eine Kollision der beiden Teamkollegen! Der Crash in Runde 15 endete in einem vorzeitigen Ausfall von Cassidy, der im Anschluss wenig überraschend völlig bedient war. Der auf der Strecke herumliegende Frontflügel von Cassidys Auto löste die erste Safety-Car-Phase aus.

Zweite Rot-Phase nach Massen-Karambolage

Und als ob das alles noch nicht gereicht hätte, setzte sich das Drama munter fort. Eine Massen-Karambolage in Runde 35 - drei Umläufe vor dem Rennende - löste die zweite Rot-Phase aus. Der zu diesem Zeitpunkt Viertplatzierte Buemi und Nissan-Pilot Norman Nato kamen sich in die Quere, dahinter konnte Sam Bird nicht ausweichen und erwischte das Duo. Da das Feld zu diesem Zeitpunkt komplett zusammengeführt war, kam es an der Unfallstelle zu einem riesengroßen Stau ohne Durchkommen.

Der Rennleitung blieb nichts anderes übrig, als zum zweiten Mal alle verbliebenen Autos mit roten Flaggen in die Boxengasse zu führen. Nach dem Restart bei noch zwei ausstehenden Runden ging es dann deutlich gemäßigter zur Sache. Einziger Aufreger: Der auf P2 fahrende Felix da Costa erhielt eine 3-Minuten-Zeitstrafe wegen eines zunächst nicht näher bekannten Technik-Vergehens und fiel ans Ende des Feldes zurück.

Die Top-10 nach dem wohl dramatischsten Rennen des Jahres: 1. Mitch Evans, 2. Jake Dennis, 3. Sebastien Buemi, 4. Sam Bird, 5. Sergio Sette Camara, 6. Edoardo Mortara, 7. Lucas di Grassi, 8. Dan Ticktum, 9. Norman Nato, 10. Pascal Wehrlein.

Formel-E-Finale in London: So lief das Rennen am Samstag

Die Startaufstellung: Mitch Evans fuhr im Qualifying am Mittag auf die Pole Position, musste wegen einer Strafe aus Rom (Kollision mit Nick Cassidy) aber eine 5-Platz-Gridstrafe antreten - P6 für den Jaguar-Piloten. Ausgerechnet Cassidy erbte den ersten Startplatz. Daneben komplettierte Jake Dennis die Startreihe 1. Pascal Wehrlein fuhr auf Platz sieben hinter Dan Ticktum, Rene Rast und Mitch Evans. Damit alle vier verbliebenen Titelfavoriten in den Top-7 der Startaufstellung.

Der Start:Nick Cassidy konnte sich am Start behaupten. Teamkollege Sebastien Buemi sciherte sich aber den zweiten Platz von Jake Dennis, wodurch Envision bereits in Runde eins mit beiden Autos den London ePrix anführte. Auch Rene Rast konnte sich am Start gegen Dan Ticktum behaupten, der auf Position fünf zurückfiel.

Erste Rennhälfte: Bereits in Runde 3 holten sich mit Stoffel Vandoorne, Jean-Eric Vergne, Sergio Sette Camara oder auch Roberto Merhi die ersten Piloten den Attack Mode. Während sich Cassidy an der Spitze gut von Teamkollege Buemi absetze, kam es im hinteren Feld zu einigen Kollisionen. Vandoorne verschätzte sich in Kurve 1 und schoss so Edoardo Mortara ab. Auch Frijns war in eine Kollision mit Sette Camara verwickelt. Nachdem sich Jake Dennis an Buemi abmühte, nutzte Mitch Evans die Gunst der Stunde und schnappte sich Dennis in einem Moment der Unachtsamkeit. Nick Cassidy aktivierte nun auch den Attack Mode für vier Minuten und fiel auf den dritten Rang zurück. Als Buemi sich diesen eine Runde später ebenfalls abholte, ging Cassidy aber nicht wieder an seinen Teamkollegen vorbei.

Jake Dennis sah seinen Titelrivalen damit in Reichweite und überholte Cassidy trotz dessen Attack Mode auf Start-Ziel. Rene Rast zog nach und ging ebenso an Cassidy vorbei. Wenig später schlug der Envision-Fahrer aber wieder zurück. Als er sich wieder hinter Teamkollege Buemi befand, kam es aber schließlich zum Drama. 'Kampf' trifft es in diesem Fall gut. Ohne jede Chance auf den WM-Titel macht der Franzose seinem Teamkollegen das Leben schwer, bis es zwischen den beiden plötzlich zur Berührung kam. Cassidy fuhr sich den Flügel ab, der sich löste, unter das Auto gerat und Cassidy nach hinten warf. Cassidy schaffte es noch an die Box, stellte im weiteren Verlauf des Rennens aber sein Auto ab. Aufgrund der auf der Strecke liegenden Teile fuhr das Safety Car auf die Strecke.

Zweite Rennhälfte: Mitch Evans blieb beim Restart an der Spitze, gefolgt von Buemi, Rast und Wehrlein. Doch auch das Rennen von Dennis lief alles andere als nach Plan. Gleich zweimal in Folge gelang es dem Briten trotz weiterer Linie nicht, den Attack Mode zu aktivieren. Beim dritten Versuch schaffte es der Avalanche Andretti folglich, sich die Extra-Power abzuholen.

Für Jake Dennis blieb die erwartete Porsche-Unterstützung vonseiten Werks-Porsche-Fahrer Pascal Wehrlein aus. Der Deutsche attackierte Dennis und nahm dem Briten den vierten Platz ab. Porsche-Teamkollege Antonio Felix da Costa zog nach. Wenig später kam es zu einem Unfall zwischen einem Nio und Sasha Fenestraz. Der Andretti fuhr dem Frontmann vor Kurve 16 auf und rutschte folglich ungebremst in die Streckenbarrieren. Auch im Zweikampf zwischen Rast und Wehrlein, der auf den dritten Platz Angriff machte, kam es zur Berührung in der ersten Kurve, wobei Wehrlein von der Strecke gedrängt wurde und ebenfalls in der Streckenbegrenzung landete. Nach einer minutenlangen Safety-Car-Phase wurde folglich die rote Flagge geschwenkt, da die Tech-Pro-Barrieren wieder gerichtet werden mussten. Auch Rast fuhr plötzlich mit einem fehlenden Frontflügel über die Strecke.

Der Restart ging für Sebastien Buemi in die Hose. Der Envision verlor direkt zwei Positionen an Antonio Felix da Costa und Jake Dennis, der sich damit auf Titelkurs befand. Auch im weiteren Verlauf verlor Buemi viel Zeit. Dann kam es zu der wohl kuriosesten Szene des Rennens: Norman Nato versuchte gegen den langsamen Buemi sein Glück in Kurve 16. Der Franzose machte die Tür gegen seinen Landsmann aber viel zu spät zu und fuhr dem auf der Innenseite fahrenden Nato in das Auto. Auch Sam Bird dahinter konnte nicht mehr ausweichen und fuhr Nato in das Heck. Der Weg in die Kurve war schließlich versperrt, wodurch sich ein regelrechter Stau bildete. Erneut wurde bei noch zwei verbliebenen Runden die rote Flagge geschwenkt.

Beim finalen Restart gingen es die Fahrer etwas gemäßigter an. Positionskämpfe blieben aus, wodurch sie auf denselben Positionen ins Ziel fuhren. Felix da Costa verlor seinen zweiten Platz aber aufgrund einer 3-Minuten-Zeitstrafe, wodurch Buemi beim WM-Titelgewinn von Jake Dennis als Dritter aufs Podium rutschte. Evans konnte sich beim ersten Rennen des Wochenendes den Sieg sichern.