Das Jahr 2005 sah mit 19 Grand Prix Wochenenden die längste F1-Saison aller Zeiten. Aber schon 10 Tage nach dem Saisonende im fernen Shanghai, machte die unlimitiert jenseits jeglicher freiwilliger Testlimits agierende Scuderia Ferrari klar: Auf die längste Saison folgt die längste Wintertestphase.

Noch bevor die anderen Teams Ende November ihre Testarbeiten wieder aufnahmen, hatte Ferrari nicht nur in der italienischen Heimat, sondern auch im sandigen Bahrain unzählige Testkilometer abgespult. Danach fanden sich die F1-Teams wie üblich im Tagesrhythmus auf den spanischen Teststrecken von Valencia bis Jerez ein.

Die Erkenntnisse der Wintertestfahrten lassen sich trotz ihrer hohen Quantität aber nur schwer zusammenfassen. Schließlich gelten Testzeiten schon seit jeher als fragwürdiger Leistungsmesser. Insbesondere wenn wie in diesem Jahr so viele unterschiedliche Fahrzeugkonfigurationen zum Einsatz kamen.

In Jerez wurden auch die Regenreifen getestet., Foto: Sutton
In Jerez wurden auch die Regenreifen getestet., Foto: Sutton

Für uns fasste BMW-Neuzugang Nick Heidfeld die Situation treffend zusammen: "Im Moment fahren einige mit V8-Motoren, andere mit V10-Triebwerken und noch einmal andere mit V10-Aggregaten mit begrenzter Drehzahl, dazu kommen Fahrzeugwechsel zwischen unterschiedlichen Konfigurationen und unterschiedliche Spritmengen. Dadurch ist alles nur extrem schwierig zu überblicken oder gar zu durchschauen."

Nichtsdestotrotz werfen wir in den folgenden Zeilen einen Blick auf die Wintertestprogramme der Teams, die erzielten Fortschritte und die schwierig zu beurteilende Lage der F1-Welt zum Jahreswechsel.

Renault: Die Titelverteidiger

Als Doppelweltmeister starteten die Franzosen in die Wintertestsaison 2005. Während die beiden Stammpiloten jeweils nur einen kurzen Einsatz erhielten, um sich an das veränderte Fahrverhalten unter dem neuen Motorenreglement zu gewöhnen, spulten die beiden Testfahrer Franck Montagny und Heikki Kovalainen den Großteil der Testkilometer ab. Ihr Arbeitsgerät wurde dabei von einem mit nur 8 Zylindern laufenden V10 angetrieben. Der neue V8 aus Viry-Châtillon wird erst im neuen R26 im neuen Jahr aufheulen. Die Begründung für diese Testphilosophie fiel äußerst einfach aus: Renault sah keinen Sinn in einem teuren Interimsmodell.

Gary Paffett erfuhr sich einen silbernen Testvertrag., Foto: Sutton
Gary Paffett erfuhr sich einen silbernen Testvertrag., Foto: Sutton

McLaren: Die Aktiven

Bei McLaren Mercedes kamen im Laufe der Wintertests sowohl Zehn- als auch echte Achtzylinder zum Einsatz. Allerdings wurde bevorzugt mit den Achtzylindern getestet - manchmal musste man allerdings nach dem Motto "so lange der Vorrat reicht" verfahren. Die Motorschäden der Silberpfeile stellten allerdings keine Seltenheit dar. Erwartungsgemäß hatten alle Motorenhersteller mit ihren neuen Aggregaten zu kämpfen. An der Fahrerfront wurde nur Vizeweltmeister Kimi Räikkönen nach einer Meniskusoperation nicht an der Strecke gesichtet. Ansonsten schickte McLaren Mercedes ein illustres Fahrerquartett in den Süden Spaniens: Montoya, de la Rosa, Wurz und Paffett fuhren gleichberechtigt in den MP4-20B-Boliden, denen es keinesfalls an Speed mangelte.

Ferrari: Die Vieltester

Bevor die anderen Teams überhaupt das erste Mal in diesem Winter auf die Strecke rollten, hatte Ferrari bereits unzählige Testkilometer abgespult. Und das mit nur einem Ziel: Die Bridgestone-Reifen nach dem katastrophalen Jahr 2005 für das neue Reifenreglement 2006 wieder auf den Stand von 2004 zu bringen. Klingt kompliziert? Scheint den Italiener jedoch bislang gut gelungen zu sein. Selbst Michael Schumacher kehrte kurz vor Weihnachten aus seinem obligatorischen Winterurlaub zurück, um erste Versuche mit dem neuen V8 und den neuen Reifen zu fahren. Das Ergebnis: Ein zweiter Platz und eine Tagesbestzeit mit dem V8 - vor allen V10. Wie üblich gilt dabei aber: Was die Zeiten wirklich wert sind, erfahren wir erst im März des nächsten Jahres. Dennoch wirkte die Scuderia in diesem Winter fitter als während der abgelaufenen Saison. Die einzigen größeren Kopfschmerzen verursachten zwei identische Vorderradaufhängungsbrüche bei Testfahrer Luca Badoer. Der Italiener überstand die heftigen Unfälle aber unbeschadet.

Der TF106 rollte als erster Neuer aus der Box., Foto: Sutton
Der TF106 rollte als erster Neuer aus der Box., Foto: Sutton

Toyota: Die Schnellsten

Toyota war schon immer für frühe Fahrzeugvorstellungen bekannt. In diesem Jahr überraschten die Japaner am Tag vor ihrem Testbeginn aber noch mehr: Schon Ende November stellten sie ihren neuen TF106 vor. Allerdings gibt es dabei einige Einschränkungen. Zuallererst basiert der neue weiß-rote Renner auf dem erst zwei Rennen vor Saisonende eingeführten TF105B, der eine komplett neue Vorderraufhängung besaß. Zum zweiten wird das Auto bis zum Saisonstart in Bahrain (ja, nicht in Melbourne!) noch ein komplett neues Aerodynamikkleid erhalten. Und drittens planen die Japaner aus Köln-Marsdorf auch 2006 eine B-Version, die erneut viele Änderungen mit sich bringen wird. Die ersten Testeindrücke lassen Toyota-Fans jedenfalls auf ein gutes Jahr 2006 hoffen.

Williams: Die Uneinschätzbaren

Je nachdem an welcher Ecke des Testpaddocks man sich umhört, wird das Williams Team entweder als großer Verlierer oder als möglicher Überraschungskandidat gehandelt. Wer einen Pessimisten nach den Chancen der im historischen Mitternachtsblau lackierten Boliden fragt, der wird als Antwort erhalten: Ein finanziell angeschlagenes Team, mit neuen Bridgestone-Reifen, neuem Cosworth-Motor und einem zuletzt enttäuschenden Auto wird auch 2006 keine Bäume ausreißen. Die Optimisten werden hingegen sagen: Bridgestone wird sich durch die größere Anzahl an Teams und die neuen Regeln erholen, Williams wusste schon immer wie man ein gutes Auto baut und Cosworth hat traditionell die größte Erfahrung mit V8-Triebwerken. Was soll da noch schief gehen? Entscheiden Sie nun am besten selbst, ob sie zu den Pessimisten oder zu den Optimisten gehören. Die bisherigen Testwochen legten zumindest zweierlei frei: Das Auto (vor allem das Getriebe) und der Motor haben noch mit etlichen Kinderkrankheiten zu kämpfen. Und: Rookie Nico Rosberg konnte einige Male erstaunlich schnelle Zeiten in den Asphalt brennen.

Honda setzt auch 2005/2006 auf ein Concept Car, Foto: Sutton
Honda setzt auch 2005/2006 auf ein Concept Car, Foto: Sutton

Honda: Die Aggressiven

Während der amtierende Weltmeister seinen Kostensparansatz fortsetzt und mangels angeblicher Rendite sogar auf ein Interimsauto verzichtet, geht der japanische Konkurrent den genau entgegen gesetzten Weg: Honda testet auch in diesem Winter einem Concept Car. Dieses enthält neben dem neuen V8-Motor auch einige andere Teile des neuen Boliden. Wie bei Testfahrten in den vergangenen Jahren üblich, wussten die ehemaligen British American Racer mit starken Zeiten und einigen Testbestzeiten zu überzeugen. Doch das neue Honda-Werksteam hatte ebenfalls mit den bekannten Problemen, vor allem am Motor, zu kämpfen. Da Rubens Barrichello noch bis zum Jahresende bei Ferrari unter Vertrag steht und keine Freigabe erhalten hat, musste Jenson Button die Testarbeit zusammen mit den Testfahrern und Nachwuchshoffnungen erledigen.

Red Bull Racing: Die Zweigleisigen

Red Bull fährt zweigleisig: Aber nicht nur wegen seiner neuerdings zwei Rennställe. Auch bei RBR kamen in diesem Winter zwei Autos sowie zwei Motoren zum Einsatz. Während die Standardtests in Spanien mit einem Vorjahres-RB1 und dem passenden Cosworth-Aggregat absolviert wurden, gab der neue RB2 samt des Ferrari-V8 Mitte Dezember in Silverstone sein Debüt. Der neue Red Bull soll sogar schon jetzt sein endgültiges Aerodynamikpaket besitzen. David Coulthard war von seinem neuen "sexy" Arbeitsgerät jedenfalls sehr angetan. Das letzte Mal als ein Verantwortlicher einen F1-Boliden als "sexy" bezeichnete, war damit der BAR006 gemeint. Im Gegensatz zu seinem Nachfolger vom Typ 007, war die "sexy Lady 006" eines der Überraschungsautos des Jahres 2004. Vielleicht kann der erste Red Bull Ferrari diesen Erfolgen nacheifern...

Auch Jacques Villeneuve durfte erstmals für BMW ran., Foto: Sutton
Auch Jacques Villeneuve durfte erstmals für BMW ran., Foto: Sutton

BMW Sauber: Die Neuen

BMW Motorsport in München versorgte seit Jahren das Williams Team mit starken Aggregaten. Sauber Motorsport in Hinwil baute seit Jahren mit einem niedrigen Budget ein vernünftiges Auto. Seit diesem Winter gehören beide unter dem Namen BMW Sauber zusammen. Das große Ziel ist es in - hoffentlich nicht allzu - ferner Zukunft den WM-Titel zu gewinnen. 2006 würde man sich aber mit Achtungserfolgen zufrieden geben. Bei den Wintertests blieben Nick Heidfeld und Jacques Villeneuve entsprechend farblos. Zwar war der C24B noch in den kunterbunten Sauber-Farben lackiert, ansonsten fand man sich aber nie in der Nähe des oberen Zeitenlistendrittels wieder. Doch darum geht es in diesem Winter bekanntlich nicht. Zumindest der neue V8 wusste beide Fahrer zu überzeugen.

MF1 Racing: Die Außenseiter

Nach der Umbenennung des Jordan Teams in MF1 Racing sollte in Silverstone alles besser werden. Zum Beispiel sollte die geringe Anzahl der Testfahrten durch ein größeres Budget angehoben werden. In diesem Winter fand man MF1 trotzdem nur in einer Testwoche in Jerez wieder. Dafür war das erste F1-Team unter russischer Lizenz aber gleich an fünf Tagen und mit fast unzähligen Fahrern unterwegs. Als Arbeitsgerät standen den beiden Stammpiloten sowie einigen Nachwuchstalenten zwei umlackierte EJ15B zur Verfügung. Der eine beherbergte einen herkömmlichen, in der Drehzahl begrenzten Toyota V10, der andere den neuen Toyota Achtzylinder.

Für Minardi fiel die letzte Flagge., Foto: Sutton
Für Minardi fiel die letzte Flagge., Foto: Sutton

Scuderia Toro Rosso: Die Beflügelten

Wie Midland absolvierte auch das zweite Red Bull Team nur eine Testwoche. In Barcelona drehten Scott Speed und Neel Jani einige Runden in einem leicht umlackierten RB1. Bis auf den Cosworth-Motor werden die beiden Toro Rosso Piloten im neuen Jahr aber ein anderes Arbeitsgerät vorfinden: Der STR1 wird weder auf dem Vorjahres-Minardi noch auf dem Vorjahres-Red Bull basieren, sondern eine völlige Neuentwicklung sein. Die Präsentation des neuen Autos erfolgt wie jene des RB2 allerdings erst in der Woche vor dem Saisonstart in Bahrain. Abgesehen vom einzigen STR-Test in Barcelona, gab es jedoch noch einen denkwürdigen Testmoment, der im Zusammenhang mit der Truppe aus Faenza stand: Noch bevor das Testverbot endete, absolvierte das Minardi Team in Vallelunga seinen Abschiedstest. Nach 21 Jahren war Teamboss Paul Stoddart der letzte Fahrer, der einen Minardi F1-Boliden fahren durfte.