Seit Ende 2021 ist Mohammed Ben Sulayem der Präsident des weltweiten Motorsport-Dachverbandes FIA. In seiner Amtszeit haben sich die Fronten zwischen der FIA und der Formel 1 deutlich verhärtet. Vorbei sind die Zeiten von Sulayems Vorgänger Jean Todt, in der sich beide Parteien nach außen wie eine geschlossene Einheit präsentierten. Die jüngste Compliance-Untersuchung der FIA, sorgt für erneutes Konfliktpotential.

Der FIA-Präsident soll die Untersuchung auf Basis eines Berichts eines nicht unumstrittenen Mediums und ohne die Beschuldigten vorher informiert zu haben persönlich angeregt haben, so der Vorwurf der Formel 1 und Mercedes. Es ist nicht das erste Streitthema zwischen der FIA und dem kommerziellen Rechteinhaber der Formel 1 Liberty Media seit dem Amtsantritt des ehemaligen Rallye-Piloten. Ein Überblick.

Andretti & Ben Sulayem gegen die Formel 1

Ein Streit, der sich mittlerweile seit Jahren zieht, ist der geplante Formel-1-Einstieg von Andretti. Seit der Deal der amerikanischen Racing-Familie zur Übernahme des Sauber-Teams platzte, bemüht sich Andretti darum, als elftes Team in die Formel 1 einzusteigen. Große Unterstützung erhielt es von Beginn an vom damals neuen FIA-Präsidenten Ben Sulayem.

Dieser sah in einem elften Team einen enormen sportlichen Mehrwehrt für die Formel 1 und rührt im Verbund mit Andretti seitdem kräftig die Werbetrommel. Doch so groß die Unterstützung ist, umso größer ist bis heute die Gegenwehr der Formel 1. Liberty Media, das für die Werbung und kommerzielle Verwertung der Formel 1 verantwortlich ist, wehrt sich im Hintergrund mit allen verfügbaren Mitteln weiterhin gegen einen Einstieg von Andretti. Die Angst über den finanziellen Verlust, den die aktuellen Formel-1-Teams bei einem elften Team in Kauf nehmen müssten, überwiegt weiterhin den sportlichen Mehrwehrt, den ein rein amerikanisches Team bringen könnte.

F1-CEO Stefano Domenicali äußert sich hingegen weiterhin, wenn überhaupt, äußerst selektiv zur Andretti-Thematik. Der Einstieg ist von Seiten der FIA bereits seit Monaten abgesegnet, doch die finale Einwilligung der Formel 1 fehlt weiterhin. Diese macht noch immer keine Anstalten, Andretti auch nur den Ansatz einer Priorität einzuräumen.

Selbst als Mitte November 2023 Andretti mit einem neuen, äußerst schlagkräftigen Argument nachlegte, und mit General Motors einen der größten Autohersteller der Welt als Motorenpartner präsentierte, folgte von offizieller Seite der Formel 1 keinerlei Reaktion. Dass die General-Motors-Bekanntgabe seitens der Formel 1 bis heute öffentlich komplett ignoriert wird, spricht Bände über die verhärteten Fronten.

Verkaufsangebot der Formel 1: Streit zwischen FIA und Liberty eskaliert

Im Januar 2023 stand der brodelnde Konflikt zwischen der FIA und Liberty kurz vor der Eskalation. Das Verhältnis zwischen beiden Parteien war bereits angespannt, nachdem viele Teams die Reaktion der FIA auf den Abu Dhabi Grand Prix 2021 als unbefriedigend empfunden hatten, Ben Sulayem die von der F1 geforderten Sprintrennen monatelang blockierte und auf der FIA-Gala-Bühne in unvorteilhafter Art und Weise mit Christian Horner und Stefano Domenicali öffentlich über den Kostendeckel und die WM-Entscheidung in Japan diskutieren wollte.

Doch was das Fass zum Überlaufen brachte, waren die öffentlichen Äußerungen des FIA-Präsidenten über ein berichtetes Kaufangebot der Formel 1 in Höhe von 20 Milliarden Euro , finanziert vom staatlichen Investmentfonds aus Saudi-Arabien. Liberty lehnte den Deal ab, dennoch kommentierte Ben Sulayem den Deal auf seinem Twitter-Account und bezeichnete die Übernahmesumme als "überhöht" und mahnte zum Hausverstand.

Die Formel 1 reagierte empört auf Ben Sulayems Tweet, drohte sogar mit rechtlichen Konsequenzen. "Die Kommentare im heutigen Posting überschreiten sowohl die Grenzen des definierten Aufgabenbereichs der FIA als auch die vertraglichen Rechte bezüglich der Vereinbarungen zwischen der FIA und der Formel-1-Gruppe", hieß es in einem Brief, den die Formel 1 daraufhin an die FIA sendete. Ben Sulayem hätte mit seinen Äußerungen die klare Grenzlinie zum kommerziellen Rechteinhaber Liberty überschritten. Zwei Wochen später zog sich Ben Sulayem aus dem Tagesgeschäft der Formel 1 zurück und konzentriert sich seitdem auf die strategische Führung der FIA.