Es steht jetzt eine voraussichtlich lange Wartezeit an, bis beim Formel-1-Einstieg von Andretti wieder Bewegung stattfinden wird. Der für die Regeln zuständige Automobil-Weltverband FIA hat den Einstieg abgesegnet, aber Andretti muss jetzt noch einen kommerziellen Vertrag mit dem Formula One Management (FOM) abschließen, welches dem US-Unternehmens Liberty Media gehört und die exklusiven Vermarktungsrechte an der WM hält. Bei starkem Widerstand der Teams könnte das mit Prüfungen und Verhandlungen bis 2024 dauern.

Das birgt großes Konfliktpotenzial. Die FIA, und ihr Präsident Mohammed Ben Sulayem, haben mit der Zulassung von Andretti klar gemacht, dass sie ein neues Team wollen. Scheitert Andretti nun vor den kommerziellen Inhabern - droht dann ein neuer Krieg zwischen Regelhüter und Rechteinhaber? Ben Sulayem schwört auf Frieden, und sieht eine Ablehnung zugleich unmöglich. Trotz Widerstand.

FIA-Präsident: Habe mich mit F1-Management abgesprochen

Ben Sulayem spricht am Rande des Katar-Rennwochenendes seinem kommerziellen Gegenpart bei FOM, F1-CEO Stefano Domenicali, das absolute Vertrauen aus: "Er kommt nicht einfach aus dem Kommerziellen, er kommt aus der Industrie, aus dem Sport." Der langjährige Ferrari-Teamchef Domenicali sollte das Sportliche der Formel 1 verstehen.

Außerdem weist Ben Sulayem zurück, dass die Andretti-Bewilligung der FIA ein Alleingang gewesen sei. Von Beginn an hielt er mit Domenicali und dessen Team Rücksprache. Schon 2022, als Andretti zum ersten Mal an die Tür klopfte.

Nach einer solchen Rücksprache kam etwa die Forderung an Andretti, einen Hersteller als Partner aufzutreiben. Andretti kam mit GM-Cadillac. "Dann haben wir zusammen mit FOM noch mehr Dinge erbeten, und sie haben abgeliefert, an uns beide", unterstreicht Ben Sulayem. FIA und FOM waren gemeinsam in Videokonferenzen, Informationen wurden geteilt. "Ich wüsste nicht, wo in dem Prozess zwischen uns und der F1 ein Problem sein sollte."

FIA-Präsident beobachtet F1-Aktienkurs: Warum Andretti ablehnen?

"Glaubt mir, wir hatten viel Gegenwind, und ich habe nichts hinter dem Rücken von irgendjemand getan. Was die FIA dürfte, sie ist unabhängig, aber ich habe konsultiert, habe angerufen", erklärt Ben Sulayem. So bemühte er sich nach Kräften, Andretti in die bestmögliche Position für einen kommerziellen Vertrag zu bringen und alle möglichen Gefahren vorab zu neutralisieren.

Ben Sulayems Fazit ist ein klares: "Ich bin zuversichtlich, dass es nicht zu einer Zurückweisung des Teams kommt. Bei unserer Prüfung mussten wir sicherstellen, dass das Team Mehrwert bringt. Das tut es für beide. Für die FIA beim Sport und bei der Nachhaltigkeit des Geschäfts, und kommerziell ist es bewiesen, dass der Aktienkurs gestiegen ist."

Der Kurs der F1-Gruppe stieg am Tag der FIA-Bestätigung von 62 auf 68 US-Dollar. "Das ist gut für sie", sieht Ben Sulayem darin das Signal für den von allen Beteiligten geforderten finanziellen Mehrwert. Außerdem versichert er, dass Cadillac zumindest langfristig auch einen eigenen Motor bauen will, auch wenn das zum Einstieg noch nicht möglich ist. Und wie dann ablehnen? "Kannst du einen amerikanischen Hersteller zurückweisen? Das ist sehr schwer. Ganz im Gegenteil, der ist gut fürs Geschäft."

Keine F1-FIA-Krise auf dem Horizont?

Kein Potenzial für einen ernsten Konflikt mit seinen kommerziellen Partnern sieht er folglich, nachdem in den letzten Tagen gar Schreckgespenster von Gerichtsprozessen heraufbeschworen wurden: "Es wird keine Scheidung geben. Die FIA vor Gericht mit Liberty, das werden wir nicht zulassen. Das steht nicht einmal zur Diskussion. Wir greifen zum Telefon, wir regeln Dinge. Das sind kleine Dinge, die sind Teil davon, den Sport besser zu machen."

Der größte Widerstand kommt sowieso nicht von Liberty, sondern von den etablierten Teams. Die üben auf allen Ebenen immensen Druck aus, weil sie ihren Preisgeldkuchen nicht mit einem Elften teilen wollen. "Wir hören sie an", versichert Ben Sulayem, aber er erinnert auch, dass die Teams kein echtes Mitspracherecht haben.

Letztendlich gibt es schließlich in allen Verträgen Provisionen für bis zu zwölf Teams. Argumente wie etwa mangelnder Platz auf Strecken sind für Ben Sulayem scheinheilig: "Wir haben jetzt ein elftes Team, für Hollywood. Es wird Platz geben, es muss, ganz klar. Eine Strecke muss Platz für zwölf haben, um genehmigt zu werden. Strecke und Veranstalter sind verantwortlich. Wir nehmen unsere Verantwortung wahr, wir greifen nicht ein. Die Regeln werden auf alle Parteien angewandt."