Dan Ticktum zählt in der Formel 2 2021 zum erweiterten Kreis der Titelkandidaten. Den Aufstieg in die Formel 1 hat der Brite trotz seiner konstant starken Ergebnisse mittlerweile aufgegeben. Nicht nur der erschöpfte Fahrermarkt stellt für ihn eine verschlossene Tür zur Königsklasse dar. Nach seinem Rauswurf aus den Förderkadern von Red Bull und Williams sieht Ticktum seinen Ruf bei den F1-Teams ruiniert.

"Ich habe meine Chancen mittlerweile wohl verspielt", so der 22-Jährige am vergangenen Sonntag in Monza, wo er im Hauptrennen der Formel 2 den dritten Platz belegte. In seiner zweiten Saison im Unterhaus der Formel 1 liegt er nach fünf von acht Rennwochenenden auf Position vier der Gesamtwertung, 45 Punkte hinter Leader Oscar Piastri. Der Australier gehört zum Kader der Alpine Academy und gilt als Talent von F1-Kaliber.

In einer ähnlichen Situation befand sich auch Ticktum bis vor gar nicht allzu langer Zeit noch. Doch Anfang August wurde er von seinem Posten als Entwicklungsfahrer bei Williams entbunden. Über die Gründe wurden offiziell keine Angaben gemacht. Kurz vor dieser überraschenden Entscheidung des Teams hatte sich Ticktum in einem Live-Stream auf twitch abfällig über Stammfahrer Nicholas Latifi geäußert.

Mit seiner Vorgeschichte sieht er sich trotz guter Leistungen in der Formel 2 in keiner realistischen Position, von einem Formel-1-Team verpflichtet zu werden. "Ich kenne nicht viele andere junge Fahrer, die aus zwei Programmen gekickt wurden. Das hört sich hart an, aber das ist es, was passiert ist", sagt er. "Ich kann darüber streiten, ob es in beiden Fällen ganz gerechtfertigt war. Aber ich bin leider keine Ware, die in der Formel 1 unheimlich gefragt ist."

Ticktum hat ein Einsehen: Zu oft die Klappe aufgerissen

Ticktum war in seiner Laufbahn in den Nachwuchsserien schon früh negativ aufgefallen. 2015 verlor er für ein Jahr seine Lizenz, weil er in einem Rennen zur britischen Formel-4-Meisterschaft einen Rivalen während einer Safety-Car-Phase vorsätzlich abgeschossen hatte. Die vom britischen Motorsportverband verhängte Sperre war ursprünglich sogar auf zwei Jahre angesetzt gewesen.

Kurz nach seiner Rückkehr in den Motorsport wurde er in das Förderprogramm von Red Bull aufgenommen. 2018 kämpfte er gegen Mick Schumacher um den Titel in der Formel-3-Europameisterschaft und machte einmal mehr mit schlechter Presse von sich reden. Er unterstellte dem Deutschen, mit illegalem Material unterwegs zu sein. 2019 beendete Red Bull die Zusammenarbeit.

"Ob es meine Schuld ist oder nicht, ich habe viel zu oft die Klappe aufgerissen und Dinge gesagt, die ich nicht hätte sagen sollen", räumt er ein. "Aber ich bin wer ich bin. Irgendwie passe ich nicht so richtig in diese Rolle des modernen Formel-1-Fahrers. Wir leben in einer Welt und in einem Sport, der sehr politisch und ziemlich ungerecht ist. Die besten oder talentiertesten Fahrer schaffen es nicht immer bis ganz nach oben."

Ticktum traurig über Williams-Aus: Ändere mich

Dass er auch seine zweite Anstellung in einem Formel-1-Team verspielte, belastet ihn. "Ich bin ziemlich traurig über die Trennung von Williams", sagt er und versichert, seine Lektion gelernt zu haben: "Ich ändere mich, und ich glaube, dass ich jeden Tag mehr zu dieser [gefragten] Ware werde. Aber leider glaube ich, dass ich meine Möglichkeiten verzockt habe. Ich weiß nicht, was ich nächstes Jahr mache."

Der Titelgewinn in der Formel 2 wäre ein nicht zu verachtender Erfolg im Lebenslauf, doch auch damit sieht es derzeit nicht so gut aus. "Wo ich in der Meisterschaft stehe, ist nicht repräsentativ dafür, wie gut ich und das Auto sind. Fahrer jammern und beschweren sich immer sehr viel über Pech, aber die Wahrheit ist, dass ich davon dieses Jahr ziemlich viel hatte. Das hat nicht geholfen", so Ticktum, der bereits drei Ausfälle verzeichnete.

Formel-2-Titel wichtig für Karrierechancen

Dennoch will er alles daran setzen, nicht leise in der Versenkung zu verschwinden. "Es wird schwierig, aber mit einem guten Wochenende kann man über 40 Punkte holen und ist wieder mitten drin", sagt er. "Der Rückstand auf Oscar ist beträchtlich, und auch wenn ich glaube, dass drei Wochenenden vielleicht nicht reichen, werde ich niemals aufgeben. Ich werde immer mein Bestes geben."

Darüber hinaus spürt er einen Erfolgsdruck. Um im Motorsport eine Zukunft zu haben, reicht es für ihn nicht, die Saison auf den Verfolgerplätzen zu beenden. "Wenn ich keinen Weg finde, Rennen zu gewinnen und viel Geld im Motorsport zu verdienen, war es das für mich im Grunde genommen", so der Brite.

Er will trotz der schlechten Lage die Möglichkeit eines Neuanfangs nicht ausschließen: "Hoffentlich eröffnen sich irgendwelche Möglichkeiten. Ich bin mir sicher, dass ich für ein F1-Team noch sehr wertvoll sein kann oder irgendwo in den Staaten. Sag niemals nie. Ich bin ein sehr schneller Fahrer."