Ferrari fährt in der Formel-1-Saison 2020 dem eigenen Anspruch meilenweit hinterher. Das zeigte sich bereits an allen der bisherigen sechs Rennwochenenden. So deutlich wie im Training zum Belgien GP stachen die Defizite der Scuderia allerdings selten hervor. Noch im Vorjahr feierte Charles Leclerc in Spa-Francorchamps seinen ersten Sieg in der Formel 1 - und erzielte so den ersten Ferrari-Erfolg 2019.

Ein Jahr später sieht die Welt völlig anders aus. In beiden Trainingssitzungen verpassten Leclerc und Sebastian Vettel die Top-10 deutlich. 1,3 Sekunden fehlten Leclerc im schnelleren und relevanteren zweiten Training auf seine eigene FP2-Bestzeit aus dem Vorjahr, 1,7 auf den Schnellsten im Tagesergebnis 2020, Max Verstappen im Red Bull.

Spa-Training: Alfa Romeo halbe Sekunde vor Ferrari

Das Resultat: Selbst Kunde Alfa Romeo war schneller. Deutlich schneller. Eine halbe Sekunde enteilten Antonio Giovinazzi und Kimi Räikkönen dem Werksteam aus Maranello. Mit P15 für Leclerc und P17 für Vettel fand sich Ferrari somit in ungewohnter Gesellschaft - von Williams! Nur 0,023 Sekunden schneller als George Russell war Leclerc, Vettel sogar langsamer und keine Zehntel schneller als Rookie Nicholas Latifi.

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„Ein sehr schwieriger Tag. Es ist vielleicht eine Überraschung, so weit hinten zu sein, besonders im zweiten Training“, sagt ein völlig ernüchterter Leclerc. „Es fühlt sich nicht gut an und ist traurig, Ferrari so weit hinten zu sehen. Aber wie immer: Als Fahrer ist es unser Job, unser Bestes zu geben und genau das versuchen ich uns Seb im Auto.“

Leclerc versucht aggressives Setup - gescheitert

Damit fing Leclerc bereits im Training an. „Wir haben im zweiten Training jede Menge probiert“, berichtet der Vorjahressieger. „Erst habe ich etwas ziemlich Aggressives in Sachen Downforce-Level versucht, aber das hat nicht wirklich funktioniert, sodass wir das gelassen haben.“ Das Fazit fällt deshalb fast ohne Hoffnung aus. Leclerc: „Uns fehlt gerade einfach die Pace, also müssen wir hart arbeiten, um das wieder aufzuholen. Aber ich erwarte keine Wunder für dieses Wochenende.“

Maximal nach Durchhalteparolen klingt Teamkollege Vettel. „Wir probieren alles, was wir können. Heute war es mit Sicherheit kein guter Tag, was die Ergebnisse angeht. Wir haben viel probiert und ich hoffe auch viel gelernt, sodass wir das Gelernte dann schon morgen umsetzen und dafür sorgen, dass es besser ausschaut. Garantien gibt es wie immer keine, aber wir werden auf jeden Fall alles probieren“, sagt der vierfache Formel-1-Weltmeister.

Sebastian Vettel & Leclerc: Balance schwierig & knifflig

Potenzial scheint zumindest da, immerhin hat Ferrari den Schlüssel bis dato offenbar nicht einmal im Ansatz gefunden. „Das Auto war knifflig und schwierig zu fahren“, schildert Vettel. „Wir sind längst nicht, wo wir sein sollten. Wir schauen jetzt nach Optionen mit dem Setup. Wir haben heute Nachmittag schon viel ausprobiert.“

Leclerc bestätigt. „Wir kämpfen dieses Wochenende ziemlich mit der Balance“, sagt der Monegasse. Deshalb lassen nicht einmal Aussichten auf Regen Hoffnung keimen. „Normalerweise wird die Balance im Regen nur schlechter, sodass die Probleme, die du im Trockenen hast, im Regen nur noch schlimmer werden“, erklärt Leclerc. „Ich denke, es wird schwierig, wenn wir keine Lösung finden, um die Balance-Probleme, die wir heute hatten, zu lösen.“

Regen letzte Ferrari-Hoffnung: Vettel & Leclerc widersprechen

Dem stimmt Vettel zu. Regen könne maximal durch Chaos und Glück helfen. „Sowohl im Nassen als auch im Trockenen ist es für uns momentan hart und schwer. Wir haben schon in Österreich einen Eindruck bekommen, wie es bei nassen Bedingungen ist. Das war auch nicht leicht für uns. Aber es könnte die Dinge zumindest etwas durcheinanderbringen“, sagt Vettel.

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Helfen können nun einzig ein neuerlicher Reset. „Und nochmal versuchen - und etwas anderes versuchen“, sagt Vettel. „Dann bin ich sicher, dass es morgen etwas besser sein wird.“ Angesichts einer halben Sekunde Rückstand auf den eigenen Kunden verheißt das nicht gerade große Sprünge für das Cavallino Rampante.