Große Racing-Point-Show am Trainingsfreitag zum zweiten Formel-1-Rennen 2020 in Österreich: Erst eine Bestzeit von Sergio Perez im ersten Training, dann mauserten sich der Mexikaner und Lance Stroll auch im zweiten Training zum Steiermark GP in Spielberg zu Anwärtern auf die zweite Startreihe. Die belegte das Duo in Pink mit den Rängen drei und vier nämlich am Nachmittag.

Sollten die schlimmsten Prognosen der Meteorologen zutreffen und der Samstag und Sonntagvormittag dermaßen ins Wasser fallen, dass an Fahrbetrieb nicht zu denken ist, könnte das starke Ergebnis sogar gleichbedeutend mit der Startaufstellung sein. Darauf hofft zumindest Perez ohne Umschweife: „Es könnte gut das Qualifying sein, falls wir morgen nicht fahren können. Dann wäre das eine gute Startposition. Hoffentlich kommt es so!“

Perez dominiert Mittelfeld: Nur zwei Zehntel hinter Mercedes, Red Bull

Genau deshalb wählte Racing Point im zweiten Training die volle Offensive. Anders als üblich in dieser Session fuhren Perez und Stroll gleich zwei Runs auf den weichsten Reifen. Stroll führte das auf P4, knapp sechs Zehntel hinter der Spitze, aber eine vor dem ersten McLaren. Perez dagegen kam sogar Max Verstappen und Valtteri Bottas näher. Nur zwei Zehntel trennten den Mexikaner im vermeintlichen Mittelfeldauto von den Top-Boliden von Red Bull und Mercedes.

Hat Racing Point also das Mittelfeld abgeschüttelt und kämpft jetzt sogar mit ganz anderen Gegnern? Perez selbst klingt fast, als würde er daran glauben. „Wir sind dabei, hoffentlich können wir im Fight ums Podium dabei sein oder zumindest die Punkte, die wir letztes Wochenende verloren haben, zurückholen“, sagt der Mexikaner nach den Trainings in Spielberg. „Im Rennen sind wir dabei. Mercedes und Red Bull sind uns vielleicht noch einen Schritt voraus, aber dann kommen direkt wir. Das wäre wichtig für unser Team. Lance war heute auch stark, es wäre echt gut, am Sonntag beide Autos locker in die Punkte zu bringen.“

McLaren sieht Racing Point davonziehen - erwartet

Von Gegnern wie McLaren und Renault - oder sogar das weiter völlig außer Form im Mittelfeld herumfahrende Ferrari - ist bei Racing Point nicht einmal mehr die Rede. Dafür dreht sich bei McLaren jede Menge um Racing Point. Am ersten Wochenende in Österreich noch in Schlagdistanz zu den pinken Boliden, scheinen diese plötzlich einen seltsam großen Sprung gemacht zu haben. Stroll spricht hier von Arbeit am Setup, McLaren mehr von einem wahren Gesicht.

„Racing Point - wir wissen alle, dass die mit einem ein Jahr alten Mercedes fahren - ist ein Auto, gegen das wir nur schwer ankommen, wenn sie alles zusammenbringen“, sagte McLaren-Teamchef Andreas Seidl, inklusive des inzwischen obligatorischen Seitenhiebs auf Racing Points Nachbau des Silberpfeils aus der Vorsaison.

Carlos Sainz fühlt sich wieder wohl im McLaren

Überraschung herrscht jedenfalls mitnichten im McLaren-Lager. Eher das Gegenteil ist der Fall. „Heute war ein insgesamt schwieriger Tag, auch in Sachen Pace“, klagte Lando Norris - und das trotz einiger Aero-Updates für den MCL35. „Racing Point sah heute extrem schnell aus. Ich weiß nicht, ob wir letztes Wochenende einen so guten Job gemacht haben oder die einen so schlechten. Vielleicht beides. Aber jetzt scheint es mir das realistischere Bild davon zu sein, was die wirklich draufhaben.“

Carlos Sainz klang da schon zuversichtlicher, jedoch mehr, weil die Balance-Probleme des Spaniers des ersten Wochenendes in Spielberg kleiner geworden sind. „Ich bin froh, dass es etwas besser war. Sowohl im Long- als auch Shortrun fühlte ich mich wohler als letztes Wochenende“, sagte Sainz. „Aber ich feire mal noch nicht, denn die Bedingungen können sich noch ändern. Wir haben an meinem Auto ein bisschen mit den Setups experimentiert, manches funktionierte, anderes nicht. Aber ich habe in FP2 eine gute Runde geschafft, was wichtig werden kann, sollte das Qualifying abgesagt werden.“

Perez halbe Sekunde weg, McLaren schon fast am Limit

Doch genau die gelang eben auch der Konkurrenz - und deren Ergebnis, in Form von Racing Point, ließ Sainz nur noch desillusioniert zurück: „Ich denke, dass das jeder im Kopf hatte [die mögliche Absage des Qualifyings wegen heftigen Regens]. Vor allem Checo Perez mit der Runde, die er da hingeknallt hat!“ McLaren sei bei seinem eigenen Versuch nämlich nahezu am Limit gewesen. Sainz: „Und dann sind wir schon eine halbe Sekunde hinter Racing Point, die Lando letzte Woche noch im Qualifying geschlagen hat ... Wir sind also etwas entfernt davon, wo wir sein wollen. Dieser Racing Point ist noch immer sehr, sehr stark.“

Wirklich überrascht zeigte sich jedoch auch Sainz nicht. Die Überraschung sei mehr gewesen, am vorherigen Wochenende mit Racing Point gekämpft zu haben. „Jetzt ist es wieder mehr, wie wir es nach den Testfahrten erwartet hatten“, sagte Sainz. Nämlich so, wie es am besten AlphaTauris Pierre Gasly auf den Punkt brachte: "Racing Point ist jetzt ja fast schon ein Top-Team!" Aufgegeben wird bei McLaren deshalb jedoch längst nicht. „Nur eine dieser Runden im Qualifying, eine gute Strategie und du kannst dich vielleicht schon vor sie schummeln“, hofft Sainz. „Das zwei Wochen in Folge zu versuchen, wird hart. Aber wir versuchen es.“