Die Bombe ist geplatzt: Sebastian Vettel wird seinen Vertrag bei Ferrari nicht verlängern, wie Ferrari am Dienstagmorgen bekanntgab. Der Heppenheimer lehnte Vertragsangebote der Scuderia ab, sein derzeitiger Kontrakt läuft noch bis Ende der Saison 2020. Wie es mit der Karriere des viermaligen Formel-1-Weltmeisters weitergeht, ist noch unklar.

Formel 1: Sebastian Vettel verlässt Ferrari! Was jetzt? (01:19:53)

Offenbar waren Vettel die Offerten seitens Ferrari nicht gut genug. Zwar betonte Teamchef Mattia Binotto mehrmals, dass Vettel die erste Option wäre, allerdings hätte der Deutsche wohl erhebliche Einbußen beim Gehalt hinnehmen müssen. Auch bei der Laufzeit soll es Differenzen gegeben haben.

Vettels derzeitiges Salär von kolportierten 30 Millionen Euro sollte in etwa jenem von Teamkollege Charles Leclerc angeglichen werden, der rund 10 Millionen Euro verdient. Neben einer leistungsmäßigen Angleichung muss das Gehalt auch der Coronakrise ihren Tribut zollen.

Für Vettel aber angeblich kein Grund für die Trennung: "Finanzielle Belange haben in dieser gemeinsamen Entscheidung keine Rolle gespielt. So denke ich nicht, wenn es um bestimmte Entscheidungen geht und das werde ich auch nie."

Die Laufzeit aber wohl schon: Vettel hatte zuletzt in einem Videocall mit Journalisten betont, dass seine bisherigen Verträge eine Laufzeit von drei Jahren hatten. Zwar sei er mit 32 Jahren nicht mehr der Jüngste, gehöre aber eben auch noch nicht zum alten Eisen.

Während Ferrari zunächst nur einen Einjahresvertrag vorlegte, wollte sich Vettel weiter langfristig binden. Auch ein Gegenangebot aus Italien, das nun über zwei Jahre laufen sollte, konnte die Differenzen offenbar nicht überbrücken.

Vettel und Ferrari: Fehlende Harmonie

Vettel fühlte sich offenbar nicht mehr wertgeschätzt. Nach 103 Grands Prix mit Ferrari findet er deutliche Worte: "Um in diesem Sport das bestmögliche Ergebnis einzufahren, ist es für alle Parteien wichtig, in perfekter Harmonie zu funktionieren. Das Team und ich haben realisiert, dass es kein gemeinsames Verlangen mehr gibt, über diese Saison hinaus zusammenzubleiben."

Als Vettel 2015 von Red Bull zu Ferrari wechselte, war der Deutsche nicht weniger als der Erlöser in Maranello. Nach einer sieglosen Saison 2014 und menschlichen Differenzen mit Fernando Alonso kam mit Vettel 2015 nicht nur der Erfolg zurück: Vettel eroberte die Herzen der Tifosi im Sturm.

Vettel, Binotto und Leclerc: Die Harmonie stimmt nicht mehr, Foto: LAT Images
Vettel, Binotto und Leclerc: Die Harmonie stimmt nicht mehr, Foto: LAT Images

Die Verpflichtung von Charles Leclerc war das Anfang vom Ende der Traumehe: Obwohl sich Vettel für einen Verbleib von Teamkollege und Freund Kimi Räikkönen ausgesprochen hatte, holte Ferrari 2019 Charles Leclerc. Der Monegasse setzte Vettel in seiner ersten Ferrari-Saison enorm unter Druck und verlängerte seinen Vertrag gleich bis einschließlich 2024.

Karriereende oder Wechsel: Was macht Vettel?

Wenn auch nicht bei den Finanzen, so spielte die Coronakrise bei Vettels Entscheidung doch eine gewisse Rolle. "Was in den vergangenen Monaten passiert ist, hat viele von uns dazu gebracht, zu reflektieren, was unsere wahren Prioritäten im Leben sind. Man muss seine Vorstellungskraft nutzen und sich mit einer neuen Herangehensweise auf eine geänderte Situation anpassen", so Vettel.

Wohin es Vettel nun zieht, ist unklar. Er selbst lässt sich alle Optionen offen: "Ich werde mir die Zeit nehmen, die ich brauche, um zu sehen, was für meine Zukunft wirklich wichtig ist." Ferrari-Insider Leo Turrini berichtet erst unlängst, McLaren habe seine Fühler nach dem 53-fachen GP-Sieger ausgestreckt. Allerdings dürfte ein Wechsel zum britischen Traditionsrennstall wohl kaum mit einem höheren Salär einhergehen. Allem Aufwärtstrend zum Trotz ist auch die sportliche Perspektive bei McLaren nicht besser.

Bei Red Bull ist kein Platz für eine Rückkehr von Vettel. "Zwei Vs sind zu viel", sagte Motorsportberater Dr. Helmut Marko schon im Winter zu Motorsport-Magazin.com. Die Bullen bauen das Team rund um Superstar Max Verstappen auf.

Bleibt, neben dem Karriereende, nur ein Wechsel zu Mercedes als realistische Option. Dafür gibt es aber viele Fragezeichen: Bleibt Mercedes überhaupt in der Formel 1? Was macht Lewis Hamilton? Verlängert der Brite bei den Silberpfeilen oder nimmt er gar Vettels Platz bei Ferrari ein? Mit Vettels Entscheidung, Ferrari zu verlassen, ist die Silly Season endgültig eröffnet.

Sebastian Vettels Statement im Wortlaut

Sebastian Vettel: "Meine Beziehung mit der Scuderia Ferrari endet mit dem Jahr 2020. Um in diesem Sport das bestmögliche Ergebnis einzufahren, ist es für alle Parteien wichtig, in perfekter Harmonie zu funktionieren. Das Team und ich haben realisiert, dass es kein gemeinsames Verlangen mehr gibt, über diese Saison hinaus zusammenzubleiben. Finanzielle Belange haben in dieser gemeinsamen Entscheidung keine Rolle gespielt. So denke ich nicht, wenn es um bestimmte Entscheidungen geht und das werde ich auch nie."

"Was in den vergangenen Monaten passiert ist, hat viele von uns dazu gebracht, zu reflektieren, was unsere wahren Prioritäten im Leben sind. Man muss seine Vorstellungskraft nutzen und sich mit einer neuen Herangehensweise auf eine geänderte Situation anpassen. Ich werde mir die Zeit nehmen, die ich brauche, um zu sehen, was für meine Zukunft wirklich wichtig ist."

"Ferrari nimmt einen speziellen Platz in der Formel 1 ein und ich hoffe, dass es all den Erfolg einfährt, den es verdient. Ich will mich bei der gesamten Ferrari-Familie und bei all den Tifosi rund um den Erdball für die Unterstützung, die sie mir über die Jahre entgegengebracht haben, bedanken. Mein unmittelbares Ziel ist es, meinen langen Stint mit Ferrari in der Hoffnung zu beenden, noch mehr wundervolle Momente zu erleben."

Mattia Binottos Statement im Wortlaut

Mattia Binotto: "Diese Entscheidung wurde gemeinsam von uns und Sebastian getroffen. Es ist die Entscheidung, die beide Seiten für die Richtige halten. Mit dem Wissen, was Sebastian als Fahrer und Person wert ist, war es keine einfache Entscheidung. Es gab keinen speziellen Grund, der zu dieser Entscheidung geführt hat, abgesehen vom gemeinsamen und freundschaftlichen Glauben, dass es nun an der Zeit war, getrennte Wege zu gehen, um unsere Ziele zu erreichen."

"Sebastian ist schon Teil der Ferrari-Historie. Seine 14 Grand-Prix-Siege machen ihn zum dritterfolgreichsten Fahrer für das Team. Gleichzeitig hat er die meisten Punkte für uns geholt. In unseren fünf gemeinsamen Jahren ist er dreimal in den Top-3 der Fahrerweltmeisterschaft gelandet und hat einen signifikanten Beitrag dazu geleistet, dass das Team konstant in den Top-3 der Konstrukteure war."

"Im Namen aller bei Ferrari will ich Sebastian für seine großartige Professionalität und seine menschlichen Qualitäten danken, die er über diese fünf Jahre gezeigt hat, in denen wir so viele großartige Momente hatten. Wir haben es zwar noch nicht geschafft, eine Weltmeisterschaft gemeinsam zu gewinnen - die schon seine fünfte wäre -, aber wir glauben, dass wir noch immer eine Menge aus dieser unüblichen 2020er Saison herausholen können."