Bei allem Jubel über Max Verstappens Sieg im Formel-1-Rennen in Österreich blieb Red Bulls derzeit wohl größte Sorge bestehen. Pierre Gasly kam als Siebter mit über einer Runde Rückstand auf seinen Teamkollegen ins Ziel - und das, obwohl Verstappen nach seinem verpatzten Start zunächst unmittelbar vor ihm unterwegs war.

Während Verstappen sich wie das heiße Messer durch die Butter den Weg durchs Feld bahnte, blieb Gasly hinter Lando Norris im McLaren kleben. Die Unzufriedenheit bei Red Bull wächst mit jedem Wochenende. Dr. Helmut Marko fand in Spielberg harte Worte. Teamchef Christian Horner beteuert, dass Gasly weiterhin nicht auf der Abschussliste steht.

"Pierre hat im Moment eine harte Zeit, aber wir tun unser Allerbestes um ihn zu unterstützen", sagt Horner. "Er ist ein schneller Fahrer, aber das Problem das er hat ist, dass Max an jedem Wochenende abliefert und das ihn natürlich noch mehr unter Druck setzt, zu performen."

Max Verstappen macht Pierre Gasly das Leben schwerer

"Es ist nicht einfach, Max Verstappens Teamkollege zu sein, denn er ist ein außergewöhnlich talentierter Fahrer", weiß auch Dr. Helmut Marko im Gespräch mit der Austria Presse Agentur um die schwere Aufgabe, vor welcher Gasly bei Red Bull steht. Dem Vergleich mit Verstappen hielt selbst Gaslys Vorgänger nicht Stand, und Daniel Ricciardo zählt erwiesenermaßen zu den schnellsten Piloten im Grid.

Der Australier war im Gegensatz zu Gasly aber deutlich näher dran und konnte das Wunderkind regelmäßig unter Druck setzen. Selbst mit Verstappen als beinahe schon unfair hohe Messlatte, zeigt Gasly zu wenig. "Jeder will, dass ich performe, auch ich selbst", betont er, dass er auch seine eigene Erwartungshaltung derzeit nicht befriedigt.

"Im Moment bin ich natürlich nicht glücklich mit der Performance, die ich abliefere. Denn ich weiß, dass ich zu viel mehr in der Lage bin. Aber im Moment passt es einfach nicht zusammen. Das ist etwas, das manchmal ein bisschen nervt, denn kleine Dinge machen einen großen Unterschied."

Marko: Resultate und Speed von Gasly inakzeptabel

Gasly war nach einem leichten Aufwärtstrend zuletzt wieder weit hinter den Teamkollegen zurückgefallen, musste bei den letzten drei Rennen sogar der Konkurrenz von Renault und McLaren den Vortritt lassen. "Ich denke, ich habe schon etwas mehr Speed gezeigt, aber im Training ist das natürlich nicht der richtige Zeitpunkt. Du willst Samstag- und Sonntagnachmittag schnell sein", sagt der Franzose.

"Die Resultate und der Speed von Gasly sind einfach inakzeptabel", findet Marko klare Worte. Und die österreichische Formel-1-Ikone machte das nicht nur am himmelweiten Unterschied zwischen seinen Piloten in Österreich fest. "Bei den vorherigen beiden Rennen in Kanada und Frankreich war er deutlich schlechter, als wir erwartet hatten. Der Abstand zwischen Max und Pierre ist zu groß."

In Österreich qualifizierte er sich als Neunter, verlor selbst auf der außerordentlich kurzen Rundenzeit auf dem Red Bull Ring deutlich über eine halbe Sekunde auf Verstappen. Im entscheidenden Moment bekam er es wieder einmal nicht zusammen. "Ich muss daraus lernen. Jeder macht Fehler, es war nicht mein erster und wird auch nicht mein letzter sein", erklärt er.

Am Sonntag ließ ihn die furiose Aufholjagd Verstappens noch mehr erblassen als sonst: "Ich hatte Probleme mit dem Verkehr zu Rennbeginn und habe da viel Zeit verloren. Das ist ein Schneeballeffekt. Je mehr Zeit du hinter jemandem verbringst, desto härter wird es. Ich hatte meine Probleme, an Kimi vorbeizukommen. Nach dem Boxenstopp habe ich zu hart gepusht und mir innerhalb weniger Runden die Vorderreifen zerstört. Das habe ich nicht gut gemanagt."

Dr. Helmut Marko: Wir brauchen wieder gesunden Menschenverstand (09:32 Min.)

Horner: Reset von Gaslys Kopf notwendig

Er weiß, dass er mit seiner momentan fast rückläufigen Leistungskurve seine persönlichen Ziele langfristig kaum erreichen wird: "Was in diesem Sport zählt ist, dass am Ende derjenige gewinnt, der die wenigsten Fehler macht." Etwas, das Max Verstappen ihm in Vollendung vormacht.

"Es gibt vieles, woran ich bei mir arbeiten muss und was ich mir von ihm abschauen kann, denn er scheint sich im Auto sehr wohl zu fühlen. Das ist das Wichtigste", so Gasly, dessen RB15 nach Frankreich von Red Bull auf Herz und Nieren gecheckt wurde. Resultat: Auto gesund. "Unsere Aufgabe ist, dass er sich im Auto wohlfühlt", sagt Marko.

"Aber gleichzeitig können wir nicht zu stark von dem abweichen, was die uns bekannten Stärken des Autos sind. Er hat das Setup von Verstappen benutzt und seinen Fahrstil angepasst. Aber ich denke, er sollte auch mehr über seinen Fahrstil nachdenken, als Adrian Newey zu erzählen, wie er ein Auto zu bauen hat."

Horner weiß, dass der Kopf seines Piloten im Moment eine weitaus größere Baustelle als das Setup des Autos ist. "Er braucht einfach einen Reset. Wir wissen, wozu er fähig ist. Wir müssen in seinem Kopf nur irgendwie Steuerung, Alt und Entfernen machen und von vorne anfangen", so der Brite.

Red-Bull-Teamchef dementiert Gerüchte: Gasly wird nicht ersetzt

Den Gerüchten über einen möglichen Cockpittausch mit Toro-Rosso-Pilot Daniil Kvyat erteilt er eine Absage. "Es besteht keine Absicht, Pierre zu ersetzen. Er ist unser Pilot und wir werden mit ihm arbeiten, um das Beste aus ihm herauszuholen. Wir stehen zu ihm, denn wir glauben immer noch an ihn und geben ihm all die Unterstützung, um das Talent, von dem wir wissen, das er es hat, zu fördern."

Die Unterstützung des Teams weiß Gasly auch mit einem äußerst kritischen Helmut Marko weiter hinter sich. "Im Moment sieht es viel schlimmer aus, als es ist. Das Team unterstütz mich gut und treibt mich an, zu verstehen, was ich brauche um besser zu werden", sagt der 23-Jährige. "Helmut und Christian sind sehr deutlich. Aber wichtig ist jetzt, Konstanz zu finden. Natürlich hätte ich es lieber, wenn die Dinge perfekt wären. Aber das sind sie nicht. Doch wir arbeiten alle in dieselbe Rchtung. Das ist das Gefühl, das mir das Team gibt."