Die Formel-1-Weltmeisterschaft 2018 scheint fast entschieden. Obwohl die Saison lange Zeit als enges Kopf-an-Kopf-Rennen ablief, es in der WM-Wertung zwischen Sebastian Vettel und Lewis Hamilton hoch und runter ging, trennen die beiden Titelrivalen sechs Rennen vor Schluss plötzlich unfassbare 40 Punkte.

Heißt: Selbst wenn Hamilton zwei Mal ausfällt muss Vettel in diesen Rennen also mindestens einmal siegen und einmal wenigstens Dritter werden, um nur gleichzuziehen. Oder anders ausgedrückt: Nur noch gerade so eben kann der Ferrari-Pilot jetzt noch aus eigener Kraft den Mercedes-Fahrer abfangen: Um am Saisonende safe zwei Punkte vorne zu sein, muss Sebastian Vettel alles gewinnen.

Sebastian Vettel in Formel-1-Wertung mit Rücken zur Wand

Das ist eine klassische Rücken-zur-Wand-Situation. Wie es soweit kommen konnte? Relativ einfach: Sowohl Ferrari, als auch Vettel streuten viel zu viele Fehler ein. Ja, auch Vettel. Nicht nur die Scuderia. So gehen der kapitale Verbremser in Baku und der Bottas-Crash am Start in Frankreich einzig auf das Konto des Deutschen.

Bei Vettels bitterem Hockenheim-Abflug sowie seinem Monza Dreher trug Ferrari wegen zu zurückhaltender Teamorder zumindest eine Mitschuld, genauso an der Behinderung Carlos Sainz' in Österreich. Doch für manch einen, allen voran die italienische Presse, trägt Vettel eine gewaltige Schuld. Mit diesem Auto müsse man Weltmeister werden, lautete bereits ein Vorwurf der immer sehr dramatischen Medien in Bella Italia.

Zu wenig Rückhalt für Vettel von Ferrari?

Andere wiederum ziehen auch Ferrari zur Rechenschaft. Nicht nur wegen schwacher Strategien und anderer Patzer, sondern auch dafür, Vettel nicht genügend Rückhalt zu bieten. Etwa durch die Verpflichtung Charles Leclerc für 2019 statt Vettels Wunsch, einer Fortsetzung mit Kimi Räikkönen. Oder durch Aktionen wie in Hockenheim, wo man sich nicht geschlossen und klar hinter seinen Fahrer stellte.

Leclercs Kampfansage an Vettel: Ziel ist der Titel (08:35 Min.)

Im Gegenteil: "Es wäre wichtig für uns gewesen, diesen Sieg nach Hause zu bringen und unser Auto hatte gezeigt, dass es zu diesem Job fähig war", richtete Teamchef Maurizio Arrivabene der Öffentlichkeit dort im offiziellen Ferrari-PR zum Rennen alles andere als für Vettel aufbauende Worte aus.

Ferrari-Teamchef Arrivabene: Jeder macht Fehler

Am Rande des Singapur GP musste sich der Italiener in der dort für ihn verpflichtenden Teamchef-PK der FIA nun wohl oder übel der direkten Nachfrage dazu stellen. Ob Vettel zu viele Fehler mache? Arrivabenes Antwort: Milder als in Hockenheim, aber noch immer längst keine grenzenlose Rückendeckung für Vettel. Jedenfalls nicht in einer Form wie sich Mercedes umstandslos hinter Lewis Hamilton stellt, dem Briten eine Komfortzone schafft.

"Ihr nennt es Fehler, aber wenn du dich umschaust, macht in der Formel 1 jeder Fehler. Größere oder kleinere", so Arrivabene. Also durchaus Fehler bei Vettel, ob jetzt klein oder groß. Doch der Ferrari-Teamchef weicht mit einer Stammtisch-Parlole aus: "Wenn wir ein Team sind, dann verlieren und gewinnen wir auch zusammen. Deshalb will ich nicht mit dem Finger auf Sebastian zeigen."

Arrivabene will keine Angstkultur bei Ferrari

Direkte Kritik gab es tatsächlich nie an Vettel. Doch eben nie einen Rückhalt so uneingeschränkt wie ihn einst etwa ein Michael Schumacher in Maranello erfuhr. Darauf geht Arrivabene jedoch nicht ein, bleibt einzig und allein dabei, dass es öffentliche Anschuldigungen bei Ferrari unter seiner Führung auch nie geben würde.

"Niemand war glücklich nach Monza, aber man muss auch an den Rest des Teams denken. Wenn ich in Monza mit meinem Finger auf Sebastian gezeigt hätte, stellt euch nur ein Problem mit der Aero vor, ein Problem beim Boxenstopp oder ein Problem mit dem Motor. Die Jungs, die für diese verschiedenen Bereiche verantwortlich sind, könnten dann denken: 'Ok, wenn er mit dem Finger auf Sebastian zeigt, bin ich vielleicht beim nächsten Mal dran.' Das will ich nicht", erklärt der Teamchef.

Scuderia-Boss: Der einzige Fehler bin ich

Da würde er lieber selbst herhalten. Arrivabene auf seine unverwechselbare Art: "Der einzige Fehler, den ihr vor euch seht, bin ich. Ich bin für dieses Team verantwortlich. Wenn die Ergebnisse nicht kommen, dann liegt das in meiner Verantwortung. Es ist nicht die Verantwortung von Sebastian oder dem Ingenieur oder die Verantwortung der Mechaniker. Es ist meine Verantwortung. Wenn ihr jemanden beschuldigen wollt, dann ist er vor euch!"

Und das dürfe jeder und jederzeit tun, so Arrivabene. "Ich akzeptiere jedwede Kritik, in jetzt dreieinhalb Jahren habe ich da keine Ansprüche gestellt", meint der Italiener. "Ich nehme daher die Kritik von jedem an, besonders von den Leuten, die vor mir gewonnen haben - aber in guter Absicht, nicht in böser Absicht. Denn böse Absichten sind nicht korrekt. Ich bin eine aufrichtige Person und ich würde gerne Kommentare hören, die in guter Absicht sind - dann akzeptiere ich alles. Wie gesagt. Ich habe nie Ansprüche gestellt.