Geht es nach Sebastian Vettel fällt in der Formel 1 aktuell das Wort Rückschlag bezüglich seiner WM-Ambitionen in der F1-Saison 2018 viel zu oft. Auch in Singapur ist wieder vom nächsten bitteren Schlag ins Ferrari-Kontor die Rede.

Kein Wunder: Stramme zehn Punkte büßt Vettel in der WM-Wertung auf Lewis Hamilton nach Ferraris verbockter Strategie bei gleichzeitiger Show des Briten ein, liegt in der F1-Tabelle damit jetzt bereits 40 Zähler hinter dem amtierenden Weltmeister.

Sebastian Vettel verliert 48 Punkte in fünf Rennen

Satte 48 Punkte verlor Vettel allein innerhalb der vergangenen fünf Rennen auf Hamilton. Einzig beim Belgien GP in Spa gelang es Vettel innerhalb dieser Phase, mal aufzuholen. Aber nur sieben Punkte. Der Trend deutet ganz klar in Richtung Hamilton (s. Grafik).

Ist nur noch sechs Rennen vor Saisonende damit bereits alles aus für Vettel? Es scheint fast so. Obwohl Ferrari unter dem Strich sogar immer das bessere Auto gehabt zu haben schien - es eben 'nur' nicht in Ergebnisse ummünzte.

Vettel: WM-Titel aus eigener Kraft noch drin – gerade so

Doch noch hält der Deutsche es sogar komplett in eigenen Händen. Gewinnt Vettel jetzt alle Rennen immer direkt vor seinem Rivalen, kann er das Ruder gerade so herumreißen. Vettel wäre mit zwei Punkten Vorsprung Weltmeister.

"Es ist nicht gerade toll, wenn du ans Ende der Meisterschaft kommst und Punkte verlierst statt zu gewinnen. Aber wir haben noch viele Rennen und Zeit. Es ist eigentlich ganz einfach: Wenn wir jetzt jedes Rennen gewinnen, sind wir safe. Das ist, was wir jetzt versuchen müssen", weiß Vettel selbst. "Wir werden bis zum Ende kämpfen", versichert Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene.

Vettel: Aufstecken ist keine Alternative

Schon vor dem Saisonfinale in Abu Dhabi könnte Vettel die WM-Spitze übernehmen, dreht er den Spieß in genau demselben Maß um wie es Hamilton in den fünf vergangenen Grands Prix gelang. Dafür muss es schon beim kommenden Rennen in Russland dann aber auch wirklich einmal losgehen, der schon oft bemühte Konter endlich wirklich sitzen. "Und Russland wurde in den vergangenen Jahren immer besser für uns, sollten unserem Auto also auch liegen", hofft Vettel. Auch. Generell sieht nämlich auch Vettel eigentlich alle Mittel vorhanden.

"Ich denke nicht, dass wir uns vor irgendwelchen Strecken, die noch kommen, fürchten müssen. Unser Auto funktioniert überall ganz gut. Das ist eine der Stärken unseres Autos", sagt Vettel. "Also geht immer was. Aufstecken ist keine Alternative", stellt Vettel klar. "Wir haben alle Zutaten, die es braucht. Wir müssen alles zusammenbringen und dann Schritt für Schritt gehen."

Vettel & Ferrari von Fehler zu Fehler

Doch genau das ging zuletzt eben immer wieder schief. Mal hatte Vettel sein Talent nicht im Griff, mal versagte Ferrari. "Natürlich hilft es nicht wenn man ein Wochenende hat wie dieses und Punkte verliert. Aber ändern können wir es jetzt nicht mehr. Wir müssen nach vorne schauen", winkt Vettel in Singapur jedoch ab, will nicht Vergangenes analysieren.

Formel 1 2018: Top-Themen nach dem Singapur GP (09:15 Min.)

Ungeschehen macht das die Rückschläge jedoch nicht, stellt auch die so verlorenen Punkte nicht wieder her. "Weitere Punkte zu verlieren, fühlt sich nicht gut an. Das ist nicht, was wir wollten", gibt dann auch Vettel zu. "Lewis hat gesagt, sie seien hier nicht in der Erwartung hergekommen, zehn Punkte zu gewinnen. Und wir vielleicht nicht in der, zehn zu verlieren."

Verdient gewesen sei das unter dem Strich jedoch, gesteht Vettel. Dazu ging bei Ferrari in Singapur einfach zu viel daneben. Viele Details auch wie schon sein kleiner Unfall im zweiten Training. Doch genau deshalb sieht Vettel Mercedes jetzt auch nicht gleich in Sachen Performance wieder zurück an der Spitze. "Ich denke nicht, dass wir chancenlos waren", sagt Vettel.

"Es ist nie was Größeres. Es sind immer viele kleine Dinge und wenn die dann nicht zusammenpassen dann sieht das Ergebnis ganz anders aus. Gestern ist da das beste Beispiel. Ich glaube nicht, dass wir sechs Zehntel langsamer waren. Im Gegenteil. Ich glaube, die Zeit können wir auch fahren. Aber es muss alles zusammenkommen und dafür war das Qualifying nicht rund genug", schildert der WM-Zweite.

Lewis Hamilton: Attacke statt Verwalten

Wogegen sich Vettel jedoch wehrt, ist der Status als Topfavorit. Der wurde Ferrari zuletzt klar zugeschrieben. Umso schlimmer wirkten die Rückschläge. "Ich habe aber nie geglaubt, dass wir mit großem Abstand das schnellste Auto haben wie die Leute gesagt haben", sagt Vettel. Das klingt beinahe schon wie eine Verteidigung seiner selbst - für den Fall, dass es am Ende dann auch 2018 doch wieder schief geht mit dem Titel.

Ein völlig anderes Bild herrscht nach der durchaus denkwürdigen Nacht von Singapur bei Mercedes. Immerhin hatten die gerade nicht irgendwo souverän gewonnen, sondern ausgerechnet auf ihrer großen Angststrecke. "Darauf können wir wirklich stolz sein", sagt Valtteri Bottas. Doch traut Teamkollege Lewis Hamilton trotz seines jetzt großen Polsters dem Braten noch so gar nicht. Auch, wenn er jetzt fast das Verwalten beginnen könnte, weil Vettel eben alles gewinnen muss, um es noch aus eigener Kraft zu drehen, will Hamilton nichts ändern, weiter voll attackieren.

Hamilton stolz: Vettel in Fehler getrieben

"Mein Ansatz funktioniert gut, deshalb sehe ich keinen Grund, ihn zu ändern. Wir nehmen es Rennen für Rennen", sagt Hamilton. Der Weltmeister bleibt vorsichtig: "Ferrari hatte in den letzten Rennen eine echt gute Pace. Wenn wir einen guten Job machen, sind wir am Ende vielleicht vorne."

Doch ist auch Hamilton nicht entgangen, dass bei Ferrari eben nur potentiell die Pace stimmte. Die Fehler der Konkurrenz hat Hamilton genauso gesehen. Fehler, in die man Ferrari jedoch getrieben habe, wehrt sich Hamilton dagegen, nur glücklich an die WM-Spitze gelangt zu sein. "Als wir Vettel getrieben haben und er in die Mauer gekracht ist, dann war das kein Glück", so Hamilton über den Unfall seines Rivalen in Hockenheim.

Wolff: Musst dein Schicksal auch erzwingen

"Du musst dein eigenes dein eigenes Schicksal auch etwas erzwingen", ergänzt Teamchef Toto Wolff vielsagend. Das habe Mercedes seit Spa getan. Dort hatte Ferrari derart dominiert, dass man bei Mercedes keinen Flügel auf dem anderen ließ. "Und ich bin sehr stolz darauf, mich selbst in solche Positionen zu bringen. Das Team verlässt sich genauso auf mich wie sein Team auf ihn", so Hamilton mit einer gehörigen Spitze Richtung Vettel. "Es sind aber nur kleine Dinge, die du falsch machst, die dann aber große Auswirkungen haben."

Lewis Hamilton auch am Saisonende im Jubelrausch?, Foto: Mercedes-Benz
Lewis Hamilton auch am Saisonende im Jubelrausch?, Foto: Mercedes-Benz

Er bekomme diese hin. Gerade in der aktuellen Phase. "Es lastet viel Druck auf uns Fahrern", sagt Hamilton. Was bei Ferrari und Vettel geschehe, sei ihm eigentlich egal. "Daran können wir eh nichts ändern. Wir können nur für uns selbst die besten Wochenenden hinlegen und hoffen, dass das genug ist", sagt Hamilton. "Ich muss und will einfach jedes Rennen gewinnen." Dazu sieht sich der Brite in der Lage. Hamilton fühlt sich zurzeit starker den je. "In Sachen Performance ist die zweiten Saisonhälfte für mich nämlich für gewöhnlich immer die, in der bei mir die Dinge alle anfangen, zusammen zu kommen", erklärt er.

Hamilton: Keine Angst vor Defekt

Deshalb geht Hamilton davon aus, weiter voll auf Augenhöhe zu bleiben. Genau das wäre bei seinem jetzt enormen Vorsprung schon mehr als genug. Doch weiß auch Hamilton: "Für heute ist der Job getan, aber es sind noch viele Punkte zu vergeben." Deshalb gilt weiter die Devise: "Ich schaue nicht auf die Punkte. So einfach ist es. Aber klar hätte ich nicht gedacht, jetzt diese 40 Punkte zu haben. Das ist schön aber es bedeutet nicht ... es ist noch nicht vorbei bis es mathematisch unmöglich ist. Und so lang werde ich kämpfen."

Zumal nur ein derber Rückschlag, etwa durch einen Defekt, alles ändern könnten. Ein Erlebnis, das Hamilton 2018 in Österreich bereits erlitt. Doch glaubt der Brite hier fest daran, dass sein Mercedes jetzt komplett kugelsicher ist. "Diesen Grusel lass ich gar nicht an mich ran. Ich habe das maximale Vertrauen. Die Zuverlässigkeit war dieses Jahr nicht perfekt, aber noch immer klasse. Und sie wurde seit diesen Problemen besser. Das war eine sehr ermutigende Reaktion des Teams. Und am Ende des Jahres verstehst du das Auto mehr, da hast du alle potentiellen Probleme verstanden."

Verlieren könne man den Titel aber dennoch - auch mit 40 Punkten Rückstand und auch durch die Zuverlässigkeit, meint dagegen Wolff. "Absolut", so der Österreicher. "40 Punkte Vorteil oder null - das macht für uns keinen Unterschied. Es sind noch sechs Wochenenden. Und du konntest in Österreich, wo wir diesen Doppelausfall hatten, sehen, wie schnell es gehen kann, dass du 25 Punkte verlierst. Deshalb müssen wir Wochenende für Wochenende unseren besten Level erreichen. Es ist erst gewonnen, wenn es gewonnen ist."