An der Spitze ist Mercedes in der Formel 1 gesetzt, doch dahinter ist es spannend wie schon lange nicht mehr. In diesen Wochen steht der Zweikampf zwischen Ferrari und Red Bull voll im Fokus. Wie eng es zwischen beiden Teams zugeht, zeigte das Qualifying zum Rennen in Baku. Daniel Ricciardo und Sebastian Vettel erzielten identische Rundenzeiten! Im Q3 brauchten beide 1:43.966 Minuten für ihre jeweils schnellste Runde.

Im Rennen wurde es dann allerdings kurios. Red Bull war nicht in der Lage, Ferrari beim Kampf um das Podest gefährlich zu werden. Rückblickend noch unverständlicher, erzielte Max Verstappen im Rennen immerhin die drittschnellste Runde aller Fahrer. Mit seiner 1:46.973er Zeit war er nur langsamer als die beiden Mercedes-Silberpfeile Nico Rosberg (1:46.485) und Lewis Hamilton (1:46.822).

Am Ende kamen Ricciardo und Verstappen jedoch nicht über die Plätze sieben und acht hinaus, während Vettel das nächste Podium für Ferrari einsammelte. Was Red Bull am Ende ein theoretisch viel besseres Ergebnis kostete: arge Probleme mit den superweichen und weichen Reifen. Eigentlich hatte das Team eine Einstopp-Strategie geplant - die schnellste Wahl für das Rennen - doch die Reifen spielten nicht mit an den Red Bulls.

Red Bull hatte im Rennen mit den Reifen zu kämpfen, Foto: Sutton
Red Bull hatte im Rennen mit den Reifen zu kämpfen, Foto: Sutton

Rosberg auf den Fersen

Beim Start hatte Ricciardo von Startplatz zwei zunächst keine Schwierigkeiten, Pole-Setter Rosberg zu folgen. Doch schon in Runde 3 ging es abwärts mit seinen Supersofts. Der Australier verlor den Anschluss, auch Verstappen meldete Probleme mit dem Verschleiß seiner Reifen. Daraus resultierte die Entscheidung, einen sehr frühen Boxenstopp einzulegen. Verstappen wechselte in Runde 5 von Supersoft auf Soft, Ricciardo folgte einen Umlauf später mit der gleichen Strategie.

Zu diesem Zeitpunkt plante Red Bull, das Rennen wie angedacht mit einem Boxenstopp zu beenden. Doch nicht wenige staunten, als Verstappen in Runde 20 ein weiteres Mal in die Boxengasse abbog, gefolgt von Ricciardo 2 Runden später. Dann die größte Überraschung: Statt für die verbleibenden 31 bzw. 29. Umläufe wieder Soft-Reifen zu benutzen, rollten die Red Bulls auf Medium-Reifen zurück auf die Strecke.

Reifenstrategie der Top-10

Start 2. Stint 3. Stint
Rosberg SSu Sn (21)
Vettel SSu Sn (20)
Perez SSu Sn (16)
Räikkönen SSu Sn (8)
Hamilton SSu Sn (15)
Bottas SSu Sn (19)
Ricciardo SSu Sn (6) Mu (22)
Verstappen SSu Sn (5) Mu (20)
Hülkenberg Sn SSn (20)
Massa SSu Sn (7) Sn (28)

SS - Supersoft
S - Soft
M - Medium
n - new, neu
u - used, gebraucht
(XX) - Runde des Reifenwechsels

Ausnahme Red Bull

Neben Verstappen und Ricciardo war Romain Grosjean der einzige Fahrer, der auch Runden auf den Mediums fuhr. Auf der eigentlich langsamsten Mischung fuhr Verstappen die drittschnellste Rennrunde - und das in Runde 50, als seine Reifen knackige 30 Runden auf dem Buckel hatten. Nun stellt sich also die Frage, ob Red Bull nicht früher hätte wissen müssen, dass die Reifen im Rennen nicht halten. Was wäre passiert, wenn beide Fahrer direkt von Supersoft auf Medium gewechselt wären?

"Rückwirkend wäre es gescheiter gewesen, gleich auf den harten Reifen zu gehen", räumte Helmut Marko im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com ein. "Der ist an sich eine halbe bis dreiviertel Sekunde langsamer. Bei uns aber nicht, denn am Ende waren wir richtig schnell." Nun wäre es zu einfach, Red Bulls Strategie als Fehler abzustempeln. Das Team wurde selbst komplett vom hohen Graining der Reifen überrascht.

Das Geheimnis hinter den unerwarteten Problemen: Ein Wechsel des Setups nach den Trainings am Freitag. "Mit dem sind wir keinen Longrun mehr gefahren", bestätigte Marko. "Wir hatten dann aber keine Testgelegenheit mehr, weil wir so weit zurück waren. Da haben wir wohl etwas in die falsche Richtung entwickelt."

Top-5 Schnellste Rennrunden

Fahrer Zeit In Runde... Schnitt
1. Rosberg 1:46.485 48 202,946 km/h
2. Hamilton 1:46.822 42 202,306 km/h
3. Verstappen 1:46.973 50 202,021 km/h
4. Perez 1:46.990 45 201,988 km/h
5. Vettel 1:47.028 49 201,917 km/h

Monza-Setup in Baku

Dabei wanderte Red Bull ohnehin auf einem schmalen Grat. Um die fehlende Motorleistung auf der langen Baku-Geraden zu kompensieren, setzte das Team auf äußerst wenig Downforce im Auto. Ein Monza-Setup, sagte Teamchef Christian Horner später, um den Nachteil auf die Mercedes- und Ferrari-Motoren in Grenzen zu halten. Red Bull bedient sich dank des starken Chassis häufiger dieser Möglichkeit, ohne in allzu große Schwierigkeiten zu geraten.

Das manifestierte sich auch in reinen Zahlen. Im kurvigen Mittelsektor war Verstappen nur siebtschnellster Fahrer, Ricciardo lag in der Zeitenliste gar auf Platz zehn. Ganz anders im letzten Sektor mit seiner potenziellen Vollgas-Geraden hin zu Turn 15. Hier erzielte Verstappen hinter Perez die zweitschnellste Sektorenzeit. Ricciardo war Viertschnellster hinter Hamilton. Hauptgegner Vettel war in Sektor 2 der schnellste Fahrer, hatte auf den restlichen Abschnitten aber Defizite.

Dass die Reifenprobleme aufgrund des Setups auftraten, vermutete auch Horner. "Wenn du das machst, wird das Reifenfenster ziemlich klein", erklärte er. "Wegen der Temperaturen und der wenigen Downforce im Auto rutschte es wahrscheinlich etwas zu sehr herum. Dadurch entstand das Graining an den Hinterrädern. Wenn nur ein bisschen aus dem Fenster herausfällst, verlierst du die Kontrolle über die Reifen."

Für Red Bull wäre ein Podium im Bereich des Möglichen gewesen, Foto: Ferrari
Für Red Bull wäre ein Podium im Bereich des Möglichen gewesen, Foto: Ferrari

Auf Augenhöhe mit Ferrari

Vom Speed her nahmen sich Red Bull auf Medium-Reifen und Ferrari auf den Softs nicht viel. Ricciardo hatte in der Schlussphase etwas mit überhitzten Bremsen zu kämpfen, doch Verstappen konnte konstant mittlere und niedrige 1:47er-Zeiten fahren. Vettels Rundenzeiten lagen durchschnittlich eher im oberen 47er-Bereich. Im Mittel der zehn schnellsten Runden hatte Verstappen eine 1:47.325 und war damit nur unwesentlich langsamer als Vettel (1:47.291).

Aufgrund zahlreicher Faktoren lässt sich rückblickend nur schwer sagen, ob ein sehr früher und damit einziger Stopp auf die Medium- statt Soft-Reifen zumindest Ricciardo auf das Podium gebracht hätte. So weit abgeschlagen wie im Endresultat wären beide Red Bulls aber sicherlich nicht gewesen. Der Speed für eine Top-Platzierung war da - nur die Reifen verhinderten am Ende ein wesentlich besseres Ergebnis.