Seit dem Ende der kurzweiligen Class-1-Ära nach der Saison 2020 und dem Wechsel auf das globale GT3-Reglement steht immer wieder eine kritische Frage im Raum: Ist die heutige DTM nur eine weitere GT3-Rennserie? Ein Blick rein auf die zum Einsatz kommenden Rennwagen würde diesen Schluss durchaus zulassen, doch Szenekenner wissen: Hinter der 1984 gegründeten Traditionsserie steckt deutlich mehr.

Diese Ansicht vertritt trotz des Wusts an weltweiten GT3-Rennserien auch ADAC-Motorsportchef Thomas Voss. "Die DTM ist keine Eintagsfliege und auch keine gewöhnliche GT3-Rennserie, sondern hat eine besondere Stellung im GT-Sport", sagt Voss im großen Interview für die aktuelle Print-Ausgabe des Motorsport-Magazin (Jetzt bestellen und Vorteile sichern!). "Nicht nur aufgrund ihrer Tradition, sondern auch wegen des Ein-Fahrer-Konzepts, der Performance-Boxenstopps und nicht zuletzt aufgrund der hohen medialen Reichweite."

ADAC-Motorsportchef Thomas Voss im Portrait
ADAC-Motorsportchef Thomas Voss, Foto: ADAC Motorsport

Voss: "DTM steht bei Herstellern weiterhin im Fokus"

Dass das Konzept auch nach den offiziellen Ausstiegen der Hersteller funktioniert, beweist die inzwischen dritte Saison unter dem GT3-Reglement. 28 Autos von sechs Marken gehen 2023 an den Start. Im Starterfeld tummeln sich vorrangig Werksfahrer, die noch für ihren Job - das Rennfahren - bezahlt werden. Beim einen oder anderen Team könnte man angesichts des im Hintergrund betriebenen Aufwandes auch durchaus von einem Werkseinsatz sprechen...

Voss, der die motorsportlichen Geschicke des neuen DTM-Rechtehalters, dem Automobilklub ADAC, leitet: "Die 28 Startplätze waren innerhalb von zehn Tagen vergeben und als Nennungen vollständig vorhanden. Das ist in anderen Rennserien nicht selbstverständlich. Das zeigt mir, dass die DTM gewollt ist und bei den Herstellern weiterhin im Fokus steht, wenn auch nicht mehr in der Form wie früher. Auch für die Teams ist die DTM weiterhin wirtschaftlich darstellbar. Wenn das in einem Missverhältnis stehen würde, würde die DTM irgendwann nicht mehr funktionieren."

DTM-Zukunft: Ein-Fahrer-Prinzip und GT3-Autos bleiben

Voss versichert, dass das im GT3-Sport einzigartige Serienkonzept des Ein-Fahrer-Prinzips auch künftig in der DTM erhalten bleiben soll. In vielen anderen Rennserien wie der GT World Challenge der SRO - einem langjährigen und guten Partner des ADAC - teilen sich aus Kostengründen zwei Fahrer ein Fahrzeug. Meist übernimmt ein sogenannter 'Pay-Driver' oder 'Gentleman'-Fahrer den Großteil des finanziellen Aufwands, um gemeinsam mit einem Profi oder Top-Nachwuchstalent an den Start gehen zu können.

Auch sollen GT3-Rennwagen in den kommenden Jahren die Wahl des Sportgerätes bleiben. Eine Rückkehr zu früheren Zeiten, als Hersteller wie Mercedes-Benz, Audi oder BMW reinrassige und teure Silhouetten-Prototypen exklusiv für die von Hans Werner Aufrecht gegründete DTM entwickelten, dürfte angesichts aktueller Herausforderungen in weiter Ferne liegen.

Deutlich vorstellbarer ist der verstärkte Einsatz von nachhaltigen Kraftstoffen, um den Anspruch des Klimaschutzes zu erfüllen. Schon jetzt fahren die GT3-Autos in der DTM mit speziellem Sprit, der zu 50 Prozent aus erneuerbaren Komponenten besteht und damit einen wesentlichen Anteil zur C02-Reduktion beisteuert. Synthetische E-Fuels sind längst ein wichtiges Thema auch für den Erhalt der DTM.

"Im Moment gibt es im Verbrenner-Bereich für die nächsten Jahre keine anderen Optionen", sagt Voss mit Blick auf die einst für den Amateursport entwickelten GT3-Boliden. "Das ist die Formel, mit der tausende Autos weltweit fahren. Wir haben mit der DTM unsere eigene Handschrift und geben der Serie damit ihre Identität, genau wie zum Bespiel auch der Veranstalter von Le Mans, wenn dort zukünftig GT3-Fahrzeuge fahren."

Start: Polesetter Mirko Bortolotti im Lamborghini
28 Autos gehen in der DTM-Saison 2023 an den Start, Foto: DTM

Voss: "Kern der DTM bleibt in Deutschland"

Gleichzeitig zeigt sich der ADAC offen für Neuerungen. Es gab bereits ein Treffen mit dem Promoter der japanischen Super GT, dem Pendant zur damaligen Class-1-DTM. Schon zu Zeiten der ITR bestand eine internationale Kooperation, die wegen der deutschen Hersteller-Ausstiege und dem Ende dieser Ära aber nicht nachhaltig umgesetzt werden konnte. Auch die US-amerikanische Sportwagenserie IMSA spielte in solchen globalen Herangehensweisen immer wieder eine Rolle.

"Der Kreis muss ausgeweitet werden", betont Voss. "Auch wenn der Name 'DTM' erhalten bleibt und der Kern der Rennserie weiter in Deutschland liegen wird, wollen wir niemanden ausschließen, der mit einem Toyota, Nissan, Honda oder auch einem der vielen neuen Player auf dem internationalen Automobilmarkt mitmischen will. Es mögen noch andere hinzukommen, auch Unternehmen, die bislang gar keine Autos gebaut haben. Wieso sollte man ihnen die Tür vor der Nase zuschlagen? Die DTM aber zu verbiegen, nur um einen zusätzlichen Hersteller zu bekommen, macht überhaupt keinen Sinn. Das würde nach hinten losgehen."