Die DTM biegt in die zweite Hälfte der Saison 2023 ein und bestreitet auf dem Lausitzring (18.-20. August) ihr fünftes Rennwochenende. Vor den Saisonrennen Nummer neun und zehn beleuchtet Motorsport-Magazin.com die wichtigsten Brennpunkte.

Brennpunkt #1: Fortsetzung der Sieg-Rekordserie?

Setzt die DTM in der Lausitz ihre Rekordserie fort? Acht verschiedene Fahrer gewannen die ersten acht Saisonrennen. Das gab es noch nie! In der über 30-jährigen Geschichte der deutschen Traditionsserie boten zuvor sechs unterschiedliche Sieger in den ersten Saisonrennen (anno 2016) das Maximum an Abwechslung. Heiße Anwärter auf den neunten Sieg sind Rene Rast (Schubert-BMW) und Lucas Auer (Winward-Mercedes), die je dreimal auf dem Lausitzring triumphierten - allerdings zu Zeiten der Class-1-Ära.

Zu große Zufälligkeit oder noch mehr Spannung an der Spitze? Die meisten Beobachter betrachten die unterschiedlichen Sieger als positiv. "Ein Sieg ist jetzt noch mehr wert, weil die Konkurrenz darum viel größer ist", sagt Maro Engel (Landgraf-Mercedes), der AMG in Zandvoort den bislang einzigen Saisonsieg bescherte. Dreimal gewann bislang ein Lamborghini, zweimal ein Porsche sowie je einmal ein BMW, Audi und Mercedes. Nur Ferrari, durch DTM-Neueinsteiger Emil Frey Racing vertreten, ging bislang leer aus.

Brennpunkt #2: Schluss mit der Steilkurve

Die DTM gastiert seit 2001 durchgängig auf dem Lausitzring und hat mehrere Streckenvarianten befahren. In den vergangenen beiden Jahren sorgte die Hinzunahme der überhöhten, rund 300 Meter langen "Turn-1-Kurve" (Streckenlänge: 4,601 Kilometer) für besondere Spannung. Mit dieser unter der Regentschaft der ITR eingeführten Variante ist unter dem Banner des ADAC Feierabend: An diesem Wochenende kehrt die DTM zum Sprintstrecken-Layout mit einer Länge von 3,478 Kilometern zurück.

Im Fahrerlager herrschen gemischte Gefühle, schließlich sorgte die lange und schnelle Gerade für spektakuläre Rad-an-Rad-Duelle. "Ich finde es etwas schade, dass wir jetzt die langsamere Streckenvariante fahren und nicht mehr Turn 1 mit der Steilkurve - das war im letzten Jahr schon ziemlich cool", meint Abt-Pilot Ricardo Feller. Teamkollege Kelvin van der Linde sagt hingegen: "Ich freue mich, dass wir die andere Streckenvariante fahren, denn ich war kein großer Fan von Turn 1 mit der Steilkurve."

Brennpunkt #3: Letzter DTM-Auftritt für Sensationssieger

DTM-Fans und lokale Medienvertreter dürften sich freuen, dass es GRT-Lamborghini gelungen ist, Nürburgring-Sensationssieger Maximilian Paul auch für den Lausitzring zu verpflichten. Der 23-Jährige feierte in der regnerischen Eifel bei seinem ersten DTM-Einsatz in diesem Jahr auf Anhieb einen völlig überraschenden, aus eigener Kraft herausgefahrenen Sieg. Für den gebürtigen Dresdner liegt der Lausitzring nur einen Katzensprung entfernt.

An diesem Wochenende startet Paul zum zweiten und vorerst letzten Mal für die Mannschaft von Teamchef Gottfried Grasser: Bei den drei darauffolgenden Events kollidiert der DTM-Kalender mit der International GT Open, wo Paul als 'Young Professional Driver' von Lamborghini Squadra Corse vorrangig eingesetzt wird und auf Titelkurs liegt.

Nicht zu vergessen: Im Samstagsrennen auf dem Lausitzring schleppt Paul 20 Kilo Erfolgsballast (Sieg am Nürburgring) in seinem Lamborghini Huracan GT3 Evo2 mit sich herum. Wer bei GRT nach dem Wochenende auf den Youngster an der Seite von Teamkollege Clemens Schmid folgen wird, ist noch nicht bekannt. Zuvor musste Mick Wishofer aus finanziellen Gründen passen.

Brennpunkt #4: Hitzeschlacht für Lamborghini

Vor zwei Wochen auf dem Nürburgring hatte Lamborghini deutlich die Nase vorne: Lambo-Werksfahrer Mirko Bortolotti (SSR-Lamborghini) feierte am Samstag endlich seinen ersten DTM-Sieg, im Sonntagsrennen triumphierte bekanntermaßen GRT-Pilot Maximilian Paul. Mit Oschersleben-Sieger Franck Perera hat ein weiterer Huracan-Pilot bewiesen, dass die Marke mit dem Stier im Wappen ein ernstzunehmender Konkurrent ist.

In der Lausitz könnte es allerdings schwierig werden für die Lamborghini-Vertreter: Die neue Evo2-Variante des GT3-Huracan tat sich bei heißen Bedingungen merklich schwer. Das zeigte sich schon beim hochsommerlichen Wochenende auf dem Norisring, als die Lambos bei über 30 Grad ins Straucheln gerieten. Auf dem Lausitzring werden ebenfalls Werte um die 30 Grad vorhergesagt.

"Es fiel uns bei heißen Temperaturen dieses Jahr bisher nicht leicht, die optimale Performance herauszuholen", bestätigt GRT-Chef Gottfried Grasser. SSR-Performance-Teamchef Mario Schuhbauer sagt: "Wir waren bereits zum Testen dort und das Auto ist im ersten Sektor stark, das verwinkelte Infield liegt dem Mittel-Motor-Konzept. Wir rechnen mit ähnlich hohen Temperaturen wie am Norisring und erwarten heiße Rennen. In der Lausitz müssen wir voll auf Angriff gehen, um keine Punkte zu verschenken!"

Brennpunkt #5: Wer hat den Test am besten genutzt?

Wer hat die verlängerte Vorbereitungszeit auf dem Lausitzring am besten genutzt? An diesem Donnerstag standen für die DTM-Teams nach Oschersleben die zweiten gemeinsamen Inseason-Testfahrten auf dem Plan. Kelvin van der Linde (Abt-Audi) führte die kombinierte Zeitenliste der drei aufgeteilten Sessions mit einer 1:20.604 an. Jack Aitken (Emil-Frey-Ferrari) und Mirko Bortolotti (SSR-Lamborghini) folgten auf den Plätzen zwei und drei. Rundenzeiten können angesichts der unterschiedlichen Programme und BoP-Spielchen allerdings getrost vernachlässigt werden.

Auffällig bei den Testfahrten am Donnerstag: Die beiden Attempto-Audi von Patric Niederhauser und Mattia Drudi ließen die erste Session am Vormittag aus. In der Session 2 am Nachmittag kam Lucas Auer (Winward-Mercedes) nicht über 4 Runden hinaus und sämtliche BMW-Vertreter waren über den Tag hinweg ziemlich langsam sowie außerhalb der Top-8 unterwegs.

Brennpunkt #6: Fahrerwechsel und neuer Fixstarter

Langweilig wurde es nicht in der Wartezeit zwischen dem Nürburgring- und dem Lausitz-Wochenende. Bei Toksport-WRT-Porsche kam es zu einer überraschenden Trennung von Oschersleben-Sieger Christian Engelhart. An die Stelle des Porsche-Vertragsfahrers rückt Marvin Dienst, der 2022 mit dem Team den Prototype Cup Germany (LMP3-Serie) gewann. Der frühere Formel-4-Champion ist längst ein Routinier im GT3-Sport, kennt den neuen Porsche 911 GT3 R auf Basis der 992-Modellreihe allerdings noch nicht.

Inzwischen bestätigt ist auch der weitere Saisoneinsatz von Sandro Holzem beim neuen BMW-Team Project 1. Der 19-Jährige, der sein erstes Jahr im GT3-Sport bestreitet, hat sich beim DTM-Debüt auf dem Nürburgring nichts zu Schulden lassen kommen und war am Sonntag mit P14 sogar der bestplatzierte aller Fahrer eines BMW M4 GT3. Die Punkte durfte er allerdings nicht behalten, weil Holzem am Ring als Gaststarter genannt war. Ab diesem Wochenende ist er als Fixstarter eingeschrieben und damit auch punktberechtigt.

ADAC-Motorsportchef Thomas Voss über Holzem, der seine DTM/GT3-Tauglichkeit zunächst unter Beweis stellen musste, zu Motorsport-Magazin.com: "Sandro Holzem hat einen Testeinsatz im ADAC GT Masters absolviert und einen Einsatz unter Gaststart-Bedingungen bei der DTM am Nürburgring. Wir haben seine Leistung im Anschluss an die Wochenenden analysiert, bei anspruchsvollen Bedingungen hat er bei den beiden Events keinen Fehler gemacht. Daher haben wir entschieden, ihn ab der Veranstaltung auf dem Lausitzring als voll punkteberechtigten Teilnehmer in der DTM 2023 zuzulassen."

Brennpunkt #7: Schlägt Schubert-BMW nach der Klatsche zurück?

Der amtierende Team-Meister Schubert Motorsport erlebte am Nürburgring mit Champion Sheldon van der Linde und dem dreifachen DTM-Meister Rene Rast ein Wochenende zum Vergessen. Mit 9 Punkten holte das BMW-Topteam so wenige Zähler wie nie zuvor seit dem DTM-Einstieg 2022! Eine schwache Qualifying-Performance am Samstag sowie eine verwachste Reifenstrategie im regnerischen Sonntagsrennen brachte die beiden Star-Fahrer um eine höhere Punkteausbeute.

Es war ein kompletter Kontrast zum vorangegangenen Norisring-Wochenende, als van der Linde und Rast kombiniert mit einem Sieg, zwei Pole Positions und drei Podestplätzen kräftig abräumten. Nach dem Eifel-Rückschlag kommt der Lausitzring zumindest auf dem Papier gerade recht: Van der Linde legte dort 2022 mit einem Doppelsieg den Grundstein zum späteren Titelgewinn und war auch in der Class-1-Ära eine Bank in der Lausitz. Teamkollege Rast blickt neben seinem Horror-Unfall 2018 auf drei Siege am Eurospeedway zurück.

Schubert-Teammanager Marcel Schmidt: "Wochenenden wie auf dem Nürburgring gehören im Sport dazu, weshalb es für uns nicht schwer war, damit abzuschließen. Letztendlich gibt es niemanden, der immer obenauf ist. Jedes Rennen hat nur einen Sieger und für den Rest gilt es, zu analysieren, weshalb es nicht geklappt hat. Das ist die Natur unseres Sports und an diesem Tag waren wir diejenigen, die sich hinterfragen mussten. Wir haben das als Team getan und reisen ohne offene Fragen an den Lausitzring."

Brennpunkt #8: Pechvogel van der Linde

Apropos van der Linde: Sheldons drei Jahre älterer Bruder Kelvin (Abt-Audi) war am Nürburgring der große Pechvogel, als er in beiden Rennen beim Start von Konkurrenten abgeschossen wurde. Am Samstag kämpfte sich der Abt-Pilot immerhin vom zwischenzeitlich letzten Platz bis in die Punkteränge nach vorne. Auf seinen ersten Podestplatz 2023 muss van der Linde allerdings weiter warten.

Im Gegensatz zu Sheldon, zählte der Lausitzring bislang nicht zu Kelvins Lieblingsstrecken. Dabei hätte er 2021 beinahe das Sonntags-Rennen gewonnen, wäre ihm in Führung liegend in der Turn-1-Kurve nicht der Motor seines Audi R8 LMS GT3 ausgegangen. Geistesgegenwärtig führte van der Linde im noch rollenden Fahrzeug einen Reset durch, verlor 'nur' zwei Plätze und überquerte die Ziellinie zehn Runden später auf dem dritten Platz.

2022 gab es für Kelvin hingegen nichts Zählbares zu holen und auch seine Lausitzring-Bilanz im ADAC GT Masters ist überschaubar erfolgreich: Nur einen seiner beeindruckenden 31 Podestplätze, 2014, erzielte der zweifache GT-Masters-Champion auf dem Eurospeedway. Van der Linde: "Leider hatte ich am Lausitzring bisher immer viel Pech und deshalb keine guten Erinnerungen."