Nach seinem Formel-1-Aus bei Red Bull schien Alexander Albon in der DTM zu Saisonbeginn etwas verloren. Mit der ersten Pole Position und dem ersten Sieg am Sonntag auf dem Nürburgring strafte der Thailänder seine Kritiker Lügen. Albon fühlte sich hinter dem Steuer des GT3-Boliden erstmals richtig wohl. Das Team verwandelte den Ferrari 488 GT3 EVO über Nacht in ein Siegerauto. Der ehemalige F1-Pilot sieht sich zurück im Meisterschaftskampf.

"Ich denke nicht, dass ich in den Schatten gestellt wurde", sagt er mit Blick auf den direkten Vergleich zu seinem DTM-Teamkollegen Liam Lawson. Der 19-jährige Neuseeländer gewann beim Saisonauftakt in Monza gleich das erste Rennen. Mit drei weiteren Podestplätzen untermauerte er diese Leistung und befindet sich im Kampf um die Meisterschaft. Albon hingegen schien sich mit der Umstellung vom Formelsport schwerer zu tun.

Vor dem Wochenende auf dem Nürburgring hatte es zu zwei dritten Plätzen in Monza und Zolder gereicht. Der ganz große Durchbruch schien ihm aber schwer zu fallen. "Ich denke, es ist normal, dass es etwas Zeit braucht, um sich vom Formel-1-Auto an einen GT3 zu gewöhnen. Das ist schon ein Unterschied", erklärt er. Dass er mit seinen bisherigen Leistungen hinter Lawson herhinkte, sieht er trotzdem nicht.

"Ich hatte ein paar Rennen, die ziemlich stark waren. Ich habe nur im Qualifying ein bisschen Probleme gehabt", so Albon. Besagte Probleme waren auch auf dem Nürburgring am Samstag noch nicht ganz ausgemerzt. Im Zeittraining für das erste Rennen landete er auf Startplatz neun. Dass es am Sonntag für die Pole Position reichte, war in vielerlei Hinsicht eine Überraschung. Auch Albon selbst glaubte zunächst, dass es allein der Regen möglich gemacht hatte.

AF Corse macht aus Ferrari über Nacht ein Siegerauto

"Gestern waren wir von der Pace her ziemlich weit weg, besonders im Rennen. Im Regen haben wir die Pole Position geholt aber dann dachten wir uns, was nun? Jetzt ist es für das Rennen trocken", erklärt er. Doch schon im Rennen zeigte sich schnell, dass der Ferrari mit der Startnummer 23 auch im Trockenen an diesem Tag die Pace hat: "Ich wusste nach den ersten Runden, dass wir den Sweetspot getroffen und das Problem gelöst hatten."

Der Schlüssel zum Erfolg war wie immer im Motorsport der Reifen. Nach dem enttäuschenden Samstag hatte die Crew von AF Corse beim Setup keinen Stein auf dem anderen gelassen. "Wir waren etwas ratlos, denn wir hatten in allen Belangen unsere Schwierigkeiten. Die Reifen haben überhaupt nicht funktioniert. Wir haben in der Nacht alle Daten angeschaut und kamen auf das, was wir für die Lösung hielten", erklärt Albon.

Das verregnete Qualifying nahm ihm und seinem Team die Möglichkeit, die Änderungen bei repräsentativen Bedingungen zu überprüfen. Dementsprechend groß war das Fragezeichen vor dem Start ins Rennen. Doch Albon behauptete die Führung sowohl am Start als auch bei mehreren chaotischen Restarts souverän.

"Zum Glück sind wir bei dem Setup geblieben und es hat funktioniert", sagt er. "Die Reifen sind immer noch etwas seltsam, nicht wie der Pirelli [Formel 1], aber sie funktionieren auf ihre eigene Weise. Wir haben die richtigen Schritte gemacht und deshalb ist es für sie [Team] ein genauso großer Sieg wie für mich, denn sie haben das Auto über Nacht umgekrempelt."

Albon im Rennen souverän: DTM-Debüt läuft nicht schlecht

Im Rennen über 55 Minuten und zwei Runden wurden um Albon herum dann auch mehrere Autos umgekrempelt, allerdings nicht auf die fachmännische Weise seiner Ingenieure. Nach reihenweise Unfällen sahen nur 14 der 23 gestarteten Fahrer die Zielflagge. Der Sieger blieb trotz des Chaos immer irgendwie vorne.

"Beim ersten Start und dem Restart danach hattest du alles unter Kontrolle. Es ist nicht so schwer. So lange du gut wegkommst, wirst du in Kurve eins vorne sein", sagt Albon, der vor den Boxenstopps bei jedem Start von Platz eins ins Rennen ging. Beim letzten Restart eine halbe Stunde vor Schluss lag er jedoch am Ende der Top-10, hinter Fahrern die noch auf alten Reifen unterwegs waren.

Im dichten Verkehr stellte Albon die Racecraft unter Beweis, mit der er sich 2019 in der Formel 1 um das Cockpit bei Red Bull verdient gemacht hatte: "Du bist dann in einer Position, in der du nicht aggressiv sein willst. Du bist eigentlich in Führung, aber du musst trotzdem schnell alle überholen, denn ansonsten machen die anderen es. Du musst aggressiv sein, aber gleichzeitig vorsichtig."

Mit der Konkurrenz im Nacken machte Albon beim Neustart keine Gefangenen und blieb Boxenstopp-bereinigt an der Spitze. Dabei brachte er unter anderem Christian Klien und Nico Müller zwischen sich und seinen ersten Verfolger, Daniel Juncadella: "Das hat das Rennen bestimmt, denn ab diesem Zeitpunkt musste ich mir um die Fahrer hinter mir keine allzu großen Sorgen mehr machen."

In der Gesamtwertung machte Albon dank seines Triumphs einen großen Sprung. Zur Saisonhalbzeit liegt er auf dem vierten Platz, zwei Punkte vor Lawson. Auf Leader Kelvin van der Linde fehlen ihm 47 Punkte. Das Fazit seines Sportwagen-Debüts fällt dementsprechend positiv aus: "Ich bin immer noch im Kampf und ich fahre in der Meisterschaft nicht irgendwo hinterher. Wir sind konkurrenzfähig. Für mein erstes Jahr im GT-Sport und der DTM läuft es nicht schlecht."