Die neun Autohersteller fahren in der Hypercar-Topklasse der Langstrecken-Weltmeisterschaft alles auf, was Rang und Namen hat: Die Teams von Toyota, Ferrari, Peugeot, BMW, Porsche, Lamborghini, Alpine und Co. sind gespickt mit Werksfahrern, mehrfachen Le-Mans-Siegern, DTM-Champions und Piloten samt mehr oder weniger ruhmreicher Formel-1-Vergangenheit.

Während die Stars der Szene die Gesamtsiege in der WEC und bei den 24 Stunden von Le Mans unter sich ausmachen, sieht das in der neugeschaffenen LMGT3-Klasse, dem Nachfolger der GTE-Kategorie, etwas anders aus. Um den Gedanken des Amateur- oder Gentleman-Sports fortzuführen, müssen alle Kundenteams mindestens einen Fahrer der FIA-Kategorie Bronze sowie Bronze/Silber ins Feld führen. Nur einer der drei Piloten darf ein echter Profi, sprich: Platin- oder Gold-Status, sein. Nach aktuellem Stand listet die FIA weltweit 225 Platin-Fahrer auf, 28 davon stammen aus Deutschland.

WEC: GT3-Auto kostet vier bis fünf Millionen

Bei den GT3-Teams handelt es sich nicht um reinrassige Werkseinsätze, die Autobauer sprechen lieber von einer Werksunterstützung. Dennoch tummeln sich in der Klasse höchst prominente Namen wie Manthey-Porsche, WRT-BMW, Proton-Competition-Ford, AF-Corse-Ferrari oder United-Autosports-McLaren.

"Das ist wirklich kundenfinanziert", versicherte Manthey-Geschäftsführer Nicki Raeder gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Es gab harte Vorwürfe in der Presse, dass es sich dabei um einen Werkseinsatz handeln würde. Das ist leider totaler Unsinn. Natürlich wäre es mir lieber, wenn Porsche alles bezahlen würde, aber tatsächlich wird das über die Bronze-Fahrer finanziert. Und solch ein WEC-Engagement kostet vier bis fünf Millionen pro Auto."

Ein Haufen 'Unbekannter' - und Valentino Rossi

Den meisten Motorsport-Fans dürften nur die jeweiligen Profi-Fahrer bekannt sein, während ihre Bronze- und Silber-Teamkollegen bislang eher unter dem Radar fuhren.

Eine Ausnahme bildet MotoGP-Superstar Valentino Rossi, der aus Sicht von BMW durch die FIA glücklicherweise als Silber-Fahrer eingestuft (siehe Kategorisierungs-Tabelle am Ende des Artikels) worden ist und zusammen mit Werksfahrer Maxime Martin (Platin) ein extrem starkes Duo auf dem #46 BMW M4 GT3 von WRT bildet. "Wir können happy sein mit einem sehr starken Silber-Fahrer", sagte BMW-Motorsportchef Andreas Roos zu MSM. "Mit Valentino Rossi brauchen wir uns nicht zu verstecken."

Beim dritten Fahrer, im Falle von WRT der 42-jährige Bronze-Pilot Ahmad Al-Harthy, dürften die meisten Fans aber nur fragend mit den Schultern zucken. Die wenigsten dürften jemals zuvor von Fahrern wie James Cottingham, Arnold Robin, Tom Van Rompuy, Hiroshi Koizumi, Aliaksandr Malykhin oder Clement Mateu gehört haben. Dabei könnten gerade diese Bronze-Piloten den entscheidenden Unterschied zwischen Sieg oder Niederlage in der WEC bzw. bei den 24 Stunden von Le Mans ausmachen!

Große Unterschiede zwischen Bronze-Fahrern erwartet

Während sich Profi-Rennfahrer und Silber-Piloten auf einem GT3-Auto meist nur um wenige Zehntelsekunden unterscheiden, kann bei den Bronze-Amateuren untereinander locker mal eine Sekunde Differenz pro Runde liegen. Nicht umsonst haben sich die ambitionierten Kundenteams im Hintergrund geradezu um die schnellsten Bronze-Vertreter gerissen. Stand in der Vergangenheit deren Budget im Vordergrund, richtet sich der Blick jetzt mehr denn je auch auf die Rundenzeiten und das erwartete Unfall-Potenzial.

Dieses vom Reglement vorgegebene Szenario wirft unweigerlich die Frage auf: Sollten gerade Amateur-Fahrer bei einem der wichtigsten Rennen der Welt, den 24 Stunden von Le Mans, der möglicherweise entscheidende Faktor beim Kampf um den LMGT3-Klassensieg sein?

WRT-Boss Vosse: "Keine Bronze-Fahrer wäre falsch"

"Es ist nur fair von der WEC und dem ACO, Bronze-Fahrer zu behalten", meinte WRT-Teamchef Vincent Vosse. "Sie haben der Serie in den vergangenen zwölf Jahren geholfen, erfolgreich zu sein. Natürlich hätten wir alle gerne drei Profis im Auto, die bei einem solch wichtigen Rennen kämpfen. Es wäre aber falsch, die Bronze-Fahrer außen vor zu lassen."

Natürlich bildeten Amateure seit dem ersten Le-Mans-Rennen im Jahr 1923 einen Grundpfeiler des Langstrecken-Klassikers. In der vergangenen Saison wurde etwa die GTE-Am-Klasse fortgeführt, während die GTE-Pro-Kategorie im letzten Einsatzjahr dieser Autos weichen musste. In der inzwischen eingestellten LMP2-Klasse (nur noch in Le Mans startberechtigt) waren Silber-Fahrer vorgeschrieben.

1985 gelang dem 2001 verstorbenen, deutschen Gentleman-Fahrer Louis Krages alias 'John Winter' sogar der Gesamtsieg. Allerdings saß der Holzhandel-Millionenerbe nur bei rund 75 Minuten der 24 Stunden selbst am Steuer des Joest-Porsche 956B, eine halbstündige Safety-Car-Phase inklusive, während seine Teamkollegen Klaus Ludwig und Paolo Barilla den Löwenanteil leisteten.

WEC: So lange müssen Bronze- und Silber-Piloten fahren

Um derartige 'gekaufte Siege' zu vermeiden, gibt es längst Mindestfahrzeiten in der WEC. So müssen Bronze- und Silber-Fahrer bei einem 6-Stunden-Rennen zusammen mindestens 3:30 Stunden (je 1:45 Stunden) am Steuer sitzen. Bei einem 10-Stunden-Rennen wie dem Saisonauftakt in Katar (Samstag, 02. März) entfallen mindestens 5:50 Stunden Fahrzeit auf die beiden Bronze/Silber-Fahrer, während der Profi alleine bis zu 4:10 Stunden fahren dürfte. Bei den 24 Stunden von Le Mans galt zuletzt, dass jeder Fahrer mindestens 6 Stunden absolvieren muss.

"GT3-Autos wurden für den Kundensport entwickelt, jetzt gibt es Hypercars für Hersteller", sagte der für Manthey startende Porsche-Werksfahrer Richard Lietz. "Aus Sicht der WEC macht es nur Sinn, den Bronze-Fahrern eine Klasse zu eröffnen. Hersteller kamen und gingen, aber Privatiers waren immer in Le Mans. Manthey erhält keine Unterstützung vom Werk. Ich glaube, dass ohne die Bronze-Fahrer (und deren Budgets; d. Red.) eine große Chance bestünde, dass Manthey nicht dabei wäre."

LMGT3: Mindestfahrzeiten für Bronze- und Silber-Fahrer

Fahrer-Kategorie6h-Rennen8h-Rennen10h-Rennen24h-Rennen (Stand 2023)
Bronze1:45 Stunden2:20 Stunden2:55 StundenMindestens 6 Stunden, maximal 14
Silber1:45 Stunden2:20 Stunden2:55 StundenMindestens 6 Stunden, maximal 14
Platin (Maximale Fahrzeit)2:30 Stunden3:20 Stunden4:10 StundenMindestens 6 Stunden, maximal 14

WEC-Reglement: Bronze-Piloten müssen Qualifying fahren

Während der Einsatz von Bronze-Fahrern in der Hypercar-Klasse verboten ist, kommt ihnen in der LMGT3-Kategorie eine besondere sportliche Stellung zu: Laut dem Reglement ist vorgeschrieben, dass Bronze-Piloten das Qualifying inklusive der Hyperpole (10 schnellste Autos aus dem Qualifying der beiden Klassen) fahren müssen. Zwar sind die Startpositionen bei den mehrstündigen WEC-Rennen längst nicht so entscheidend wie bei einem Sprint-Wettbewerb, doch jeder Vorteil hilft.

"Bronze-Fahrer haben einen Einfluss aufs Ergebnis, vor allem in Le Mans", sagte BMW-Werkspilot Augusto Farfus, der für WRT auf einem BMW M4 GT3 antritt. "Sie fahren das Qualifying und den Start. Das Ziel für die Bronze-Fahrer lautet, zu versuchen, die Arbeit so gut wie möglich zu erledigen, ohne massive Risiken einzugehen. Es wäre schön, nur Profis zu haben, aber die Bronze-Fahrer haben die Show am Leben erhalten und der WEC in schwierigen Zeiten die Flagge gehalten. Vielleicht sagen wir am Ende: 'Gott sei Dank, dass Bronze-Fahrer im Auto waren, sie haben alles spannender gemacht'."

Bronze-Pilotin Bovy: "WEC wie Olympische Spiele des Motorsports"

Zum Reigen der 18 Bronze-Fahrer zählt die Belgierin Sarah Bovy. Die 34-Jährige zählt zum Lamborghini-Frauentrio der Iron Dames und startet zusammen mit Mercedes-Juniorin Doriane Pin sowie Michelle Gatting. Im Januar bei den 24 Stunden von Daytona erzielten die drei Iron Dames zusammen mit Ex-DTM-Pilotin Rahel Frey den sechsten Platz in der GTD-Klasse. "Ich sehe die WEC wie die Olympischen Spiele des Motorsports", sagte Bovy angesichts der bis Ende der 80er-Jahre geltenden Regel, nur Amateure bei den Spielen zuzulassen.

Bovy weiter: "Es gibt viele Gründe, warum ein Fahrer den Bronze-Status hat. Manchmal passte einfach das Timing nicht. Die Linie, dass dieser Status als positiv oder negativ bewertet wird, ist dünn. Aber ich hatte schon tolle Kämpfe in der WEC. Wir sehen, dass sich Bronze-Fahrer manchmal mehr wie Profis verhalten als die tatsächlichen Pro-Fahrer. Wir wissen, dass Motorsport teuer ist, und dass das Geld irgendwoher kommen muss. Für manche Teams wäre ein Einsatz ohne Privatfahrer nicht möglich, so läuft es in der realen Welt."

Platin, Gold, Silber, Bronze: Kriterien für FIA-Einstufung

Platin-FahrerGold-FahrerSilber-FahrerBronze-Fahrer
Aktueller/früherer Superlizenz-HalterRennfahren als HauptberufFahrer, die Lizenz vor 30. Lebensjahr erhalten habenFahrer, die Lizenz nach 30. Lebensjahr erhalten haben
Leistung auf Niveau von Platin-FahrernStart in Top-Kartserie für mind. 3 JahreFahrer unter 30 ohne Formel/Kart-ErfahrungLeistung auf Niveau von Bronze-Fahrern
Professioneller Rennfahrer/WerksfahrerStart in relevanter Formel-Serie für mind. 2 Jahre und mind. 1 PodiumEinkommen durch Rennfahren
Top-5-Finish in einer Tier-1-SerieKarrierebeginn vor 20. Lebensjahr und mind. 5 volle SaisonsFahrer über 30, die schon in ihren 20ern gefahren sind
Top-5-Finish in einer Tier-2-SerieLeistung auf Niveau von Silber-Fahrern
(Klassen)-Sieger in einer Tier-3-Serie
Leistung auf Niveau von Gold-Fahrern

Tier-1-Serien: V8 Supercars, FIA Formel 2, FIA-Weltmeisterschaften, WTCR, IndyCar, Super Formula
Tier-2-Serien: Porsche Supercup, NASCAR, FIA Formel 3, Int. Formel-Serien, FIA-Weltcups, DTM, Super GT
Tier-3-Serien: Regionale/Nationale Tourenwagen, Porsche Carrera Cup, Formel 4, Regionale/Nationale LMP3- und GT-Serien, NASCAR Xfinity/Trucks, FIA-Bergrennen, Internationale/Europäische Kart-Serien