Sonntagabend, 21 Uhr, Fahrerlager von Imola: In der schicken Hospitality von Ferrari ging es deutlich ruhiger zu als in den Tagen zuvor. Eifrig gesprochen wurde nur einer Ecke, wo eine Meute von Journalisten, darunter Motorsport-Magazin.com verstehen wollte, wie die Italiener den vermeintlich sicheren Sieg beim prestigeträchtigen Heimspiel wegwerfen konnten.

Giuliano Salvi, Ferraris höchst erfahrenem Chef-Renningenieur, wurde diese eher undankbare Aufgabe zuteil. Der frühere Renningenieur von Formel-1-Fahrern wie Kimi Räikkönen oder Felipe Massa redete gar nicht lange um den heißen Brei herum, zu offensichtlich war der Strategie-Fauxpas, der Ferrari nach einer Dreifach-Pole am Ende mit einem mageren vierten Platz beim zweiten WEC-Rennen der Saison zurückließ.

Ferrari nach Imola-Pleite: "Ein Scheiß-Tag"

"Shit happens", redete Salvi unumwunden Klartext. "Das war auf jeden Fall ein Scheiß-Tag. Wirklich schade, und es tut mir leid für all die Menschen, die uns hier unterstützt haben." Was war passiert? Ferrari war beim 6-Stunden-Rennen auf dem Autodromo Enzo e Dino Ferrari auf dem besten Wege, den ersten Saisonsieg in der Langstrecken-WM einzufahren, es roch gar nach einem Doppelsieg.

Doch gut zwei Stunden vor dem Rennende setzte der erwartete Regenschauer ein, der den Roten sprichwörtlich das Genick brach. Während die Konkurrenz von Toyota und Porsche schnell auf die immer nasser werdenden Verhältnisse reagierte, kollektiv Regen-Reifen aufziehen ließ oder wie im Falle von Porsche geschickt die Strategien splittete, drehten die zunächst führenden Werks-Ferrari sowie der private AF-Corse-499P weiter fleißig ihre Runden auf den Medium-Slicks von Michelin.

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Ferrari muss sich in Imola mit den Plätzen vier und sieben begnügen, Foto: Ferrari

Ferrari verlieren bis zu 14 Sekunden - pro Runde

Als Ferrari die #50 (Fuoco, Molina, Nielsen) und #51 (Pier Guidi, Giovinazzi, Calado) sowie den #83 499P (Kubica, Shwartzman, Ye) in der 139/205 Runden endlich zum Reifenwechsel an die Boxen beorderte, war der Totalschaden längst angerichtet: In dieser entscheidenden Phase hatten die Ferrari pro Runde bis zu 14 (vierzehn!) Sekunden auf den später siegreichen #7 Toyota (Conway, Kobayashi, de Vries) und den zweitplatzierten #6 Porsche 963 (Estre, Lotterer, Laurens Vanthoor) eingebüßt.

"Die uns vorliegenden Informationen waren offensichtlich falsch", erklärte Signore Salvi. "Wir dachten, dass das Wetter nur zeitweise so sein würde. Die Fahrer hatten das Gefühl, dass nur der letzte Sektor kritisch war, während der Rest der Strecke in den Griff zu kriegen gewesen sei. Aber es lief in die falsche Richtung. Wir müssen unsere Kommunikationskette überprüfen, denn es handelte sich auf jeden Fall um einen Fehler. Wir haben diese Entscheidung anhand eines falschen Szenarios getroffen."

Salvi weiter: "Wir wollen nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen. Wir sind die gleiche Truppe, die letzten Jahr in Le Mans als Anfänger gewonnen hat. Damals haben wir es richtig hinbekommen, und da waren wir der Hero, jetzt sind wir Zero. Natürlich hätten wir die Autos aufteilen müssen. Wir haben das auch versucht, es letztendlich aber nicht getan. Wir müssen uns diese Abläufe im Detail anschauen, denn es handelte es sich um einen eindeutigen Fehler."

Ferrari traut eigenem Wetter-Radar nicht

Ferraris Wetter-Radar hatte den Regen schon eine ganze Weile früher angezeigt, doch es blieb zunächst trocken über dem Traditionskurs. In früher Erwartung der nassen Verhältnisse absolvierten die Startfahrer Nicklas Nielsen und Antonio Giovinazzi zu Beginn sogar Dreifach-Stints und achteten auf die Reifen, um länger draußen bleiben und die Strategie entsprechend anpassen zu können.

Salvi: "Der kritische Punkt war das Verständnis des Wetter-Radars. Unser Radar meldete, dass die Situation schlechter werden würde, lange, bevor das tatsächlich eintrat. Also haben wir dem Radar nicht mehr vertraut. Wir dachten, es handele sich um eine dieser Situationen, in denen man sich nicht zu sehr auf den Radar verlassen sollte. Das war ein klarer Fehler, aber das müssen wir noch verstehen."

Nachdem der Himmel seine Schleusen wieder geschlossen hatte, waren die Ferrari bereits raus aus dem Kampf um den erhofften Sieg. Antonio Fuoco, dem schnellsten Fahrer des Wochenendes und auch des Rennens (schnellste Rennrunde und im Mittel der schnellste aller Fahrer), gelang im #50 Ferrari eine späte Aufholjagd mit Slicks bis auf den vierten Platz. Das Schwesterauto mit der #51 musste sich mit P7 begnügen und landete eine Position vor dem gelben AF-Corse-Ferrari.