Nach dem Sieg zum Saisonauftakt in Katar hat MotoGP-Weltmeister Francesco Bagnaia in den zwei folgenden Wochenenden keine Top-3-Platzierung mehr einfahren können. Ducati-Markenkollege Jorge Martin hingegen verpasste beim Rennen in Austin zum ersten Mal in der Saison 2024 das Podest. Und dennoch hatten sie beide das gleiche Problem. Es begleitet Ducati seit Wochen: Chattering. Das Mysterium um die Vibrationen könnte zum einschneidenden Faktor in der WM werden.

Chattering: Francesco Bagnaia nach sechs Rennrunden chancenlos

"Mein Rennen fing gut an und ich fühlte mich auch gut. Vor Runde 6 dachte ich, dass ich um den Sieg oder das Podest kämpfen könnte, aber ich bekam eine Menge Chattering, starke Vibrationen, auf der linken Flanke. Das war sehr schwierig zu managen", berichtete Bagnaia nach dem Amerika GP. Die Vibrationen des Chattering-Phänomens stören den Fahrer gewaltig. Er kann weniger pushen, hat weniger Gefühl und strapaziert die Reifen mehr. Bagnaia versuchte seinen Nachteil mit der anderen Reifenflanke zu kompensieren, aber es half nichts: "Ich habe den Vorderreifen auf der rechten Seite komplett zerstört. Also war es auch sehr schwierig in den Rechtskurven. Nach sieben Runden fuhr ich nurmehr in der Defensive."

Am Ende kam er deutlich hinter den anderen Spitzenpiloten auf Rang Fünf ins Ziel. Dabei hatte der Titelverteidiger noch Glück, dass Marc Marquez mit einem Bremsproblem stürzte und Brad Binder ein Horror-Wochenende erlebte. Am Sprinttag zuvor hatte Bagnaia mit Rang Acht sogar noch schlechter abgeschnitten. In der WM-Wertung ist 'Pecco' auf Rang fünf abgerutscht.

Erinnerungen an MotoGP-Fehlstart 2022 werden wach

Das Chattering bringt ihn ins Hintertreffen. Einen solchen Rückschlag zu Saisonbeginn gab es schon einmal: "Wenn ich mir das alles ansehe, dann müssen wir uns unserer Lage klar werden und diese Probleme lösen. Die Situation ist sehr ähnlich wie 2022. Da musste ich am Anfang der Saison auch defensiv fahren." Damals handelte er sich in der ersten Phase der Saison einen gewaltigen Punkterückstand auf Fabio Quartararo ein, setzte dann aber auch zur größten Aufholjagd der MotoGP-Geschichte an und gewann doch noch den Titel. Das lag aber auch an Quartararos schwächelndem Bike. Die Gegner von 2024 werden keinen solchen Nachteil beim Material haben. Also muss das Chattering-Problem behoben werden.

Bagnaia hatte keine Chance gegen den anstürmenden Maverick Vinales, Foto: LAT Images
Bagnaia hatte keine Chance gegen den anstürmenden Maverick Vinales, Foto: LAT Images

Aber noch rätselt Bagnaia. Auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com erklärte er das Ausmaß des Mysteriums: "Es ist merkwürdig, denn Enea [Bastianini] hatte dieses Wochenende überhaupt kein Chattering. Aber er hatte das ganze Wochenende trotzdem echte Probleme. Ich fühlte mich eigentlich gut. Auch [Jorge] Martin war sehr schnell, aber heute hatte er Probleme. Es ist also schwierig das mit drei Bikes zu verstehen, denn Franky [Morbidelli] ist noch in seiner Lernphase."

Marquez wirft Siegchance weg: Es war ein Defekt! (01:00 Min.)

Bagnaia und Martin in Problemen, aber nicht in Panik

Im Sprint klagte Teamkollege Enea Bastianini noch über dieselben Probleme wie Bagnaia. Auch er konnte nur einen mageren sechsten Platz einfahren und hatte keinen Grip am Heck. Im Rennen trat bei ihm dann aber kein Chattering auf und er fuhr als Dritter auf das Podest. Derjenige, dem er den Podestplatz eine Runde vor Schluss abnahm, hatte das Problem aber sehr wohl. Jorge Martin klagte aber nicht ganz so sehr wie Bagnaia: "Ich hatte ein paar Vibrationen. Nicht viele, aber vielleicht hat mich das ein oder zwei Zehntel pro Runde gekostet. Ich muss das Bike dann aufrichten und das fühlt sich nicht natürlich an."

Panik machte sich aber auch bei Bagnaia trotz der Erfahrungen von 2022 nicht breit. "Ich habe volles Vertrauen in mein Team, dass wir das Problem lösen werden", bekräftigte der Italiener. Martin gab sich pragmatisch und nicht lamentierend: "Wir müssen damit Rennen fahren. Es ist keine Ausrede. Wir müssen es einfach beheben." Nur wenn es so einfach wäre, dann wäre das Problem bereits behoben.

Auch Jorge Martin ist vom Chattering betroffen, Foto: LAT Images
Auch Jorge Martin ist vom Chattering betroffen, Foto: LAT Images

Lösungsansatz gesucht: Reifenwahl in Amerika kein Chattering-Faktor

Einen Lösungsansatz konnten beide Ducati-Stars nicht nennen. Ohnehin ist das beim Thema Chattering auch eher eine Frage für die Ingenieure. Der Fahrer kann kaum etwas machen, wie Bagnaias erfolgloser Versuch der Belastung der anderen Reifenflanke zeigt. Es geht vielmehr um Setup, Balance und Reifenwahl. Bei letzterem Faktor gab es in Austin aber auch keinen Anhaltspunkt. Bastianini fuhr wie Martin und Bagnaia den Soft-Reifen am Heck. Im Warm Up hatte 'La Bestia' noch den Medium ausprobiert und offenbar für nicht gut befunden.

Und dennoch muss bei Ducati nicht schwarzgemalt werden. Bagnaia kann in der Leistung seines Teamkollegen auch das Positive sehen: "Enea hatte Probleme mit den Bremsen und beim Einlenken, aber er war dennoch superschnell und hätte ohne diese Probleme um den Sieg kämpfen können." Mit anderen Worten: Selbst eine angeschlagene Ducati Desmosedici GP24 wird noch Dritter. Ähnlich könnte man auch Jorge Martins Worte interpretieren. "Wir arbeiten viel daran [am Chattering-Problem, Anm. d. Red.]. Ich fühle mich mit dem Bike immer noch nicht bei 100%", meint der Spanier. Und das sagt der Mann, der die WM nach drei Rennen recht deutlich anführt. Ducatis Probleme sind echt, aber eben auch relativ.