Als die MotoGP vor knapp zweieinhalb Wochen mit dem Shakedown und den ersten offiziellen Testfahrten in Sepang aus dem Winterschlaf erwachte, kehrte sofort auch ein leidiges Thema der vergangenen Saison zurück: Die Reifendruckregel. Diese hatten die Königsklasse und Einheitshersteller Michelin gemeinsam zu Beginn der zweiten Jahreshälfte in Silverstone eingeführt. Wirklich zufrieden zeigte sich im MotoGP-Fahrerlager aber niemand damit, es hagelte viel Kritik. Nun ist klar: Die Reifendruckregel wird zur neuen Saison angepasst.

Bereits vor einigen Tagen hatte Corrado Cecchinelli, Technik-Direktor der MotoGP, veraten, dass die Rennserie derzeit Gespräche mit den Teams und Reifenhersteller Michelin führe und mögliche Veränderungen der Regel prüfe. Am Montag präsentierte Piero Taramasso, Motorsportchef bei Michelin, die ersten Ergebnisse im Gespräch mit 'Autosport'. Dort kündigte der Franzose an: "Wir haben über den Winter alle Daten des letzten Jahres nochmal analysiert und alle Belastungstests Strecke für Strecke neu simuliert. Nach diesem Prozess haben wir uns entschieden, den vorgeschriebenen Mindestdruck von 1,88 auf 1,80 bar zu reduzieren."

Michelin ist seit 2016 Einheitsreifen-Hersteller der MotoGP, Foto: LAT Images
Michelin ist seit 2016 Einheitsreifen-Hersteller der MotoGP, Foto: LAT Images

2023 teils heftige Kritik der MotoGP-Stars: Mindestdruck ruiniert Racing!

Damit ist natürlich nur der Mindestdruck im Vorderrreifen gemeint. Für den Hinterreifen gilt seit dem Großbritannien Grand Prix 2023 zwar auch ein Mindestwert von 1,7 bar, doch dieser bereitete den MotoGP-Stars im abgelaufenen Halbjahr keinerlei Probleme. Gänzlich anders dagegen das Gummi an der Front: Schon vor der Einführung klagten die Piloten, dass der Druck zu hoch sei und nicht nur das Racing zerstören würde, sondern auch zu einer Gefahr werden könnte. Denn der Luftdruck in den temperaturanfälligen Michelin-Reifen steigt im Verkehr schnell an. Wird er zu hoch, entsteht ein schwammiges Gefühl auf der Front, was die Sturzwahrscheinlichkeit deutlich erhöht. Daher wollen die Piloten eigentlich mit so niedrigem Reifendruck wie möglich starten, um den Vorderreifen im Verkehr nicht zu überhitzen.

Doch das war im zweiten Halbjahr 2023 nicht mehr möglich, weil gemeinsam mit der Reifendruckregel auch ein Bestrafungssystem eingeführt wurde. Wurde der vorgeschriebene Mindestdruck nicht über mindestens 50% der Rundenanzahl im Grand Prix bzw. 30% im Sprint eingehalten, erhielten die Fahrer zunächst eine Verwarnung. Beim zweiten Vergehen wurde eine Drei-Sekunden-Zeitstrafe ausgesprochen, beim dritten Vergehen sechs Sekunden, beim vierten Vergehen 12 Sekunden und so weiter.

Fabio Di Giannantonio verlor Platz zwei in Valencia nachträglich wegen einer Mindestdruck-Unterschreitung, Foto: LAT Images
Fabio Di Giannantonio verlor Platz zwei in Valencia nachträglich wegen einer Mindestdruck-Unterschreitung, Foto: LAT Images

Das Problem: Ab der Saison 2024 entfällt dieses Strafsystem. Bei einer Unterschreitung des Mindestdrucks wird in diesem Jahr eine sofortige Disqualifikation vom Rennen ausgesprochen. "Taktische Joker", wie im Vorjahr beim zuvor unverwarnten Enea Bastianini im Malaysia GP gesehen, gibt es nicht mehr. Diese Entscheidung macht durchaus Sinn, gefährdet aber die Attraktivität der Rennen. Denn die MotoGP-Teams können so natürlich kein Risiko mehr eingehen und müssen mit korrektem Reifendruck starten, wollen sie keine Disqualifikation riskieren. Sämtliche Fahrer, die sich im Verkehr befinden, laufen dann aber Gefahr, aufgrund des im Rennen steigenden Reifendrucks nicht mehr überholen zu können, da die Front zu schwammig wird. "Ich hasse diese Regel wirklich, sie wird diese Weltmeisterschaft ruinieren", hielt Aleix Espargaro Mitte November stellvertretend fest.

Neuer Mindestreifendruck: Umsetzung schon im Katar-Test

Nun reagiert Michelin also, die Reduktion des Mindestdrucks im Vorderreifen auf 1,8 bar soll den MotoGP-Stars mehr Spielraum liefern. "Das gibt den Ingenieuren und Fahrern mehr Freiheiten. Sie können sich zwischen 1,8 und 2,1 bar bewegen und haben damit einen guten Bereich, um den Frontdruck unter Kontrolle zu halten", meint Taramasso. Ob diese Reduktion tatsächlich die erhoffte Besserung bringt, wird sich erst noch zeigen müssen. Klar ist aber auch, sie kommt nicht ohne Hürde: "Im Gegenzug bitten wir darum, dass die Fahrer im Sonntagsrennen für 60% der Renndistanz an den Mindestdruck halten müssen, weil wir mehr Risiko eingehen."

Umgesetzt wird der neue Mindestdruck im Vorderreifen schon mit dem ersten Rennwochenende des Jahres in Katar (08. bis 10. März). Einen ersten Vorgeschmack können sich Piloten und Teams aber auch schon im derzeit laufenden Katar-Test verschaffen, dort darf bereits mit 1,8 bar gefahren werden. Wenn ihr nichts von der Aktion auf dem Losail International Circuit verpassen wollt, schaut unbedingt in unserem Live-Ticker vorbei!