Eigentlich lieferten die chaotischen Regenbedingungen des Japan Grand Prix Johann Zarco, einem Spezialisten für schwierige Verhältnisse, die perfekte Möglichkeit für ein Topresultat. Doch statt nach dem Podium oder gar dem ersten MotoGP-Sieg seiner Karriere greifen zu können, entwickelte sich das Rennen für den Franzosen zum Albtraum. Letztlich kosteten ihn knapp fünf Meter einen sicher geglaubten sechsten Platz, zehn WM-Punkte und den fünften Rang in der Fahrer-Weltmeisterschaft.

Was war passiert? Kurz vor Ende der 13. von 24 Rennrunden verlor Zarco am Ausgang des Tunnels in Turn 12 die Kontrolle über seine Ducati Desmosedici GP-23 und stürzte mit hoher Geschwindigkeit. Der Franzose blieb unverletzt, sein Motorrad überschlug sich aber mehrfach und blieb stark beschädigt im Kiesbett liegen. Nur Sekunden später wurde der Japan Grand Prix mittels Roter Flagge unterbrochen. Der Regen war zu stark geworden, die Bedingungen auf der Strecke zu gefährlich.

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Zarco erkannte die Situation sofort und versuchte, mitsamt seines Bikes an die Pramac-Box zurückzukehren, um beim Restart wieder teilnehmen zu können. Schließlich erlaubt dies das MotoGP-Reglement gestürzten Fahrern, wenn sie es innerhalb von fünf Minuten nach ihrem Ausfall aus eigener Kraft mitsamt des Motorrads in die Boxengasse zurückschaffen. Das gelang Zarco auch - und doch durfte er am Restart, der sofort wieder abgebrochen wurde, nicht teilnehmen.

Zarco kürzt ab: Boxengasseneinfahrt nicht passiert

"Ich bin kurz vor der Roten Flagge wegen Aquaplaning gestürzt. Ich versuchte, mein Bike zurückzubringen und habe das auch getan. Sie haben mein Ergebnis aber trotzdem nicht zählen lassen", berichtete der scheidende Pramac-Pilot am Sonntagabend in seiner Medienrunde. Das Problem: Er hatte einen kleinen Passus des Reglements missachtet. Der Fahrer muss, um teilnahmeberechtigt zu sein, nämlich die Boxengassen-Einfahrt durchfahren haben. Das geschah bei Zarco am Sonntag nicht: Er schob sein stark beschädigtes Motorrad über eine Service Road, wenige Meter von der Boxengasseneinfahrt entfernt, zurück in die Pitlane.

Ein solches Schild am Eingang der Boxeneinfahrt hätte Johann Zarco passieren müssen, Foto: LAT Images
Ein solches Schild am Eingang der Boxeneinfahrt hätte Johann Zarco passieren müssen, Foto: LAT Images

"Ich hätte das Schild mit '60 km/h' am Boxeneingang passieren müssen. Weil ich fünf Meter daneben vorbeigegangen bin, hat es nicht gezählt. Darüber bin ich ziemlich sauer", zeigte Zarco wenig Verständnis für die Entscheidung der MotoGP-Stewards. Weil er für den Restart nicht teilnahmeberechtigt war, wurde der Franzose auch nicht mehr klassifiziert, obwohl er Runde 12 [ausschlaggebend für das finale Ergebnis, Anm.] noch auf dem sechsten Rang beendet hatte. Somit blieb der nächstjährige Honda-Pilot punktlos und verlor Platz sechs in Fahrer-WM an Aleix Espargaro, der im Japan-GP bis zum Crash direkt vor Zarco lag.

Aufholjagd nicht belohnt: Turn 1 kostet Zarco mögliches Spitzenresultat

Besonders bitter: Der Franzose hatte bis zu diesem Zeitpunkt eine beachtliche Aufholjagd hingelegt. Schon in Kurve eins war er nämlich Opfer eines Fehlers von Marco Bezzecchi geworden, der sich verbremst hatte. Maverick Vinales musste ausweichen und kollidierte dabei mit Zarco, der wie schon im Sprint auf der Außenbahn Positionen gutmachen wollte. Beide Piloten gingen weit. Während Vinales zu Sturz kam, konnte Zarco nach einem Trip durch das Kiesbett zwar weiterfahren, lag dann aber abgeschlagen auf dem vorletzten Platz.

Johann Zarco kollidierte in der Startphase mit Maverick Vinales, Foto: LAT Images
Johann Zarco kollidierte in der Startphase mit Maverick Vinales, Foto: LAT Images

"Ich hatte einen guten Start, wurde in der ersten Kurve aber von Vinales getroffen, der selbst von jemandem berührt worden war. Ich bin glücklicherweise nicht gestürzt und habe gesehen, dass es stärker zu regnen begann", beschreibt Zarco, der am Ende der ersten Runde gemeinsam mit dem Großteil des Feldes zum Bikewechsel an die Box kam. Auf Regenreifen war der Franzose sofort schnellster Mann im Feld und fuhr in Runde drei die schnellste Rennrunde. "Der Wechsel war gut für mich, weil mein Rennen in Kurve eins eigentlich schon ruiniert war. Es war anfangs noch nicht zu nass, da konnte ich auf den Regenreifen viel Zeit aufholen.

Nach sieben Runden war Zarco wieder in den Top Ten angelangt, zu Beginn von Runde 12 schnappte er sich Platz sieben von Joan Mir. Ein weiterer Positionsgewinn folgte Momente später, als Miguel Oliveira mit Sichtproblemen an die Box zurückkehrte und aufgab. "Als der Regen stärker wurde, war es nicht einfach zu verstehen, wo das Limit liegt. Ich war aber immer noch schnell und habe Positionen gutgemacht", blickt der Pramac-Pilot zurück. Knapp drei Sekunden fehlten ihm zum Zeitpunkt des Sturzes in Runde 13 noch auf Espargaro und Bezzecchi, zwei weitere auf das Podium und sechseinhalb Sekunden zum späteren Rennsieger und Teamkollege Jorge Martin. Was ohne den Zwischenfall in Turn 1 wohl möglich gewesen wäre?