Francesco Bagnaia war bislang der dominierende Mann der MotoGP-Saison 2023. Nach dem Sprint von Barcelona führte er die Weltmeisterschaft bereits 66 Punkte vor Markenkollege Jorge Martin an. Der Große Preis von Katalonien könnte jedoch zu einem dramatischen Wendepunkt werden. Der amtierende Champion befand sich lange Zeit im Krankenhaus, kommt aber glimpflich davon: Keine Knochenbrüche erkannt.

Was war passiert? Bagnaia erwischte einen perfekten Start in das Hauptrennen in Barcelona und führte nach der ersten Kurve bereits deutlich vor Martin und Miguel Oliveira. Am Ausgang von Turn 2 verlor der Italiener dann jedoch das Heck seiner Ducati Desmosedici GP-23, er wurde per Highsider abgeworfen. Bagnaia landete inmitten der Strecke und wurde vom nachfolgenden Brad Binder getroffen. Der KTM-Pilot hatte nicht mehr ausweichen können und rollte mit seinem Motorrad über Bagnaias Beine.

Francesco Bagnaia flog per Highsider ab, Foto: Screenshot/MotoGP-Twitter
Francesco Bagnaia flog per Highsider ab, Foto: Screenshot/MotoGP-Twitter

Der WM-Führende blieb an der Unfallstelle liegen, das Rennen wurde - auch wegen einer Massenkollision in Turn 1 - sofort mit einer Roten Flagge unterbrochen. Mehrere Minuten wurde Bagnaia noch auf der Strecke behandelt, ehe er ins Medical Center des Circuit de Barcelona-Catalunya transportiert wurde.

Dort wurde Bagnaia einer ersten Untersuchung unterzogen. Ein Ergebnis kommunizierten die MotoGP-Ärzte bislang nicht. Vielmehr wurde noch während des Katalonien-GP verkündet, dass der Ducati-Pilot ebenso wie Teamkollege Bastianini zu weiteren Untersuchungen in ein lokales Krankenhaus in Barcelona verfrachtet wurde.

Update 15:45 Uhr - Binder beschreibt Unfallhergang

Unfallgegner Brad Binder gab nach Rennende in seiner Medienrunde zumindest eine kleine Entwarnung. "Ich habe ihm im Medical Center besucht und er ist in Ordnung, nur weiß ich nicht was mit den Füßen ist", sagte er gegenüber den versammelten Medienvertretern.

Den Unfallhergang beschrieb der KTM-Pilot wie folgt: "Ich sah nichts, bis ich dann Pecco und sein Bike mitten auf der Strecke liegen sah. Dann bin ich über etwas von seinem Bike drübergefahren und wurde durchgeschüttelt beim Versuch ihm auszuweichen. Da habe ich seinen Fuß getroffen. Es endete schlimm. Zum Glück habe ich gesehen, wie er sich bewegt hat. Er sah okay aus. Natürlich hat er sich wehgetan, aber er scheint in Ordnung zu sein."

Brad Binder konnte Pecco Bagnaia nicht mehr ausweichen, Foto: LAT Images
Brad Binder konnte Pecco Bagnaia nicht mehr ausweichen, Foto: LAT Images

Nur wenige Minuten später musste Binder schon wieder auf sein Motorrad steigen, der Katalonien-GP wurde neugestartet. "Das Schwerste ist, wieder weiterzumachen. Das gute ist, dass ich seine Bewegungen gesehen habe. Ich wusste, dass ich nur über den Fuß oder die Füße gefahren bin. Es war genug, um zu wissen, dass ich ihn wenigstens nicht komplett getroffen habe. Am Ende ist das der Albtraum jedes Fahrers. Ihn dort zu sehen ist gruselig, aber derjenige zu sein, der ihn getroffen hat, ist noch beschissener", ließ der KTM-Pilot tief blicken. Lange dauerte auch sein Rennen nicht, Binder rollte in Runde vier mit einem technischen Problem aus.

Update 16:10 Uhr - Bagnaia wohl ohne Knochenbruch

MotoGP-Arzt Dr. Angel Charte gab gegenüber den spanischen Kollegen von 'DAZN' ein erstes Update: "Pecco hat ein schweres Polytrauma erlitten, als er von einem Motorrad im Bereich der Oberschenkel und Schienbeine überfahren wurde. Wir haben Röntgenaufnahmen von diesem Bereich gemacht und eine kleine Verletzung festgestellt, von der wir nicht wissen, ob sie aktuell oder alt ist. Wir müssen dringend eine Computertomographie machen und haben ihn deshalb ins allgemeine Krankenhaus gebracht."

Bagnaia hatte sich bei einem Sturz im Jahr 2020 bereits einmal das Schienbein gebrochen. Er war seinerzeit im 1. Freien Training zum Grand Prix von Tschechien in Brünn gestürzt und musste anschließend operiert werden. Er verpasste zwei Rennen verletzt. "Das Bild, das wir gesehen haben, stammt aus der konventionellen Radiologie, daher ist es schwierig, sicher zu sein, dass keine Fraktur vorliegt. Es ist eine Computertomographie erforderlich", erklärt Dr. Charte.

Die ersten Informationen, die mittlerweile aus Barcelona durchgesickert sind, geben Entwarnung: Bagnaia hat sich wohl den Oberschenkelknochen und einen Teil des Schienbeins beschädigt. Er soll aber ohne Knochenbruch davon gekommen zu sein. Ein CT-Scan im Krankenhaus von Barcelona muss diese Vermutung final bestätigen. Teamkollege Bastianini hatte wohl weniger Glück: 'La Bestia' soll sich zwei Frakturen an einem Finger und am linken Knöchel zugezogen haben. Ihm droht eine Operation und der nächste längerfristige Ausfall.

Dabei handelt es sich jedoch nicht um offizielle Informationen und sind daher mit äußerster Vorsicht zu genießen.

Update 17:25 Uhr - Wie kam es zu Bagnaias Highsider?

Die große Frage lautet natürlich nun, wie es überhaupt zu Bagnaias dramatischem Highsider kommen konnte? Jack Miller vermutet, dass sein Ex-Teamkollege den Hinterreifen in der Aufwärmrunde nicht stark genug erhitzt hat. Luca Marini stellte die gleiche These auf. Bewölkter Himmel hatte für 'lediglich' 33 Grad Streckentemperatur gesorgt, im Vorjahr waren es noch über 50 Grad. Dies könnte dafür gesorgt haben, dass Bagnaias Hinterreifen beim Beschleunigen durchdrehte und das Heck schließlich ausbrach. Der Grip in Barcelona ist ohnehin nur sehr gering.

Iker Lecuona berichtete außerdem von einige Regentropfen auf seinem Helmvisier zum Zeitpunkt des Sturzes. Tatsächlich wurde das gesamte Wochenende über vor Gewittern und Niederschlag gewarnt, während Qualifying, Sprint und Warm Up hatte es immer wieder für kurze Zeit leicht getröpfelt. Im Hauptrennen wurden allerdings zu keinem Zeitpunkt Regenflaggen geschwenkt. Dafür wurden jedoch deutlich höhere Windgeschwindigkeiten gemessen. Auf der Start-Ziel-Geraden - und damit auch am Ausgang von Turn 2 - herrschte Rückenwind. Das könnte zusätzlich zum Highsider beigetragen haben.

Marc Marquez schloss sich jedoch der Vermutung von Miller und Marini an. "Ich weiß nicht, was passiert ist. Vielleicht hatte er ein Elektronik-Problem, das glaube ich aber eigentlich nicht. Ich habe aber heute morgen im Warm Up gemerkt, dass es lange dauert, um die linke Seite des Medium-Hinterreifen aufzuwärmen. Das könnte der Grund sein. Wenn du so viel Selbstverständnis hast wie er, kann dir so ein Fehler passieren", sagte er am Sonntagabend.

Der Honda-Star hatte jedenfalls besten Blick auf die Geschehnisse, obwohl er mitten im Feld unterwegs war: "Pecco hatte einen beängstigenden Sturz. Ich habe seinen Highsider direkt gesehen, weil ich in dieser Kurve gerne weit nach vorne schaue, um zu sehen, was vor mir passiert. Ich bin sofort vom Gas gegangen, weil ich wusste, dass Fahrer und Bike auf der Strecke liegen bleiben würden. Binder hat ihn getroffen, aber nur am Bein. Die gesamte MotoGP-Familie hatte heute viel Glück."

Francesco Bagnaia kam ohne schwerwiegende Verletzungen davon, Foto: LAT Images
Francesco Bagnaia kam ohne schwerwiegende Verletzungen davon, Foto: LAT Images

Update 18:55 Uhr - Ducati gibt Entwarnung

Fast fünf Stunden nach seinem Unfall gab das Ducati-Team am Sonntagabend Entwarnung. Die Roten kommunizierten Bagnaias Diagnose: "Francesco Bagnaia Bagnaia hat mehrere Prellungen erlitten, aber weitere medizinische Untersuchungen haben keine Brüche ergeben. Der amtierende Champion wird heute Abend mit dem Team nach Italien fliegen." Eine Operation wird also nicht notwendig sein, der 25-jährige kam glücklich davon.

In der Weltmeisterschaft liegt Bagnaia nach dem Katalonien-GP noch 50 Punkte vor Martin und 71 Zähler vor VR46-Academy-Kollege Marco Bezzecchi. 18 Rennen sind in den kommenden 12 Wochen noch zu absolvieren. Bereits kommendes Wochenende steht Bagnaias Heimrennen in Misano an. Ob er dort starten kann, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch unklar.