In der Formel 1 ist die Diskussion um Stallorder allgegenwärtig. Nicht nur einmal wurde etwa Ferrari in dieser Saison vorgeworfen, Kimi Räikkönens Rennen zugunsten der teaminternen Nummer eins Sebastian Vettel geopfert zu haben. In der MotoGP haben vier Rennen vor Schluss der Saison 2017 noch drei Fahrer realistische Chancen auf den Weltmeistertitel: Marc Marquez auf Honda, Andrea Dovizioso auf Ducati und Maverick Vinales auf Yamaha. Was spricht also dagegen, die jeweiligen Teamkollegen Dani Pedrosa, Jorge Lorenzo und Valentino Rossi zu Adjutanten im Titelkampf zu machen?

So einiges! Aus allen drei Lagern gab es bislang klare Absagen an mögliche Stallorder im Saisonfinale. Weil allen in der MotoGP involvierten Personen, vom Fahrer bis zum Höchstverantwortlichen, ehrlicher Sport das Wichtigste ist und sie dafür sogar der Konkurrenz einen Weltmeistertitel überlassen würden? Vielleicht. Das eindeutige Bekenntnis zu freiem Racing, auch zwischen Teamkollegen, hat aber wohl andere Gründe.

In der so unglaublich engen und ausgeglichenen MotoGP-Saison 2017 ist Teamorder schlicht und ergreifend nur selten sinnvoll und dann noch dazu wahnsinnig schwer umzusetzen. Ein Blick auf die bisherigen 14 Saisonrennen zeigt das ganz deutlich. Um Stallregie einigermaßen vertretbar zu machen, müssen die beiden Piloten eines Teams ja zuerst einmal in der entscheidenden Phase eines Rennens auf zwei hintereinander folgenden Positionen im Klassement liegen. Blicken wir also in die bis jetzt vorhandenen Endergebnisse der MotoGP Saison 2017.

MotoGP 2017: Kaum Chancen auf Stallorder

Sechs Mal kamen die Repsol-Honda-Teamkollegen Marc Marquez und Dani Pedrosa da in einer derartigen Konstellation in Ziel. Wertet man Valentino Rossis Ausfall wenige hundert Meter vor Ende des Frankreich-Grand-Prix als Zielankunft, war das bei ihm und Yamaha-Stallgefährte Maverick Vinales sieben Mal der Fall. Ducati kam mit Andrea Dovizioso und Jorge Lorenzo noch gar nie in diese Situation. Verlaufen die letzten vier Saisonrennen ähnlich wie die bisherigen 14, wird es für keinen der drei Spitzenhersteller wirkliche Möglichkeiten geben, im Kampf um die Weltmeisterschaft sinnvoll einzugreifen.

In derartigen Kämpfen bleibt kein Raum für Teamregie, Foto: LAT Images
In derartigen Kämpfen bleibt kein Raum für Teamregie, Foto: LAT Images

In jedem einzelnen Rennen, das die Yamaha-Teamkollegen auf hintereinander folgenden Positionen beendeten, lag Maverick Vinales vor Valentino Rossi. Ein Vorbeiwinken Vinales' durch seinen routinierten Stallgefährten war bislang also noch nie sinnvoll. Kaum anders ist die Situation bei Honda. Da lag Dani Pedrosa nur bei seinem Sieg in Jerez direkt vor Marc Marquez.

Nun ist es natürlich durchaus möglich, dass sich entgegen den bisherigen Resultaten doch das ein oder andere Mal Pedrosa, Lorenzo oder Rossi vor ihren im WM-Kampf befindlichen Teamkollegen wiederfinden. Doch selbst dann wird es sich wahrscheinlich überaus schwierig gestalten, einen Positionstausch durchzuführen. Denn die MotoGP-Rennen 2017 sind so eng wie nie zuvor. In der Hälfte der bisherigen 14 Grands Prix entschieden 1,281 Sekunden über den Sieg und Platz zwei, auf den folgenden Rängen ging es meist ähnlich knapp her. Hier eine teaminterne Rochade zu wagen, kann auch ganz schnell nach hinten losgehen.

Formationsflüge von einzelnen Teams - hier Pedrosa und Marquez - sind 2017 die Ausnahme, Foto: Repsol
Formationsflüge von einzelnen Teams - hier Pedrosa und Marquez - sind 2017 die Ausnahme, Foto: Repsol

MotoGP-Stallorder 2017? Ein Fazit

Zwar können Stallorder im Saisonfinale nicht völlig ausgeschlossen werden, in Anbetracht aller Tatsachen scheinen sie in der MotoGP 2017 aber doch sehr unwahrscheinlich. Wir dürfen uns also auf einen spektakulären Endspurt des Jahres freuen. Und sollte sich doch ein Fahrer aus dem Trio Marquez-Dovizioso-Vinales vorzeitig zum Weltmeister krönen, dann wohl aus eigener Kraft und nicht durch kampfloses Platzmachen seitens des Teamkollegen. So, wie es im Rennsport eben sein sollte.