Die erste Ausgabe des Tokio ePrix hatte direkt einen faustdicken Überraschungssieger parat: Maserati-Pilot Maximilian Günther. Mit einer enorm abgeklärten und souveränen Leistung konnte sich der Deutsche vor Pole-Setter Oliver Rowland den Premierensieg in der japanischen Hauptstadt sichern und verhinderte damit einen Nissan-Heimerfolg. Durch seinen Überraschungssieg ist Günther der fünfte unterschiedliche Gewinner im fünften Rennen der Formel-E-Saison 2024. Jake Dennis machte zwei Positionen gut und sicherte sich den verbleibenden Podestplatz.

Es folgten die beiden Porsche-Piloten Antonio Felix da Costa und Pascal Wehrlein. Der Deutsche konnte mit dem fünften Platz trotz Frontflügel-Schaden den Vorsprung auf den WM-Führenden Nick Cassidy, der auf dem siebten Platz ins Ziel kam, eliminieren und steh nun an der Spitze. Außerdem konnte Nico Müller mit Platz sechs die ersten Punkte für Abt-Cupra in dieser Saison sammeln.

Maximilian Günther verhindert das Nissan-Märchen

Bereits nach den ersten Runden des Rennes wurde klar, dass Rowland und Günther den Tagessieg unter sich ausmachen werden. Für den Briten ging das Wochenende enorm vielversprechend los. Mit zwei Hundertstel Vorsprung sicherte sich der Nissan-Fahrer die Pole Position vor Maximilian Günther. Bis in das letzte Drittel des Rennens sah alles nach einem Nissan-Märchen aus. Rowland führte das Feld souverän an und war auf dem Weg, bei der ersten Ausgabe des Tokio ePrix direkt für einen Heimsieg zu sorgen. Doch dann ging dem Briten die Energie aus. Nutznießer war Günther, der vor der schnellen Schikane am auf die Seite gefahrenen Rowland vorbeiziehen konnte und seine Führung bis zum Schluss nicht mehr hergab. Der Deutsche hatte mit seinem Energieeinsatz besser gewirtschaftet.

Trotz aller Widrigkeiten: Wehrlein nun punktgleich an WM-Spitze

Für Pascal Wehrlein war der Tokio ePrix ein Wechselbad der Gefühle. Von dem sechsten Platz in da Rennen gegangen, fand der Deutsche bereits früh einen Weg an Sergio Sette Camara vorbei und konnte mit dem Spitzenquartett mithalten. Doch nach einem Duell mit beiden Andretti-Piloten trug Wehrlein zur Hälfte des Rennens einen Frontflügelschaden davon, was die Leistung seines Porsches sichtbar reduzierte. Doch ein spätes Safety-Car sowie ein Überholmanöver gegen Edoardo Mortara in der letzten Runde bedeuteten Schadensminimierung für den Deutschen, der durch den siebten Platz seines WM-Konkurrenten Nik Cassidy der neue Gesamt-Führende der WM ist.

Pascal Wehrlein im Porsche
Pascal Wehrlein hatte einen großen Teil des Rennens mit einem kaputten Frontflügel zu kämpfen, Foto: LAT Images

Beim Jubiläum: Jaguar mit Desaster-Rennen in Tokio

Für den bisherigen Klassenprimus Jaguar war der Tokio ePrix ein Desaster. Lediglich sechs Punkte nahm das Team aus ihrem 100. Rennen in der Formel E mit. Bereits das Qualifying sollte sich als schlechtes Omen erweisen. WM-Führender Nik Cassidy musste von der vorletzten Startreihe aus in das Rennen starten. Die Aufholjagd bis auf den siebten Platz war zwar ein positives Zeichen, doch diese kann höchstens als Schadensminimierung bezeichnet werden. Für seinen Teamkollegen Mitch Evans lief es noch schlechter. Er purzelte nach einer Kollision mit Lucas di Grassi in Kurve 9 komplett aus den Punkterängen.

Mitch Evans nach Crash im Jaguar
Unfall von Mitch Evans, Foto: LAT Images

Mortara schmeiß erste Mahindra Punkte weg

Eigentlich schien Edoardo Mortara für eine weitere schöne Geschichte in Tokio zu sorgen. Sein Team Mahindra hatte im Vorfeld des Tokio ePrix noch keine Punkte sammeln können. Doch nach einem sensationellen Qualifying ging der Schweizer von dem dritten Platz in das Rennen und hatte damit mehr als gute Chancen, den Punktefluch zu beenden.

Zunächst schien ihm das auch zu gelingen. Mit einem sichtbar unterlegenen Arbeitsgerät wehrte sich Mortara mit allen Mitteln und konnte bis sich bis zum Schluss in der Spitzengruppe behaupten. Auf dem sechsten Platz überquerte er die Ziellinie und hätte damit ganze acht Punkte eingefahren. Doch die Freude währte nur kurz.

Denn kurz nach dem Ende des Rennens gab die Rennleitung bekannt, den Mahindra-Piloten zu disqualifizieren. Der Grund: Zu hoher Energieeinsatz. Dadurch rückte unter anderem Nico Müller eine Position nach vorne und erbte die Position Mortaras. Damit hat Mahindras Kundenteam Abt-Cupra noch vor dem Werksteam Punkte in der Formel-E-Saison 2024 einfahren können.

Von Start bis Ziel: So verlief der Tokio ePrix

Der Start: In einer weitestgehend sauberen Startphase konnte Oliver Rowland seine Führungsposition direkt behaupten. Edoardo Mortara, der nach einer starken Qualifying-Performance von dem dritten Platz in das Rennen startete, schob sich noch vor Kurve 1 an Maximilian Günther vorbei. Vom Start weg machte Pascal Wehrlein Druck auf Sette Camara. Nach einigen erfolglosen Überholversuchen fand der Porsche-Fahrer in Runde 3 einen Weg am Brasilianer vorbei.

Die erste Rennhälfte: In Runde 6 kam es zum ersten Zwischenfall. Jake Hughes schlug in Kurve in die Barriere ein. Der McLaren-Pilot wurde von Lucas Di Grassi in Kurve 4 in die Bande gedrängt. Hughes konnte sich nach einigen Sekunden aus der Bande befreien, wodurch kein Safety-Car ausgerufen werden musste. Das Rennen war für ihn und seinen Teamkollegen Sam Bird allerdings wenige Runden später ohnehin vorbei. McLaren holte in Runde 11 beide Piloten an die Box, die dadurch an das Ende des Feldes purzelten.

Wie zu erwarten, gestaltete sich das Überholen in Tokio als ein schwieriges Unterfangen. Die Top-7 blieb eng beieinander, wobei sich Spitzenreiter Rowland langsam, aber sicher absetzen konnte. Währenddessen lieferten sich seine Verfolger ein hartes Duell um den zweiten Platz. Vor allem der letztjährige Weltmeister Jake Dennis setzte seine Vordermänner Maximilian Günther und Edoardo Mortara gehörig unter Druck. Pascal Wehrlein setzte als erster Pilot aus den Top-5 seinen Attack-Mode ein, doch an Jake Dennis führte kein Weg vorbei.

In Runde 12 schob sich Günther an Mortara vorbei, der die Truppe hinter Rowland zunehmend aufhielt. Der Deutsche machte direkt weiter und setzte den Führenden Rowland unter Druck, ehe dieser das erste Mal seine Batterie wieder auflud. Zur Mitte des Rennens gestaltete sich die Top-4 unverändert, doch Jake Dennis hatte die erste Rennhälfte ohne Attack-Mode-Einsatz überstanden. Keiner der Piloten schien sich auf der neuen Strecke in der japanischen Hauptstadt ein übermäßiges Risiko eingehen zu wollen.

Die zweite Rennhälfte: In der zweiten Hälfte nahm das Rennen an Fahrt auf. Zunächst verschätzte sich Mitch Evans beim Eingang in Kurve 6 und beschädigte dabei seinen Frontflügel. Daraufhin duellierten sich die beiden Andrettis mit den Porsche-Fahrern Wehrlein und Da Costa - mit dem schlechteren Ende für den Deutschen. Wehrlein fiel, ebenfalls mit einem Frontflügel-Schaden, auf den achten Platz zurück. Da Costa konnte sich auf Platz vier vorarbeiten, dazwischen die beiden Andretti-Piloten.

Weiter hinten im Feld kollidierten Lucas di Grassi und Nyck de Vries. Beide schieden aus dem Rennen aus, di Grassi war in der Box daraufhin sichtbar aufgebracht. Die harten Duelle hatten ihren Preis. Aufgrund von zu vielen Trümmerteilen auf der Strecke musste in Runde 20 das Safety Car ausgerufen werden.

In Runde 23 wurde das Rennen wieder freigegeben. Oliver Rowland erwischte Maximilian Günther zunächst auf dem falschen Fuß und setzte sich beim Restart ab, doch nach einigen Kurven hatte sich der Deutsche wieder an das Nissan-Heck gearbeitet. Mit den zunehmenden Runden wurde sichtbar, dass Rowland und Günther den Sieg unter sich ausmachen werden.

In Runde 25 war es dann so weit. Vor der schnellen Schikane zog Günther am Nissan-Piloten vorbei. Rowland ging extrem früh vom Gas und ließ den Deutschen beinahe kampflos vorbeiziehen. Der wurde unmittelbar von seinem Team angewiesen, eine Lücke auf seinen schwächelnden Verfolger herauszufahren. Trotz Attack-Mode-Vorteil konnte sich der Günther zwar nicht von Rowland lösen, doch gefährlich wurde der Nissan-Fahrer schlussendlich nicht mehr. Parallel setzte sich die Top-5 deutlich vom Rest des Feldes ab.

In Runde 30 holte sich Mortara noch einmal den Attack-Mode, musste dadurch allerdings zwei Positionen hergeben. Da Costa und Dennis zogen vorbei. Direkt dahinter holte sich Wehrlein ebenfalls den Attack-Mode für die letzten Runden des Rennens. Die Rennleitung addierte aufgrund des Safety-Cars noch einmal zwei Runden auf die komplette Renndistanz.

Zwei Runden vor Schluss sorgte Robin Frijns für den nächsten Aufreger. Nach einem Überholversuch gegen Andretti-Fahrer Sato kam es in Kurve 8 zur Kollision. Der Franzose bekam von der Rennleitung eine 5-Sekunden-Strafe aufgebrummt, Frijns fiel bis auf Platz 10 zurück. Kurz darauf kam es zum Positionswechsel auf den Podestplätzen. Antonio da Costa riskierte es in Kurve 1 noch einmal, an Oliver Rowland vorbeizuziehen. Doch der Brite verteidigte stark, wodurch da Costa an Schwung verlor und dadurch auch noch Jake Dennis vorbeilassen musste.

In der letzten Runde wollte es Rowland noch einmal wissen und attackierte den weiterhin souverän fahrenden Günther im Kampf um die Führung. Doch der Deutsche behauptete stets die Innenseite und ließ sich den Sieg am Ende nicht mehr nehmen. Auch Jake Dennis brachte seinen dritten Platz nach einem Zweikampf mit da Costa über die Ziellinie. Wehrlein kassierte in der Schlussrunde noch Mortara ein und beendete das Rennen auf einem schlussendlich versöhnlichen fünften Platz.