Ein Rennwagen in matter Lackierung: Vordergründig geht Mahindra in der Formel-E-Saison 2024 mit einem optisch überarbeiteten Fahrzeugdesign an den Start. Viel relevanter ist aber, was sich im Hintergrund des indischen Automobilgiganten abspielt. Nach der abgelaufenen Katastrophen-Saison - Mahindra war der mit Abstand schwächste Hersteller im Starterfeld - hat sich hinter den Kulissen so einiges geändert.

Mit Jeremy Colancon hat Mahindra nun eine weitere Schlüsselfigur zum Team um Geschäftsführer Frederic Bertrand gelotst. Der Franzose kommt von Maserati und war beim monegassischen Rennstall zuletzt als Chefingenieur angestellt. Schon seit Ende 2018 zu Zeiten von Venturi, dem Vorgänger und heutigem Einsatzteam von Maserati, war Colancon als Renningenieur an Bord.

Maximilian Günther und Maserati-Chefingenieur Jeremy Colancon beim Formel-E-Rennen in Jakarta 2023
Jeremy Colancon und Maximilian Günther nach dessen Jakarta-Sieg 2023, Foto: LAT Images

Jeremy Colancon: Ingenieur des Jahres 2021

2021 wurde er von der Formel E als 'Ingenieur des Jahres' ausgezeichnet, nachdem Venturi-Pilot Edoardo Mortara - jetzt ebenfalls bei Mahindra - die Vize-Weltmeisterschaft hinter Nyck de Vries - damals Mercedes, heute auch Mahindra - gewonnen hatte. Zu dieser Zeit startete Venturi mit den starken Kundenmotoren des Stuttgarter Autobauers und belegte 2022 den zweiten Platz in der Team-WM hinter Lieferant Mercedes.

Colancons Kenntnisse über die Formel E reichen noch viel weiter zurück, faktisch war er seit dem Debüt der Elektro-Serie 2014 durchgängig mit von der Partie. Zunächst arbeitete er für das dominante Renault e.dams-Team, das von 2014/15 bis 2016/17 dreimal in Folge die Team-Meisterschaft und mit Sebastien Buemi (2015/16) auch den Fahrer-Titel holte. Colancon war damals parallel zu seinen Aufgaben in der Formel E für das DAMS-Team in der Formel Renault 3.5 als Performance-Ingenieur für den heutigen F1-Fahrer Carlos Sainz zuständig.

Mahindra präsentiert sein Rennauto für die Saison 2024 in der FIA Formel E
So sieht der Mahindra-Rennwagen für die Formel-E-Saison 2024 aus, Foto: Mahindra

Nyck de Vries: "Idee, etwas Großes aufzubauen, gefällt mir"

Colancon bildet ein weiteres Puzzleteil in Mahindras Plänen, wieder Anschluss zu den Top-Teams in der Formel E zu finden. Zu diesem Vorhaben zählt auch die Verpflichtung des erfahrenen Ingenieurs Tony Ross, mit dem Mahindra-Neuzugang de Vries schon bei Mercedes zusammenarbeitete, und der jetzt zum Management der Inder stößt.

"Innerhalb des Teams wurden schon einige Änderungen vorgenommen und es wird noch weitere Verpflichtungen geben", sagte de Vries kurz nach seiner Rückkehr in die Formel E zu Motorsport-Magazin.com. "Die Idee, mit der Zeit hier etwas Großes aufzubauen, gefällt mir, und ich teile diese Vision." Mahindra-Racing-CEO Bertrand dürfte dem aus der Formel 1 rausgeworfenen Niederländer das Elektro-Comeback mit der Ankündigung zahlreicher Top-Ingenieure noch ein wenig schmackhafter gemacht haben.

Mahindra präsentiert sein Rennauto für die Saison 2024 in der FIA Formel E
Mahindra im neuen Look - Technische Veränderungen sind nicht erlaubt, Foto: Mahindra

Mahindra rüstet sich für die Formel-E-Zukunft

Trotz einer der stärksten Fahrerpaarungen in der Formel E und den personellen Verstärkungen im operativen Bereich dürfte Mahindra eine weitere schwierige Saison bevorstehen. Die Gen3-Autos sind aus Kostengründen für zwei Jahre eingefroren, Verbesserungen sind ausschließlich im Software-Bereich möglich. An eine 'Wunder-Heilung' glaubt niemand, die Konkurrenten Jaguar und Porsche waren zuletzt meilenweit entfernt und starten als Favoriten ins neue Jahr.

Es könnte bei Mahindra eher auf eine Übergangs-Saison mit möglichen Highlights hinauslaufen, während im Hintergrund bereits die Planungen für das Gen3-Evo-Auto ab 2025 begonnen haben. Für den überarbeiteten Boliden mit weicheren Hankook-Reifen und der Möglichkeit, den Frontmotor erstmals auch zur Leistungsabgabe einzusetzen, bieten sich viele neue Möglichkeiten im Engineering. Dazu feilen Hersteller wie Mahindra bereits an der Entwicklung des künftigen Gen4-Autos, das ab 2026/27 die nächste technologische Ära einleiten soll.