Es war einer der überraschenderen Wechsel in der Formel E: Edoardo Mortara hat den monegassischen Rennstall Venturi bzw. Nachfolger Maserati nach sechs gemeinsamen Jahren Ende 2023 verlassen. Der Italo-Schweizer galt beim monegassischen Rennstall lange Zeit als sichere Bank, sucht nach einer schwierigen Saison aber bei Mahindra eine neue Herausforderung. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, schließlich hatte der Automobilgigant aus Indien das schwächste Gen3-Auto entwickelt.

Mortara, 2016 DTM-Vizemeister mit Audi und 'Mister Macau' mit fünf Gesamtsiegen im Formel und GT3, zählt seit Jahren zu den stärksten Fahrern im Starterfeld der Formel E. 2021 gewann er hinter de Vries die Vize-Weltmeisterschaft, 2022 ließ er den dritten Gesamtrang folgen.

Nur 2023, im ersten Jahr von Maserati und einem Kundenauto von DS statt von Mercedes, wollte es überhaupt nicht laufen. Mortara konnte seinen bisherigen sechs Siegen und 13 Podestplätzen keinen weiteren hinzufügen und landete nur auf dem 14. Platz. Seinem Teamkollegen Maximilian Günther war der 36-Jährige deutlich unterlegen.

Motorsport-Magazin.com hatte kurz nach Mortaras Mahindra-Wechsel die Gelegenheit zu einem exklusiven Online-Interview. Über die Gründe für den Abschied nach so vielen Jahren, Gerüchte über eine Rückkehr zu Abt Sportsline, Teamkollege Nyck de Vries und Co.

Edo, was führte zu deinem Wechsel von Maserati zu Mahindra?
Edoardo Mortara: Ich habe mich entschieden, mich auf ein neues Projekt einzulassen, und hatte einige Gespräche mit den Leuten bei Mahindra. Und recht schnell stellte sich heraus, dass wir sehr ähnliche Werte teilen. Es gibt eine Menge Potenzial hier, und ich bin sehr glücklich darüber, dass wir uns auf eine Zusammenarbeit einigen konnten. Ich freue mich sehr darauf, in der Formel E mit Mahindra zu fahren.

Mahindra hatte 2023 allerdings das schwächste Gesamtpaket in der Formel E, und die Autos sind für die kommende Saison eingefroren. Droht ein weiteres Jahr am Ende des Feldes?
Edoardo Mortara: Die Fahrzeugtechnik ist für zwei Jahre festgelegt, aber wir haben immer noch Spielraum für die Weiterentwicklung des Autos durch Softwareanpassungen und Setup-Arbeiten. Ich glaube, dass wir, wenn wir gut als Team zusammenarbeiten, die Möglichkeit haben, dieses Paket wettbewerbsfähiger zu machen. Ob wir Rennen gewinnen werden, das kann ich nicht vorhersagen, und ich erwarte es auch nicht. Aber ich möchte auf jeden Fall sehen, dass wir uns verbessern. Und wenn es ein neues Paket gibt, dann sind wir bereit, von Anfang an vorne mitzufahren. Das ist unser Ziel.

Du zählst zu den dienstältesten Fahrern in der Formel E und bist sechs Jahre lang für Venturi respektive Nachfolger Maserati gefahren. Fiel dir der Abschied schwer?
Edoardo Mortara: Es scheint, als wären sechs Jahre eine Art Limit für mich. Ich war sechs Jahre lang bei Audi, sechs Jahre bei Mercedes und sechs Jahre bei Venturi, wo wir ja auch mit Mercedes-Motoren gefahren sind. Nach sechs Jahren bei Venturi bzw. Maserati hatte ich das Gefühl, dass es Zeit für eine neue Herausforderung ist, um neue Dinge zu erleben sowie als Rennfahrer und Mensch zu wachsen. Das letzte Jahr war definitiv kein gutes Jahr für mich, aber es hat mich viel gelehrt und mir gezeigt, dass ich eine neue Herausforderung brauchte.

Portrait der Mahindra-Formel-E-Piloten Edo Mortara und Nyck de Vries
Neues Mahindra-Duo: Edoardo Mortara und Nyck de Vries, Foto: Mahindra Racing

Von wem ging die Trennung aus?
Edoardo Mortara: Das sind ja nie einseitige Entscheidungen. Wir haben uns mit Venturi zusammengesetzt und aufgrund unserer jeweiligen Ansichten geschaut, ob wir weitermachen sollten oder nicht. Das war alles.

Wann fiel die Entscheidung, zu Mahindra zu wechseln?
Edoardo Mortara: Wann genau ich mich entschieden habe, ist nicht wichtig. Wichtig ist, wann die Entscheidung bekannt gegeben wurde.

In gewissen Medien wurde spekuliert, dass du zu deinem früheren DTM-Team Abt Sportsline in die Formel E zurückkehren könntest. Gab es dazu Kontakt?
Edoardo Mortara: Nein, es gab nie konkrete Gespräche mit Thomas Biermaier oder den Abt-Leuten bezüglich eines möglichen Engagements in der Formel E. Ich war auch überrascht, so viele Gerüchte und Artikel darüber zu lesen, dass ich zu den Äbten zurückkehren würde. Tatsächlich hatte ich während des Sommers überhaupt keinen Kontakt zu ihnen.

Mortara hat Venturi/Maserati nach sechs Jahren verlassen, Foto: LAT Images
Mortara hat Venturi/Maserati nach sechs Jahren verlassen, Foto: LAT Images

Für deine Verhältnisse und nach den starken Vorjahren hast du eine Katastrophen-Saison 2023 erlebt. Weißt du inzwischen, was schiefgelaufen ist?
Edoardo Mortara: Ich würde nicht sagen, dass das eine Katastrophen-Saison war. Es war sicherlich kein gutes Jahr. Insbesondere in der ersten Saisonhälfte hatten wir Schwierigkeiten, das neue Auto zu verstehen. Wir waren nicht wirklich bereit für den Saisonstart. Ich habe im Laufe des Jahres mehrmals den Ingenieur gewechselt, was nie eine gute Sache ist. Die Umgebung im Team hat mir nicht geholfen, meine Leistung abzurufen. Die Dinge begannen sich zu verbessern, aber es war insgesamt eine Achterbahnfahrt zwischen der Off-Season und dem Saisonbeginn. Wir haben einige Dinge geändert, aber die liefen leider nicht in meine Richtung, obwohl ich 2022 eine sehr, sehr gute Saison hatte. Es ist schwierig, als Fahrer in solchen Situationen zu glänzen. In der zweiten Saisonhälfte lief es besser. Ich hatte viel Pech, aber auch einige ordentliche Leistungen. Und wir haben einige Punkte geholt, was wichtig war.

Was erwartest du dir von der Zusammenarbeit mit deinem neuen Teamkollegen Nyck de Vries?
Edoardo Mortara: Eigentlich sollten Nyck und ich vor etwa zwölf Monaten schon Teamkollegen sein, wie man ja in der Presse lesen konnte (De Vries soll vor seinem Wechsel in die Formel 1 einen Vorvertrag bei Maserati unterschrieben haben; d. Red.). Wir haben bereits zusammengearbeitet, wenn auch nicht direkt im selben Team. Wir waren in Schwesterautos bei Mercedes. Ich freue mich, Nycks Teamkollege zu sein, und ich schätze ihn sehr hoch ein. Er hat in seiner Karriere viel gewonnen und verfügt über ein gutes Verständnis und eine gute Mentalität, wenn es um die Entwicklung und das Auto geht. Ich bin sicher, dass wir gemeinsam gute Ergebnisse für Mahindra erzielen können.

Mortara erlebte eine schwierige Saison 2023 mit Maserati, Foto: LAT Images
Mortara erlebte eine schwierige Saison 2023 mit Maserati, Foto: LAT Images

Kann Mahindra von eurem großen Erfahrungsschatz in der Formel E profitieren?
Edoardo Mortara: Ja, ich denke schon. Wir haben beide gezeigt, dass wir in der Lage sind, gute Ergebnisse zu erzielen, wenn die Bedingungen stimmen und das Umfeld passt. Jetzt liegt es an uns, dieses Umfeld zu schaffen. Ich sehe große Motivation und Entschlossenheit bei den Leuten von Mahindra.

Erwartest du durch den Wechsel eine große Umstellung für dich persönlich?
Edoardo Mortara: Schau, in der Formel E hatte ich nie eine komplette Saison mit demselben Ingenieur. Manchmal lief es von Beginn an gut, andere Male brauchte es eine gewisse Zeit. Man lernt dadurch aber, mit verschiedenen Menschen umzugehen, und man lernt, sich anzupassen. Natürlich wird es mit Mahindra zu Beginn nicht ganz easy sein, da wir erst jetzt zusammenarbeiten und es nicht viel Zeit gibt, bevor die Saison beginnt. Wenn wir motiviert und entschlossen genug sind, denke ich, dass wir es schaffen können.

Mortara zählt mit 79 Rennen zu den Veteranen der Formel E, Foto: LAT Images
Mortara zählt mit 79 Rennen zu den Veteranen der Formel E, Foto: LAT Images

Was sind deine Ziele für die Saison 2024 in der Formel E?
Edoardo Mortara: Das Ziel ist immer, Rennen zu gewinnen, wettbewerbsfähig zu sein und an der Spitze mitzufahren. Ich sage nicht, dass wir das im ersten Jahr schaffen werden, aber das ist unsere Vision und unser Ziel. Es wird sicherlich eine Menge Arbeit erfordern, denn in der Formel E dauert es eine Weile, um Veränderungen herbeizuführen. Aber wenn wir gut zusammenarbeiten, bin ich zuversichtlich, dass wir die Dinge nach und nach zum Besseren wenden können.