Die Motorrad-Weltmeisterschaft (heute: MotoGP) gibt es seit 1949. Doch die älteste motorisierte Zweirad-WM ist sie damit nicht. Dieses Attribut gehört der Speedway-WM, die bereits seit 1936 existiert. Speedway ist in der deutschsprachigen Motorsport-Welt eine Randsportart. Die Heat-Rennen der mit Methanol betriebenen Leichtgewicht-Bikes ohne Bremsen auf Schotterstrecken verfügen aber vor allem in Nord-Deutschland und in Bayern über eine treue Basis.

International geben Nationen wie Polen, Dänemark, Schweden, Großbritannien oder Australien den Ton an. Aus diesen Ländern kommen auch die großen Favoriten, wenn heute (27.April), die Speedway-GP-Saison 2024 im kroatischen Donji Kraljevec beginnt. Zum ersten Mal seit 2014 steht mit Kai Huckenbeck wieder ein Deutscher als Stammfahrer bei der WM am Start. Motorsport-Magazin.com hat sich zum Interview mit ihm getroffen.

SpeedwayGP-Fahrer Kai Huckenbeck, Portrait-Aufnahme
Kai Huckenbeck startet 2024 im Speedway GP, Foto: FIM Speedway

Kai Huckenbeck im Interview: Was macht Speedway so besonders?

MSM: Es gibt in der Welt des Motorsports und im Motorradsport viele verschiedene Disziplinen und Kategorien. Was treibt einen dann dazu an, sich ausgerechnet auf Bikes ohne Bremsen zu begeben? Was ist für dich dieser große Reiz an Speedway?
Eigentlich ist das bei mir dadurch entstanden, dass ich in Werlte (Niedersachsen, d. Red.) aufgewachsen bin und dass ich schon im jungen Alter an den Club geraten bin und immer nur Motorrad fahren wollte. Die meisten gehen ja in Richtung Motorcross, aber bei uns gab es eine Spezial- bzw. eine Langbahn. Auf diese Art und Weise bin ich dann so reingewachsen. Und wenn man das von klein auf macht, ist es irgendwie normal ohne Bremsen zu fahren.

Wie verlief dein persönlicher Karriereweg zum Speedway? Du hast ja gesagt, dass Du in einer Region aufgewachsen bist, in der Speedway relativ weit verbreitet ist. Hast Du vorher irgendetwas anderes mit Bikes gemacht oder bist Du direkt mit Speedway eingestiegen?
Nein, vorher gar nicht. Ich war immer schon motorsportbegeistert aufgrund meines Vaters und bei uns im Ort gab es eben diesen Club. Irgendwann zu Weihnachten, ich weiß nicht mehr genau das Jahr, bekam ich ein Motorrad und ich wurde in der Jungendgruppe dort angemeldet und daraus hat sich dann der Rest entwickelt.

Also gleich ein richtiges Speedway-Bike oder ein anderes Motorrad?
Nein, das war natürlich erstmal nur so ein kleines Cross-Motorrad. Aber das bin ich dann nur eine Saison gefahren und danach gab es ein richtiges Speedway-Bike.

Kai Huckenbeck beim SpeedwayGP-Lauf in Teterow (Deutschland) 2023 im Kampf mit Fredrik Lindgren, Dan Bewley, Maciej Janowski.
Rennaction beim Speedway-GP-Event 2023 in Teterow (Deutschland), Foto: FIM Speedway

Speedway ist ja ein ziemlich komplexer Sport. Motor-Tuning ist ja ein wichtiger Faktor und wie so häufig im Motorsport die allgemeine Setup-Arbeit, aber es geht natürlich auch darum, die richtige Balance auf dem Bike zu halten. Worauf kommt es am meisten darauf an, um erfolgreich zu sein. Mehr auf die Technik oder auf den Fahrer?
Um gut mitzufahren, muss alles passen. Dafür muss alles funktionieren. Der Fahrer macht natürlich den größten Unterschied. Viele schieben es immer nur auf das Material. Aber ich bin ein bisschen anders gestrickt. Ich finde das fahrerische Können ist schon wichtiger als die Technik. Aber klar, das Material muss einem auch die richtige Grundlage bieten und die Mentalität ist ganz wichtig. Es sind sehr viele Faktoren, die zusammenspielen müssen. Letztendlich ist der Fahrstil auch bei jedem Fahrer ein bisschen anders und viele Einstellungen sind fahrstil-abhängig.

Huckenbeck startet im Speedway GP: Ich konnte es gar nicht fassen

Kommen wir auf die kommende Saison zu sprechen. Deine erste im Speedway-GP. Im Oktober wurde ja bekanntgegeben, dass du eine von fünf permanenten Wildcards für diese Saison bekommst. Ist das für dich überraschend gekommen oder hast du davor damit gerechnet?
Ich muss ehrlich sagen, ich habe wieder mit einem Substitute-Platz, also einem Reserveplatz, gerechnet. Vielleicht mit einem etwas höheren, also dem ersten oder dem zweiten [2023 war Kai Huckenbeck 3. Reservefahrer, d. Red.] oder welchem auch immer. Aber als ich den Anruf erhalten habe, dass ich eine Dauerkarte bekomme, konnte ich es eigentlich erst gar nicht fassen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich es realisiert habe.

Erklärung: Im Speedway-GP erhalten die Top 6 am Ende der Meisterschaft automatisch einen Fixplatz für die folgende Saison. Außerdem geht ein Startplatz an den Speedway-Europameister und drei Plätze für 2024 werden in einer Qualifikation ausgefahren. Die weiteren fünf Stammfahrer-Plätze wurden als permanente Wildcards vom Promoter (Discovery Sports Events / Eurosport) verteilt. Für 2024 erhielt Huckenbeck eine permanente Wildcard. Außerdem nominiert der Promoter auch Ersatz-Fahrer für die gesamte Saison, die im Falle von Verletzungen andere Fahrer an den Start gehen, eine Rolle die Huckenbeck 2023 ausübte.

Der GP ist für dich ja kein komplettes Neuland. Du hattest schon mehrmals mit einer Wildcard den Deutschland-GP bestritten und warst letztes Jahr auch als Reserve-Fahrer für ein paar Events am Start. Aber als Vollzeit-Fahrer ist die Ausgangslage nochmal eine andere. Hattest du eine andere Saisonvorbereitung oder hast du dich im Winter so vorbereitet wie immer?
Nein, die Vorbereitung auf diese Saison war komplett anders. Zunächst habe ich an meiner mentalen Stärke gearbeitet. Denn letztes Jahr habe ich mich bei beiden Einsätzen selbst oftmals viel zu sehr unter Druck gesetzt. Ich habe einen Mentor, der mich dabei unterstützt und gleichzeitig versuche ich mental an mir selbst zu arbeiten. Dann habe ich physisch viel an mir gearbeitet, viel mehr Sport gemacht und mich besser darauf vorbereitet. Ich bin auch einem strikten Ernährungsplan gefolgt. Neues Material, neues Team… Ich habe wirklich alles auf links gekrempelt. Bisher hatten wir in diesem Jahr hatten die ersten Testrennen und einige offene Rennen und bislang lief es bei diesen eigentlich ganz gut.

Du meintest, dass Du dein Team für diese Saison umgestellt hast. Einmal allgemein gefragt: Wie sieht dein Team im Speedway-GP aus und was hast Du im Vergleich zu dem Team, mit dem du in den letzten Jahren die EM und die Qualifikationen gefahren bist, umgestellt?
Mein Team besteht aus zwei Mechanikern, dann einem Manager und noch aus jemandem, der sich um den ganzen Merchandise und um die Homepage kümmert und dann bin natürlich noch ich. Also in Summe fünf Leute. Größer ist das Team für dieses Jahr nicht geworden. Aber ich habe wieder einen Mechaniker im Team, mit dem ich schon vor ein paar Jahren zusammengearbeitet habe, mit dem ich mich sehr gut verstehe und jetzt hat es endlich gepasst, dass man wieder zusammenkommt.

Kai Huckenbeck beim SpeedwayGP-Event in Teterow (Deutschland)
Foto: FIM Speedway

Du bist jetzt der erste Deutsche seit zehn Jahren im Speedway-GP. Der letzte war Martin Smolinski 2014, der damals bei seinem Debüt als Stammfahrer seinen ersten Grand Prix gewann. Das wäre doch etwas für den Auftakt! Mit welchen Zielen gehst du in die Saison?
Natürlich würde ich gerne einen GP gewinnen. Das ist auf jeden Fall ein großer Traum von mir. Aber selbst wenn es kein Sieg wird, allein ein Podium wäre schon Wahnsinn. Für die Saison habe ich mir auch hohe Ziele gesetzt. Ich möchte im Grand Prix bestehen bleiben. Das heißt, für 2025 will ich drinbleiben. In die Top 6 zu kommen ist also das Ziel, das ich verfolge.

Speedway in Deutschland im Abschwung? Corona-Krise hat vieles kaputtgemacht

Am 18. Mai macht die Speedway-WM in Deutschland Station. Und das erstmals in Landshut (Bayern), nachdem der GP in den letzten Jahren immer in Teterow (Mecklenburg-Vorpommern) über die Bühne ging. Du bist ja mehrere Jahre in Landshut gefahren und kennst die Bahn dort sehr gut. Wie stehst du zu der Verlegung?
Ich finde das sehr positiv. Ich fahre in Landshut sehr gerne. Wie du schon sagtest, drei Jahre war ich in der Liga für sie unterwegs. Es ist dort ein bisschen wie Heimat für mich und ich habe dort auch viele Fans. Also ich glaube, das wird ein geiles Event werden. In Teterow habe ich mich persönlich immer sehr schwergetan. Es ist nicht meine Lieblingsbahn und das war sie auch noch nie. Von daher glaube ich, ist es für mich sehr gut, dass das Event verlegt wurde.

Speedway fristet ja ein bisschen ein Nischendasein in Deutschland. Die Entwicklungen in diesem Jahr waren auch nicht positiv: In der Bundesliga sind nur noch zwei Vereine vorhanden. Wie siehst du die allgemeine Entwicklung im Sport in den letzten Jahren?
Wenn man jetzt sieht, dass nur noch zwei Clubs vorhanden sind, dann ist das natürlich ein Schritt zurück. Ich kann nicht genau sagen, woran das liegt. Aber es ist schade, dass es immer weniger wird und auch so wenig Nachwuchs nachkommt. Es ist im Moment überall so, egal in welchem Land. In Dänemark beispielsweise, aber auch sonst, es geht überall ein bisschen zurück. Ich glaube, diese Zeitphase mit Corona hat da vieles kaputtgemacht. Ganz besonders fehlt es am Nachwuchs.

Kai Huckenbeck beim SpeedwayGP-Event in Torun (Polen) 2023
Foto: FIM Speedway

Glaubst du, dass durch deine Teilnahme am GP ein kleiner Ruck durchs Land geht und mehr Aufmerksamkeit auf den Sport gelenkt wird?
Ich hoffe es auf jeden Fall. Es gab es bisher nur positives Feedback. Viele Leute freuen sich darauf, ich habe viele Nachrichten erhalten. Also hoffentlich spricht das wieder mehr Leute an. Und vielleicht sieht mich ja das eine oder andere Kind fahren und denkt sich: Oh, ich habe das jetzt gesehen und ich möchte auch Speedway-Fahrer werden. Der Sport ist im Moment einfach nicht populär genug bei uns und vielleicht wächst das jetzt mit einem Deutschen im GP wieder ein bisschen weiter.

Speedway GP heute live: Wer überträgt den Saisonauftakt in Kroatien im Livestream?

In Deutschland sowie in Österreich ist das Speedway-GP-Rennen in Kroatien live nur im Pay-TV abrufbar. Übertragen wird es auf Discovery +, der Bezahl-Plattform von Eurosport. In der Schweiz kann das Event im ebenfalls kostenpflichtigen Eurosport Player verfolgt werden. Kostenlos gibt es in der Saison 2024 die Highlights der jeweiligen Events auf ServusTV On.

Speedway GP in Kroatien: Der Zeitplan

Speedway GP, Qualifying in Donji Kraljevec (Kroatien): 27.04.2024, 15 Uhr
Speedway GP, Rennen in Donji Kraljevec (Kroatien): 27.04.2024, 19 Uhr