Nachdem ein Großteil des Fahrerfeldes für die Formel-E-Saison 2024 seit vergangener Woche offiziell bekannt ist, wartet die nächste Herausforderung: eine seit Monaten diskutierte Kalenderüberschneidung zwischen dem Formel-E-Doubleheader in Berlin und dem zeitgleich stattfindenden WEC-Lauf in Spa-Francorchamps am 11./12. Mai 2024.

Noch immer haben die Verantwortlichen keine Lösung für diese äußerst ungünstige Kalenderkollision gefunden. Ausgerechnet die Formel E und die Langstrecken-WM, die bei zahlreichen Rennfahrern als beliebte Betätigungsfelder für Doppelprogramme gelten! Nicht zum ersten Mal kommen sich die beiden FIA-Weltmeisterschaften in die Quere...

Formel E und WEC kollidieren: "Bitte tut etwas!"

Das Thema sorgt hinter den Kulissen seit geraumer Zeit für Wirbel und betrifft die Arbeitsmöglichkeiten einiger Profis. Nicht alle Teams wollen einen Fahrer verpflichten, der möglicherweise wegen der Priorisierung eines anderen Programmes ein Rennen verpasst. Dieses Jahr musste Andre Lotterer das Formel-E-Wochenende in Jakarta zu Gunsten des Le-Mans-Tests mit dem Porsche-Werksteam auslassen, Andretti fuhr stattdessen mit Ersatzfahrer David Beckmann.

"Liebe Promoter, bitte sprecht miteinander und findet eine Lösung", forderte jüngst der Direkter der Rennsportabteilung von DS Penske, Eugenio Franzetti. "Diese Terminkollision ist bedauerlich. Es ist möglich, also bitte tut etwas! Wir müssen die Sichtbarkeit der beiden Rennserien schützen. So ein Clash hilft da überhaupt nicht."

Vergne und Vandoorne: Formel E hat Priorität

Mit dem Termin-Problem musste sich auch DS Penske samt seinen beiden Formel-E-Champions Jean-Eric Vergne und Stoffel Vandoorne herumschlagen. Die Lösung: Im Falle einer Kollision genießt die Formel E für beide Fahrer, die parallel für Peugeot in der WEC antreten, Priorität. Da sowohl DS als auch Peugeot zum Stellantis-Konzern gehören, konnte der Fall hier intern gelöst werden. Bei anderen Fahrern mit unterschiedlichen Verträgen ist es deutlich komplizierter.

"Die 6 Stunden von Spa können bei uns (Peugeot; d. Red.) locker von nur zwei Fahrern bestritten werden", sagte der zweifache Formel-E-Meister Vergne während einer Online-Medienrunde. "Bei vielen anderen Fahrern genießt aber die WEC Priorität. Wir wollen keine Situation, in der Formel-E-Teams auf Ersatzfahrer zurückgreifen müssen. Das sieht für die Teams und Serien nicht gut aus. Wir sollten das um jeden Preis vermeiden."

Termin-Clash: Zahlreiche Top-Fahrer betroffen

Zu den potenziell betroffenen Fahrern zählen Antonio Felix da Costa (Porsche/Jota-Porsche), Sebastien Buemi (Envision/Toyota), Robin Frijns (Envision/BMW), Weltmeister Jake Dennis (Andretti/BMW) oder auch Nico Müller (Abt-Cupra/Peugeot). Die Situation ist sowohl für die Fahrer als auch für die entsprechenden Teams äußerst ärgerlich, schließlich müssen sie sich möglicherweise um Ersatz kümmern bzw. ihre Personalplanungen anpassen.

"Viele Fahrer kombinieren beide Programme, weil sie gut zusammenpassen", meinte der Formel-E-Weltmeister von 2022, Stoffel Vandoorne, der jüngst zum Peugeot-Stammfahrer in der WEC ernannt worden ist. "Hoffentlich finden die Formel E und WEC eine Lösung, um diesen Clash zu vermeiden. Das wäre im Interesse beider Meisterschaften."

Formel-E-Fahrer gründen WhatsApp-Gruppe

Mehrere betroffene Fahrer haben sich in einer WhatsApp-Gruppe zusammengeschlossen, um ihren Input für eine Lösung zu geben. Dazu zählte unter anderem der dreifache DTM-Meister Rene Rast, der 2024 nicht mehr in der Formel E für McLaren starten wird und stattdessen mit BMW auf die Langstrecke zurückkehren möchte. Weltmeister Jake Dennis, ebenfalls in der Gruppe und bei BMW unter Vertrag, hat bereits kundgetan, dass sein Formel-E-Programm mit Andretti-Porsche Prio 1 hat.

Formel-E-Rückkehrer Nyck de Vries hält sich bedeckt

Betroffen sein könnte auch Formel-E-Rückkehrer Nyck de Vries. Der Weltmeister von 2021 wurde jüngst von Mahindra verpflichtet, gilt aber auch als heißer Kandidat für ein WEC-Stammcockpit bei Toyota. Der Niederländer hielt sich gegenüber Motorsport-Magazin.com bedeckt, wollte aber nichts ausschließen: "Wir müssen in der kommenden Zeit erst einmal schauen, in welchen Meisterschaften ich fahre oder auch nicht. Das wird zu gegebener Zeit bekanntgegeben."

Die direkte Kollision zwischen Berlin und Spa ist das größte Ärgernis in der Kalender-Causa, betroffen sind aber ebenso die WEC-Vorsaison-Testfahrten in Bahrain (kollidieren mit einem noch unbekannten Formel-E-Rennen) sowie der Le-Mans-Testtag, der sich wie in diesem Jahr mit dem Jakarta ePrix überschneidet. Im vorläufigen Formel-E-Kalender für 2024 befinden sich drei noch unbekannte Austragungsorte mit fixen Daten, es könnte hier in Bälde aber zu Veränderungen kommen.

Kostete Kalender-Kollision Buemi den zweiten Titel?

Kalender-Streitigkeiten zwischen der Formel E und WEC gibt es praktisch jährlich. So sollte es 2020 ursprünglich zu einem Clash zwischen Seoul und Spa kommen, bis die WEC-Macher einlenkten und das Belgien-Rennen verschoben. Die Corona-Pandemie in jenem Jahr warf dann aber ohnehin jegliche Planungen über den Haufen.

Der prominenteste Kollisions-Fall bleibt die Saison 2017, als Sebastien Buemi mit Toyota beim WEC-Lauf am Nürburgring antreten musste und damit den Formel-E-Doubleheader in New York verpasste. Bei seinem damaligen Team Renault e.dams sprang der heutige Formel-1-Fahrer Pierre Gasly ein. Die verlorene Chance auf weitere Punkte nach einem starken Saisonstart (6 Siege in 8 Rennen) könnte Buemi die zweite Formel-E-Meisterschaft in Folge gekostet haben, die stattdessen an seinen langjährigen Rivalen Lucas di Grassi und Abt Sportsline ging.