Jean-Eric Vergne zählt sicherlich zu den streitbarsten Charakteren im Starterfeld der Formel E, aber auch zu den erfolgreichsten und unterhaltsamsten. Der zweifache Champion, der 2024 an der Seite von Ex-Weltmeister Stoffel Vandoorne bei DS Penske bleibt, hielt sich während einer Online-Medienrunde nach der Fahrerbekanntgabe wie üblich nicht zurück.

Eine Herzensangelegenheit für den Franzosen: freie Meinungsäußerung der Rennfahrer. In der abgelaufenen Saison erhielt Vergne eine zur Bewährung ausgesetzte Geldstrafe von 3.000 Euro, weil er die Sportkommissare nach dem 'Scan-Dal' von Portland (verbotene RFID-Scanner in Boxengasse genutzt) gegenüber Medienvertretern der Lüge bezichtigt hatte. Der frühere Formel-1-Pilot versicherte, das so nie gesagt zu haben, stand damit aber nachweislich allein auf weiter Flur...

WEC-Regeln verbieten Meinungsfreiheit

Für Vergne ein Quasi-Maulkorb, der sich in eine Reihe weiterer diskutabler Maßnahmen vorranging durch den Automobil-Weltverband FIA und seine Partner einfügt. So ist es allen Beteiligten in der Langstrecken-WM (WEC) per Reglement verboten, sich zur Balance of Performance zu äußern. Andernfalls drohen Strafen, die nicht näher im Detail benannt werden.

In Artikel 6.3.1 des Sportlichen Reglements der WEC heißt es tatsächlich: "Hersteller, Wettbewerber, Fahrer (...) dürfen nicht versuchen, die Festlegung der BoP zu beeinflussen oder Kommentare zu den Ergebnissen abgeben, insbesondere nicht durch öffentliche Erklärungen, über die Medien und in sozialen Netzwerken."

Ein Jean-Eric Vergne lässt sich nicht den Mund verbieten, Foto: LAT Images
Ein Jean-Eric Vergne lässt sich nicht den Mund verbieten, Foto: LAT Images

Jean-Eric Vergne: "Wir leben nicht in einer Diktatur"

Angesprochen auf seine Portland-Strafe und die WEC-Vorschriften, reagierte Vergne im ersten Moment mit seiner typischen Prise Sarkasmus: "Ich weiß nicht, was eine Balance of Performance ist und ich erinnere mich nicht, was in Portland passiert ist."

Dann wurde Vergne deutlich ernsthafter und holte aus: "Ich bin Profi und bei einem Hersteller angestellt. Ich antworte immer im Sinne des Teams. Wenn das Team das nicht will, halte ich meinen Mund. Aber das Team kennt mich und weiß, dass ich sage, was ich denke. Manchmal sage ich die falschen Dinge, aber sie kommen immer von Herzen. Das Team weiß das, und würde mich niemals aufhalten."

Vergne weiter: "Niemand mit Ausnahme meines Teams kann mich davon abhalten, etwas zu sagen. Wir leben nicht in einer Diktatur. Wir leben in einer Welt, in der ihr Medien dafür kämpft, die Wahrheit zu erfahren. Jeder sollte angehört werden. Es sollte keine Diskriminierung geben, was man sagen darf und was nicht. Der Sport sollte es den Fahrern erlauben, das zu sagen, was sie fühlen, und dabei natürlich die Beteiligten einer Meisterschaft zu respektieren."

Der mit allen Wassern gewaschene Vergne, der 2018 und 2019 die Formel-E-Meisterschaft gewann und als einziger Fahrer zwei Titelgewinne auf sich vereint, dachte dabei auch an die Außenwirkung: "Ich glaube daran, dass die Fans die wahre Natur der Fahrer sehen wollen. Wenn Fahrer immer sagen, dass alles gut und schön sei, dann ist das langweilig. Damit die Fans die Fahrer mögen, müssen sie die Wahrheit sagen. Sonst hat man Roboter und niemand hat Interesse an Roboter-Rennfahren."