"Das ist heute mein 36. Arbeitstag, also haben Sie bitte etwas Verständnis bei rein motorsportlichen Fragen." Jeff Dodds, der brandneue Geschäftsführer der Formel E, rechnet noch in Tagen. Während der laufenden Saison wurde der Brite als Nachfolger von Jamie Reigle ins Amt gehoben, auf direkten Wunsch von Anteilseigener Liberty Global. Beim vergangenen Rennwochenende in Rom traf Motorsport-Magazin.com Dodds zu einem seiner ersten Interviews in der neuen Funktion.

In seinen erst wenigen Tagen als CEO der Elektro-Weltmeisterschaft hat Dodds bei vielen Partnern einen positiven Ersteindruck hinterlassen. Ein Macher, der Klartext spricht, heißt es in der Szene. Gemessen wird er am Ende nur an seinen Erfolgen. Den Druck kennt Dodds aus seiner Vergangenheit mit Chefposten bei Richard Bransons bzw. Libertys 'Virgin Media' in London, 'Tele2 Nederland' in Amsterdam oder aus seiner Zeit als Marketingchef bei Honda UK.

Dodds: "Wir müssen massiv den Sound aufdrehen"

Mit der Formel E erwartet Dodds nun eine neue Herausforderung - und die ist gewaltig. Zwar ist die Elektro-WM gespickt mit weltbekannten Marken wie Porsche (jüngst den Vertrag verlängert), Jaguar oder Nissan, prominenten Teams wie Abt, Andretti oder Penske und globalen Sponsoren wie Hankook, Bosch oder Julius Bär, doch die Aufmerksamkeit hält sich weiterhin in Grenzen. Die meisten Partner haben höhere Ansprüche, als sie die Formel E bisher bieten konnte.

"Es gibt tolle Rennen und erstaunliche Nachhaltigkeitsgeschichten sowie Partnerschaften mit großen Marken, aber wir erzeugen nicht genug Aufsehen", sagt Dodds zu Motorsport-Magazin.com. "Meine Ambition ist es, herauszufinden, wie wir die Lautstärke des Sports erhöhen können. In den nächsten zwölf Monaten müssen wir massiv den Sound aufdrehen: größere und umfassendere Medienverträge, Zusammenarbeit mit anderen großen Marken, mehr PR und Beteiligung von Prominenten."

Dass Dodds nicht den Klang der 350 kW (476 PS) starken Rennautos meint, wenn er von "Lautstärke erhöhen" oder "Sound aufdrehen" spricht, dürfte klar sein. Ihm geht es um etwas wesentlich Wichtigeres, nämlich, die Formel E zum am schnellsten wachsenden Sport auf der Welt zu transformieren. Nur der Vollständigkeit halber: Große Soundveränderungen an den Autos seien nicht geplant. Dodds: "Die Welt wird elektrisch. Warum sollte man den Sound eines alten Verbrenners simulieren? Früher haben wir uns fast dafür entschuldigt."

Jeff Dodds und Alejandro Agag bei der Formel E
Jeff Dodds mit Formel-E-Gründer Alejandro Agag, Foto: LAT Images

Dodds: "Wäre billiger, würde aber niemand schauen..."

Die Formel E bezeichnet Dodds als ein Sportunterhaltungsprodukt. Dazu zählten auf der einen Seite spannende Rennfahrer und noch schnellere Autos, auf der anderen der nötige Show-Faktor. "Wenn wir nur eine wettbewerbsfähige Rennserie haben wollten, ohne die schicken Hospitalities, ohne die großen Sponsoren und ohne die Promis, wäre das zwar viel billiger, aber niemand würde es anschauen", sagt Dodds geradeheraus.

Aussagen, die den diversen Stakeholdern der Formel E gefallen dürften. Die vergleichsweise geringe Reichweite der ersten rein-elektrischen Rennserie der Welt ist seit Jahren ein Thema. Auch mit Mega-Marken wie Audi, BMW oder den zweifachen Weltmeistern von Mercedes-Benz ist es nicht gelungen, das volle Potenzial auszuschöpfen. Doch der Höhepunkt sei noch längst nicht überschritten, versichert Dodds: "Ich wäre nicht hier, wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass die Möglichkeit zum Wachstum in dieser Serie massiv wäre."

Formel-E-Boss: Keine Kritik an Formel 1

Kritiker der Formel E ziehen stets gerne einen Vergleich zur großen Formel 1 heran, doch der hinkt gewaltig: Während die F1 auf eine über 70-jährige Historie zurückblickt, bestreitet die Formel E gerade einmal ihre neunte Saison.

Dodds bekennt sich als "Fan der Formel 1" und hat kein Interesse daran, die sogenannte Königsklasse des Motorsports in der Öffentlichkeit zu kritisieren. In den Anfangszeiten der Formel E stichelten die Bosse gerne mal ein wenig gegen die F1, auch, um dadurch mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen. Mit steigender Professionalität nahmen derartige Grabenkämpfe jedoch ab.

"Ich liebe die Formel 1, ich bin ein Fan", sagt Dodds, der den Sport aus seinen Honda-Zeiten kennt. "Von mir werden Sie keine Kritik hören. Wir sind sehr unterschiedlich. Die Formel 1 hat während des Lockdowns durch Drive to Survive enormes Interesse von neuen Kunden und Zuschauern erfahren. Diesen Durchbruch haben wir nicht geschafft. Als Unternehmen müssen wir die Gelegenheit nutzen, uns mit neuen Fans zu verbinden, die vor ein paar Jahren noch keine Motorsport-Fans waren. Ein gesundes Wachstum der Formel 1 ist gut für uns. Es gibt Raum für uns beide, unglaublich erfolgreich zu sein."

Oliver Blume, CEO VW und Porsche, mit Formel-E-Gründer Alejandro Agag und Formula E CEO Jeff Dodds in Rom
Alejandro Agag, Thomas Laudenbach, Oliver Blume und Jeff Dodds, Foto: LAT Images

"Verstehe, warum F1 über Nachhaltigkeit spricht"

Sorgen, dass die Formel 1 der Formel E in Zukunft auch in Sachen Nachhaltigkeit bzw. Umweltschutz den Rang ablaufen und ihr damit ein wichtiges Verkaufsargument wegnehmen könnte, hat Dodds nicht. Angesichts der stärkeren Elektrifizierung und Nutzung von eFuels in den F1-Boliden ab 2026, sagt Dodds: "Es überrascht mich nicht, dass die Formel 1 mehr über Nachhaltigkeit spricht. Doch um das klarzustellen: Ihr Fokus auf Nachhaltigkeit basiert auf einem sehr, sehr niedrigen Ausgangspunkt."

Und weiter: "Im Gegensatz dazu ist Nachhaltigkeit und Elektrifizierung seit dem Beginn der Formel E unser Leitgedanke. Wir existieren genau deshalb. Ich verstehe, warum die Formel 1 darüber spricht. Sie müssen das tun, um glaubwürdig und relevant für die Zukunft zu bleiben. Wir müssen hingegen keine Geschichten dazu erfinden, denn das liegt in unserer DNA." Die Formel-E-WM ist die erste und bislang einzige Rennserie, die seit ihrer Gründung 2014 als offiziell klimaneutral zertifiziert wurde.

Ein ausführliches Interview mit dem neuen Formel-E-Geschäftsführer Jeff Dodds lest ihr in unserer kommenden Print-Ausgabe. Dort blicken wir natürlich nicht nur auf die Formel E, sondern auch auf die Formel 1, DTM & Co. Auf den Geschmack gekommen? Das Motorsport-Magazin könnt ihr seit neuestem nicht nur abonnieren, sondern auch an eure motorsportbegeisterten Liebsten verschenken.