Florian, wie blickst du auf deine erste Saison mit Porsche in der Formel E zurück?
Florian Modlinger: Es war für mich bei Porsche ein regelrechter Jumpstart in die Saison. Es ging relativ schnell los, weil ich wenig Vorbereitungszeit hatte. Der Saisonauftakt in Saudi-Arabien war ein bisschen schwierig, speziell nach Rennen 1 haben wir hart über Nacht gearbeitet, in Rennen 2 ging es schon deutlich besser. Dann kam unser Saisonhighlight in Mexiko mit dem Doppelsieg. Auch Monaco war bis zum technischen Problem von Pascal Wehrlein ein Highlight für uns, da wir performanceseitig sehr gut unterwegs waren.

In Rom und Berlin war ich mit der Performance sehr zufrieden, wir konnten um das Podium mitkämpfen. Nach Berlin kamen Rennen unter wärmeren Bedingungen und da hatte Porsche keine Erfahrung aus der Vergangenheit mit dem Batterie-Management. Das mussten wir uns in den folgenden Rennen erarbeiten. In New York - nach vier Rennen - war ich zum ersten Mal zufrieden damit. London war dann das erste Rennwochenende, bei dem ich weder beim Qualifying noch im Rennen mit der Performance zufrieden war.

Wo genau lagen die Schwierigkeiten mit dem Temperatur-Management der Batterie?
Florian Modlinger: Wenn wir nicht auf die Batterie-Temperatur schauen müssen, schauen wir nur auf Rennstrategie und Energie-Management. Sobald je nach Strecke die Grenztemperatur erreicht wird, laufen wir in Temperaturprobleme mit der Batterie hinein. Um sie zu begrenzen und weniger stark ansteigen zu lassen, gibt es ein Paket an Maßnahmen. Ein Beispiel ist der 'Duty Cycle' - also wie viel Boost-Energie und Rekuperations-Energie man nutzt und einsammelt - denn das erhöht die Batterietemperatur. Man kann den Fahrern andere Punkte an die Hand geben, wie aus dem Windschatten herauszufahren, um gezielt die Batterie zu kühlen.

Porsches Formel-E-Projektleiter Florian Modlinger, Foto: Porsche
Porsches Formel-E-Projektleiter Florian Modlinger, Foto: Porsche

Warum hat es so lange gedauert, um das in den Griff zu bekommen?
Florian Modlinger: Das ist ein sehr komplizierter Prozess. Solche Themen muss man am Simulator durchspielen und dafür hat die Datenbasis gefehlt. Andere Teams hatten einige Jahre mehr Erfahrung als wir in der Formel E und Daten, auf die sie zurückgreifen konnten. Wir mussten diese Daten erst sammeln, als wir dazu die Gelegenheit bei Rennen mit einer Batterie-Limitierung hatten.

Kannst du zufrieden sein mit der Saison?
Florian Modlinger: Definitiv nicht. Ich kann nur mit der Qualifying-Performance zufrieden sein, wir waren mit Mercedes und Techeetah in den Top-3. Bei der Ausbeute im Rennen hatten wir Schwächen und die liegen an unterschiedlichen Gründen. Es waren einmal technische Probleme wie in Monaco Pascals Ausfall, und beim nächsten Rennen in Jakarta die Startplatzstrafe, die mit Monaco zusammenhing und die uns weiter zurückgeworfen hat. Dann gab es operative Themen und individuelle Fehler, die trotz guter Startpositionen bessere Rennergebnisse verhinderten, wie Andres Fehlstart in New York, wo wir eigentlich um den Sieg hätten mitfahren müssen und die Reinitialisierung des Batterietemperaturmodells in Marrakesch sind Beispiele hierfür. An diesen Punkten müssen wir ganz klar arbeiten.

Haben sich die Probleme während der Saison auf das Team niedergeschlagen, für das du ja verantwortlich bist?
Florian Modlinger: Die Probleme und Fehler waren ärgerlich, das hat sich aber nicht auf die Motivation innerhalb des Teams ausgewirkt. Wir sind ein hochprofessionelles Team mit Top-Leuten, die alles für ihren Job geben. Wir sind da, um Rennen zu gewinnen. Wir hatten nur dahingehend Pech, dass immer das besser platzierte Auto betroffen war und dadurch alles dramatischer wirkte. Grundsätzlich liegt aus aber ganz klar an uns, die aufgetretenen Themen abzustellen.

Wie sieht der aktuelle Stand bei der Entwicklung des Gen3-Autos aus?
Florian Modlinger: Bisher hatten wir ein paar Testtage mit dem neuen Gen3-Auto. Es hat mit dem Rollout in Weissach begonnen, dann sind wir zusammen mit anderen Herstellern nach Spanien gegangen, danach hatten wir noch einen privaten Test. Mit unserer internen Arbeit bei Porsche bin ich bisher zufrieden. Ich muss aber auch sagen, dass wir bei den Kilometern, die wir bisher fahren konnten, nicht ganz den gewünschten Wert erreicht haben, weil es technische Themen bei Einheitsbauteilen gibt, die wir als Hersteller gemeinsam sortieren müssen. Die sind noch nicht auf dem Niveau, bei dem ich sagen kann: Ich kann das Auto zu 100 Prozent zuverlässig im Testbetrieb betreiben. FIA, Formel E und alle Hersteller wollen die Themen zeitnah abstellen.

Formel E - Porsche-Gen3: Video zum Rollout (02:04 Min.)

Was den Gesamtstand des Projekts inklusive der Einheitsbauteile betrifft, kann ich nicht zufrieden sein. Da wäre es mir recht, wenn wir schon mehr Kilometer auf dem Auto hätten und weniger Probleme. In meinen Augen sollte es nicht der Anspruch sein in einer Serie mit Einheitsbauteilen, dass noch Entwicklungsarbeit geleistet werden muss, wenn die Fahrzeuge und Einheitsbauteile bereits bei den Herstellern sind.

Sondern?
Florian Modlinger: Normalerweise gehe ich davon aus: Ich habe eine Ausschreibung, ich habe Einheitsbauteile-Lieferanten mit erprobten Produkten und ich greife darauf zurück, baue das Auto auf, integriere meine Systeme und fahre los. Wir sind beim Schritt des Losfahrens, aber wir fahren noch nicht zuverlässig und müssen weiter Entwicklungsarbeit leisten.

Sind die Probleme bezüglich der Einheitsbauteile verständlich angesichts der aktuell schwierigen Wirtschaftssituation mit Lieferketten-Krise, Rohstoffknappheit und Co.?
Florian Modlinger: Ich möchte da keine Ausreden suchen. Wir bei Porsche haben dieselben Rahmenbedingungen und Produktionsthemen wie die Zulieferer. Und von unserer Seite hatten wir bislang keine 'Show-Stopper' oder große Themen, an denen wir hart nacharbeiten mussten. Ich erwarte von einer professionellen Serie und professionellen Einheitsbauteile-Lieferanten, dieses Niveau zu erreichen.

Foto: Porsche AG
Foto: Porsche AG

Wo genau liegen die Probleme?
Florian Modlinger: Ich möchte keine Namen nennen. Es ist nichts Massives, aber immer wieder kleinere Problemchen, die auftreten und mit denen wir unsere Testtage nicht so bestreiten können wie wir es gerne machen würden. An den Themen müssen wir nun gemeinsam arbeiten.

Kann Porsche seinen Zeitplan für die Entwicklung und Homologation des Gen3-Autos halten?
Florian Modlinger: Momentan steht alles bei der Timeline, wie es ursprünglich geplant war. Mit dem Test in Valencia im Dezember und dann mit dem ersten Rennen in Januar ist die Timeline aber sportlich, sehr sportlich.

Könnte der Saisonstart im Januar 2023 in Mexiko in Gefahr geraten?
Florian Modlinger: Es bestehen immer Rest-Risiken, aber ich sehe nichts, was den Saisonstart in Mexiko im Januar 2023 gefährdet. Ich bin kein Fan, dass man auf einzelnen Parteien und Lieferanten rumhackt. Man muss es als Gesamtprozess sehen. Beginnend mit der Ausschreibung bis hin zum fertigen Bauteil gibt es Dinge, die man sich beim Prozess anschauen muss. Man muss aus den Lektionen auch wirklich lernen und Schwächen aufdecken.