Vor zwei Wochen am Rande der Rennen in Rom hatte sich Jean Todt in einer Medienrunde mehr Berichterstattung für die Formel E gewünscht. Im Anschluss an das heutige Rennen in Valencia dürfte sich der FIA-Präsident über mangelndes Interesse eigentlich nicht beschweren. Aber ob ihm internationale Schlagzeilen wie 'Halbem Formel-E-Feld geht in letzter Runde in Valencia die Energie aus' (Britische Sun) gefallen?

Das Samstagsrennen der Elektro-Rennserie und das gleichzeitige Debüt auf einer rein permanenten Rennstrecke war die schlechteste Werbung, die man sich ausdenken kann. Und das zu einem Zeitpunkt, wo Hersteller wie Mercedes noch nicht endgültig entschieden haben, ob sie der Formel E auch in Zukunft treu bleiben!

Hoffentlich hat kein unentschlossener Vorstand eines Autobauers dieses Rennen gesehen, in dem am Ende Autos auf der Strecke mangels nutzbarer Energie herumschlichen und sogar stehen blieben. Die Herren Vorstände - und auch sonst kaum jemand - wissen sicherlich nicht, dass die Batterien in der Formel E per Reglement auf maximal 52 kWh limitiert sind, allein durch die Safety-Car-Phasen 19 kWh automatisch abgezogen wurden und die Rekuperation gegen Rennende kaum noch möglich ist.

Oder, dass es in den Händen der FIA lag, zu entscheiden, ob bei der letzten und entscheidenden Safety-Car-Phase noch einmal Energie abgezogen wird. Rückblickend ist man immer schlauer, aber ohne diese Entscheidung hätte das erste von zwei Valencia-Rennen zu einem spannenden Sprintduell bis zum Zieleinlauf werden können.

Valencia-Farce schier ohne Ende

Davon abgesehen, dass Zuschauer wie TV-Experten nicht verstehen konnten, was sich in der chaotischen Schlussphase abspielte und ratlos den Fernseher abschalteten, war die Häme natürlich nicht weit. Man stelle sich nur vor, wenn auch noch herauskommen würde, dass seit Freitag in Valencia die Rennleitung ganze 32 (!) Male bei Vorfällen einschreiten musste... Selbst Experten hatten nach dem Rennen kaum noch Lust, sich durch den Berg an 'Stewards Decisions' zu wühlen und zu sehen, dass es noch ein paar nachträglich verhängte Grid-Strafen für das noch folgende Rennen am Sonntag geben wird.

Dass die Energie eine entscheidende Rolle auf dem für Formel-E-Verhältnisse schnellen Kurs mit flüssigen Kurven und langen Geraden spielen würde, war allen Beteiligten im Vorfeld klar. Dass am Ende nach zahlreichen nachträglichen Strafen nur 9 (!) der 24 Fahrer für das Rennen gewertet wurden, ließ auch einen Großteil der Teams wie Idioten dastehen.

Die wenigen, die es mit einer Kombination aus guter Strategie und nicht zuletzt einer Portion Glück ins Ziel schafften, gingen dabei komplett unter. "Man wird sich nur an diese letzte Runde erinnern, die das Rennen ruiniert hat", brachte es TV-Experte Daniel Abt später auf den Punkt.

Formel-E-Farce in Valencia: Highlights des Chaos-Rennens (05:00 Min.)

Formel E in Valencia bedient jedes Vorurteil

Die Gründe für das Energie-Chaos auf dem Circuit Ricardo Tormo sind tatsächlich äußerst vielfältig. Was aber einzig in der breiten Masse ankam: Elektro-Autos haben zu wenig Power für ein Rennen auf einer permanenten Rennstrecke. Und wer versuchte, das Treiben im Fernsehen zu verfolgen ohne das Regelbuch neben sich zu haben, konnte leider zu keinem anderen Schluss kommen.

Dass die schon vor zwei Jahren im Reglement eingeführte Energie-Reduktion für alle Autos während Safety-Car- und Full-Course-Yellow-Phasen eigentlich eine sinnvolle Idee ist, um Vollgasrennen zu vermeiden und eines der wichtigsten Merkmale der Formel E - den Umgang mit dem Energie-Management - wieder in den Vordergrund zu stellen, interessierte heute niemanden.

Valencia überrascht auf ganzer Linie

Und dass sich Kritiker über die 'Autoscooter-Rennen' und viel zu vielen Safety-Car-Phasen lustig machen, darf angesichts der fünf (!) Safety-Car-Phasen in einem Rennen mit 24 Runden auch keine Überraschung sein. Dass die Formel E in Valencia das erste vollständige Regenrennen ihrer siebenjährigen Geschichte erlebte, die Verhältnisse dadurch enorm herausfordernd waren und die temporäre Schikane ein notwendiges Übel ist, spielte in der öffentlichen Wahrnehmung keine Rolle. Crash ist Crash.

Autos, die komplett für winklige Stadtkurse konzipiert wurden, um den Anforderungen der Formel E gerecht zu werden, auf permanenten Rennstrecken fahren zu lassen (wenn auch nur als Notlösung für das wegen Corona ausgefallene Paris-Rennen), hielten wir schon vor der ersten Runde für keine sinnvolle Idee. Dass sich ein derartiges Chaos entfalten würde, bei dem auch die eigentlich Schuldlosen in einen Topf geworfen und als Volldeppen abgestempelt werden, hat aber selbst die hartgesottensten Formel-E-Anhänger überrascht.