Jahrelang haben Formel 1-Zirkusdirektor Bernie Ecclestone und andere wichtige Köpfe der Königsklasse gepredigt: "Wir brauchen einen Inder in der Formel 1!" Immerhin ist Indien nicht wirklich klein und als Markt, den es zu erschließen gilt, natürlich eine Riesen-Herausforderung und Goldquelle. Vor rund einem Jahr war er dann plötzlich da, der erste Inder in der Formel 1 - in der Gestalt von Narain Karthikeyan. Vor Kälte bibbernd stand Narain auf dem Moskauer Roten Platz, als dort das eben erst an den Stahlmillionär Alex Shnaider verkaufte Jordan-Team bei Minusgraden so etwas wie eine Fahrzeugpräsentation abhielt.

Ein Jahr später bibbert Narain immer noch - allerdings nicht vor Kälte, sondern weil er um seinen Verbleib in der Königsklasse zittert. Denn obwohl die Mitwirkung von Karthikeyan im letzten Jahr einen wahren Formel 1-Boom in Indien ausgelöst hat und er mit dem Tata-Konzern einen potenten Sponsor im Gepäck hat, steht der 28jährige immer noch ohne Cockpit da.

Ein Stammcockpit wäre für Karthikeyan nur noch beim neuen Super Aguri-Team zu haben. Angeblich gab oder gibt es auch Verhandlungen, doch Tata soll moniert haben, dass man nicht unbedingt mit Honda in einem Boot sitzen wolle, weil Honda in Indien als Haupt-Konkurrent von Tata gilt. Außerdem soll das Management des Inders massive Zweifel an einem Renneinsatz bei Super Aguri F1 angemeldet haben, weil man zumindest mit dem uralten Arrows-Chassis wieder nur als "Rote Laterne" fungieren würde und dies für das Image von Karthikeyan schädlich sein könnte.

So hat alles angefangen - in Moskau, bei Minusgraden., Foto: Sutton
So hat alles angefangen - in Moskau, bei Minusgraden., Foto: Sutton

Die Indian PTI News Agency zitierte eine Quelle aus dem nahen Umfeld von Karthikeyan: "Den uns zur Verfügung stehenden Informationen zur Folge liegt Super Aguri F1 im Zeitplan weit zurück. Sie sagen zwar, dass der neue Wagen in Imola fertig sein soll, doch wir haben da unsere Zweifel. Wir wollen nicht, dass sich die Situation von 2005 wiederholt, als Jordan immer wieder erklärt hat, der neue Wagen würde bald fertig sein und als dieser dann endlich eingesetzt wurde es zu keinen wesentlichen Verbesserungen kam."

Das Management des Inders weiß genau: Würde Narain Karthikeyan ein weiteres Jahr hinterherfahren, könnte dies das Ende seiner Formel 1-Karriere bedeuten. Und so scheint man eher in Richtung Williams zu tendieren. Dort ist zwar Alex Wurz der dritte Mann - aber Sir Frank hat bereits angedeutet, dass man durchaus auch einen vierten Mann benötigen könnte. Zudem kann Williams das Tata-Geld gut gebrauchen. Die Strategie der Karthikeyan-Betreuer lautet: Narain soll sich 2006 mit guten Leistungen bei den Testfahrten für ein Stammcockpit in der Saison 2007 empfehlen. Zudem hofft man angeblich darauf, dass Karthikeyan bei Williams gegenüber Wurz gleichgestellt werden und somit ebenfalls zu einem Grand Prix-Einsatz als dritter Fahrer herangezogen werden könnte.

Wie auch immer - in der kommenden Woche sollen Narain Karthikeyan, sein Management und Sponsor Tata eine endgültige Entscheidung fällen. Dann werden Millionen Inder wissen, ob sie auch 2006 wieder bei den Rennen die Daumen für Karthikeyan drücken dürfen oder ob sie an den Grand Prix-Sonntagen nach nur einem Jahr wieder ohne einen Landsmann auskommen müssen. Nicht völlig auszuschließen ist leider auch, dass Karthikeyan 2006 überhaupt ohne Cockpit dasteht.