Am Ende hat es Max Verstappen doch wieder geschafft. Der Weltmeister holte trotz aller Schwierigkeiten im Training und teilweise auch im Qualifying schlussendlich die Pole Position für den Großen Preis von Australien. 0,270 Sekunden trennten den Red-Bull-Pilot vor dem nach Blinddarm-OP zurückgekehrten Carlos Sainz. "Eine ziemlich gute Runde", klopfte sich ein hörbar zufriedener Verstappen bereits auf dem Weg in die Box selbst auf die Schulter.

Verstappen trotzt der Ferrari-Pace

"Ich bin sehr glücklich über die Pole", sprach Verstappen nach dem Qualifying etwas ausführlicher. "Dieses Wochenende war es für uns bisher etwas schwierig eine gute Balance im Auto zu finden. Sogar während des Qualifyings, in Q1 und Q2, habe ich nicht daran geglaubt, dass ich um die Pole mitkämpfen könnte. Aber dann haben wir ein paar Kleinigkeiten am Auto verändert und das scheint mir geholfen zu haben, im Q3 bis ans Limit zu gehen."

Sowohl im Q1 als auch im Q2 musste sich Verstappen Ferrari und noch geschlagen geben. Der Eindruck aus den drei Trainingseinheiten, in denen Verstappen kein einziges Mal Bestzeit fahren konnte, schien sich vorerst zu bestätigen. Vor allem Carlos Sainz beeindruckte im Qualifying, sicherte sich in den ersten beiden Abschnitten trotz weiter spürbaren Nachwirkungen der OP jeweils die Bestzeit. Verstappen klagte parallel über massives Untersteuern an seinem RB20. Es schien alles auf die erste Nicht-Verstappen-Pole der Formel-1-Saison 2024 hinauszulaufen. Doch dann kam das Q3.

Bereits im ersten Versuch sorgte Verstappen für eine Ansage. Mit einer Rundenzeit von 1:16,048 Minuten brummte er Sainz fast drei Zehntel auf. Der Spanier steigerte sich in seinem zweiten Schuss noch einmal, doch selbst an die Zeit aus dem ersten Verstappen-Versuch kam er nicht heran. Leclerc nahm sich nach einem Fehler in Sektor drei selbst aus dem Pole-Kampf. Den WM-Führenden hielt das allerdings nicht davon ab, seine Zeit noch einmal zu steigern, die 1:16 Minuten-Marke zu knacken und die Pole souverän einzutüten.

"Eine ganz tolle Teamarbeit, vor allem von den Ingenieuren, Max und den Reifentechnikern", lobte Red Bulls Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko die Leistung seines Teams am Mikrofon des ORF. "Ferrari war sich relativ sicher, doch dann haben sie gesehen, wie wir immer näher herangekommen sind. Dann hat Leclerc den Fehler gemacht. Es ist eine Überraschung, aber das tut uns natürlich gut."

Schwachstelle Sektor 3: Reifencoup sichert Red-Bull-Pole

Über das ganze Qualifying hinweg verlor Red Bull vor allem in Sektor 3 die meiste Zeit auf die Konkurrenz. Es ist der langsamste Bereich des Albert Parks, der nach seinen Umbaumaßnahmen im vergangenen Jahr zu einem der schnellsten Kurse des Rennkalenders zählt. Im letzten Sektor sorgte dafür Ferrari konstant für lila Zeiten.

Der RB20 nahm laut Helmut Marko die Reifen in den ersten beiden Sektoren zu hart ran, sodass den Pirelli-Pneus im langsamen Bereich die Performance ausging. "In Sektor drei haben die Reifen überhitzt, bis zur vorletzten Kurve waren wir vorne", erklärte der Grazer.

Doch in Q3 wendete sich das Blatt, und das nicht durch Zufall. Veränderungen am Luftdruck in den Reifen, sowie eine Erhöhung des vom Frontflügel generierten Abtriebes war Red Bull auch im dritten Sektor schlussendlich konkurrenzfähig. "Wir wussten also woran wir arbeiten mussten. Nur, dass das so gut funktionieren würde, haben wir nicht gedacht. Von Max war es natürlich auch eine tolle Runde und ein tolles Reifenmanagement, das richtig zu dosieren", lobte Helmut Marko.

Reifenschaden bei Alpine-Fahrer Esteban Ocon
Die Reifen werden im Rennen der entscheidende Faktor sein, Foto: LAT Images

X-Faktor Reifenverschleiß: Wie gefährlich kann Ferrari im Rennen sein?

Trotz Pole Position dürfte Red Bull am Sonntag vor der bisher schwierigsten Aufgabe der Formel-1-Saison 2024 stehen. Der Reifenverschleiß könnte sich als Zünglein an der Waage des dritten Sieges in Folge erweisen. Pirelli liefert in Melbourne mit den C3-, C4- und den C5-Reifen die weichsten Mischungen ihres Portfolios an die Strecke. Im Training beobachteten die Teams bereits einen hohen Reifenverschleiß, auch Red Bull war davon betroffen. Ferrari hingegen brilliert in dieser Disziplin seit diesem Jahr.

Angesichts der fruchtbaren Änderungen ist man bei Red Bull nach dem Qualifying allerdings wieder deutlich entspannter als noch nach dem Training. "Da bin ich jetzt wesentlich optimistischer", sagte Marko. "Die Balance im Auto und die Zeiten in Sektor 3 beweisen, dass wir in die richtige Richtung gearbeitet haben. Das heißt, dass der Reifenverschleiß deutlich zurückgegangen ist."

Dennoch ist auch für Red Bull der Grand Prix eine Reise ins Ungewisse. "Es ist noch nicht absehbar, welche Mischungen gefahren werden und wie viele Stopps es geben wird. Es hängt viel von der Temperatur ab, heute war es sechs bis sieben Grad wärmer, außerdem gibt es hier sehr viele Safety-Car-Phasen. Aber mit der Pole sind wir in einer guten Ausgangsposition", erklärte Marko.

Verstappen hielt sich mit Vorhersagen für das Rennen hingegen noch etwas zurück. "Wir werden morgen sehen, ob es im Rennen reichen wird, denn es sieht so aus, als ob Ferrari schon das ganze Wochenende über sehr schnell und komfortabel ist. Das Rennen wird mit den weicheren Mischungen, die wir dieses Jahr haben, ziemlich hart werden", sprach der Niederländer und beendete mit einem Satz, dem es nichts mehr hinzufügen gibt: "Hoffentlich wird es morgen ein interessantes Rennen."