Auch 2023 nutzt Motorsport-Magazin.com die Sommerpause, um sich die zehn Formel-1-Teams der Reihe nach genau vorzunehmen. Wer hat seine Ziele erfüllt, wer liegt hinter den Erwartungen zurück? Den Auftakt macht das aktuelle WM-Schlusslicht AlphaTauri. Viel Licht gibt es in Faenza aber nicht, nur mehr das Lachen des De-Vries-Ersatzmannes Daniel Ricciardo.

Ziel vs. Realität:
Mit Zielen blieb AlphaTauri vorsichtig, aber eines war dann doch klar: Das zweite Team des Red-Bull-Konzerns wollte wieder zurück nach vorne ins Mittelfeld. Einem guten Start war 2022 nämlich ein sehr negativer Formtrend gefolgt. Der Anspruch für 2023 war daher, mit einem doch relativ umfangreich erneuerten Auto, einem erfahrenen Yuki Tsunoda und einem vielversprechenden Nyck de Vries wieder regelmäßig um Punkte zu kämpfen.

Den Anspruch hat man weit verfehlt. Drei zehnte Plätze sind die einzigen Highlights. Dem Auto fehlte lange schlichtweg Abtrieb. Nachdem die Aero-Abteilung sich vor Saisonbeginn noch optimistisch gegeben hatte, alle Ziele erfüllt zu haben, platzte Teamchef Franz Tost schon in Saudi-Arabien der Kragen, mit einer bezeichnenden Aussage in Richtung seiner Ingenieure: "Ich vertraue ihnen nicht mehr."

Entwicklung 2023:
Das Team beeilte sich, schnell viel am Auto zu ändern. Neuer Unterboden in Saudi-Arabien, neue Heckverkleidung in Australien, ein erneutes Riesen-Paket mit Unterboden, Verkleidung und Heckflügel in Monaco, dann noch eines in Silverstone. Kein Team hat insgesamt öfter am Unterboden und Diffusor herumgebastelt. Trotzdem stellt sich der Fortschritt - auch wenn er vorhanden ist - im Schneckentempo ein. Große Updates zu verstehen braucht Zeit, und die Konkurrenz steht nicht still. Personell lieferte Tost bald die Ansage, dass das Individuum, welches sein Vertrauen verloren habe, nicht mehr für das Team arbeitete.

Personell wurde überhaupt nicht lange gefackelt: Der unterperformende Nyck de Vries wurde nach Silverstone schon wieder abgestoßen. Abseits des Saisongeschäftes ist es auch Zeit für weitreichende Veränderungen. Eine neue Doppelspitze mit Peter Bayer (CEO, ehemals FIA) und Laurent Mekies (Teamchef, ehemals Ferrari) wird 2024 von Franz Tost übernehmen. Auf Red-Bull-Seite hält sich die Freude über das taumelnde zweite Team schon länger in Grenzen. Die Ansage auf technischer Seite: So viel wie möglich soll von Red Bull zugekauft werden. Ein neuer Teamname ist obendrauf am Horizont.

Höhepunkt 2023: Versöhnliches Spa für Tsunoda
Das Beste, was AlphaTauri passieren konnte, war mit Optimismus in die Sommerpause zu gehen. Das schaffte man. Daniel Ricciardos zwei Rennen waren vielversprechend, im Sprint von Spa kämpfte er lange um den letzten Punkterang. Yuki Tsunoda machte im Rennen den Sack zu. Anfangs führte er sogar das Mittelfeld an, aber das Auto gab im ersten Stint mehr her. Es reichte dennoch, den dritten zehnten Platz der Saison über die Linie zu bringen, und endlich wieder stärker auszusehen als direkte Gegner wie Williams.

Tiefpunkt 2023: Schlusslichter in Silverstone
Das bisher letzte große Update-Paket des Teams wurde in Silverstone eingeführt, doch die Performance war horrend. Im Qualifying flogen beide Fahrer in Q1 raus, nachdem sie bei kühlen feuchten Bedingungen am Ende die entscheidende Runde nicht liefern konnten. Erst einmal hinten, offenbarte sich im Trockenen das wahre Defizit des Autos, auch die Updates halfen Tsunoda nichts. Am Ende fuhren er und de Vries auf den letzten beiden Plätzen über die Linie.

AlphaTauri-Fahrer: Tsunoda erledigt de Vries & bekommt Ricciardo

Yuki Tsunoda
WM: 17. Platz (3 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 2,87 (11. Platz)
Yuki Tsunoda, der Mann für elfte Plätze. Gerade im schlechten Material zu Saisonbeginn schlug sich der 23-Jährige, der seine dritte Formel-1-Saison fährt, achtbar, und holte elfte Plätze. Der Forderung von Franz Tost, im dritten Jahr endlich einen Sprung zu machen - in den ersten zweien war er im Schatten von Pierre Gasly gestanden - kommt er bisher damit nach. Allerdings schickte ihn eine Strafe in Barcelona, die ihm Punkte kostete, in ein vorübergehendes Formtief mit Selbstfindungskrise. Seine Schwäche seit dem F1-Debüt. Glücklicherweise gelang es ihm, die sofortige Quali-Niederlage gegen Daniel Ricciardo in Ungarn aber in ein Comeback in Spa umzumünzen. Damit zeigte er eine Nervenstärke, die er in den letzten Jahren noch nicht hatte.

Daniel Ricciardo
WM: 21. Platz (0 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 2,47 (6. Platz)
Zwei Wochenenden reichen kaum, um Daniel Ricciardos Blitz-Comeback zu beurteilen. Verglichen mit dem deprimierenden letzten McLaren-Jahr sah er aber auf jeden Fall geradezu verjüngt aus. In zwei der drei Qualifyings war er schneller als Tsunoda, in Ungarn im ersten Rennen auch im Rennen stark. Red Bull beschwört, dass er sich im Simulator die McLaren-Probleme wieder abtrainiert hat. Dass er noch vor der Pause zwei Rennen fahren konnte, hilft ihm jetzt. Er kann reflektieren, analysieren. Noch versteht er das Auto nicht ganz. In Zandvoort beginnt seine Saison richtig.

Daniel Ricciardo kehrte in Ungarn ins AlphaTauri-Cockpit zurück, Foto: LAT Images
Daniel Ricciardo kehrte in Ungarn ins AlphaTauri-Cockpit zurück, Foto: LAT Images

Nyck de Vries
WM: 20. Platz (0 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 3,80 (20. Platz)
Die Ansprüche waren für Nyck de Vries zu hoch. Zwar konnte er sich in seinen ersten Rennen leicht verbessern und wurde früh für sein technisches Feedback gelobt, aber von einem 28-jährigen Formel-E-Meister erwartete sich das Management letztendlich mehr. Nicht, dass er dann stagnierte und immer wieder Fehler einstreute. Als es erstmals richtig stockte, bekam er keine Zeit mehr und wurde praktisch sofort ausgetauscht. Ricciardo sollte dem Team F1-Erfahrung und Optimismus bringen.

Fazit & Ausblick:
In der Saison 2023 erhärtet sich der Verdacht, dass bei AlphaTauri erst einmal fundamentale Probleme beseitigt werden müssen. Mit einem neuen Management (und eventuell Daniel Ricciardo) kann man wohl schon mit einem Auge auf das nächste Jahr schielen. Was 2023 zu tun bleibt: Feststellen, ob die Auto-Entwicklung überhaupt noch funktioniert. Und was Daniel Ricciardo noch im Köcher hat.