Die Formel 1 kehrt diese Woche zurück nach Österreich . Der diesjährige Grand Prix im steirischen Spielberg ist der 37. WM-Lauf der Region, und längst ein Klassiker. Wie kam es dazu, dass die Strecke im kleinen Alpenstaat zum Fixpunkt des F1-Sommers wurde? Motorsport-Magazin.com rollt die Geschichte von Spielberg, Zeltweg, Österreichring und Red Bull Ring auf.

Flugplatzrennen 1964: So kam die Formel 1 nach Österreich

Eine Motorsport-Nation war Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich keine. Das Land bedurfte eines Automobil-Visionärs, um die Szene anzuschieben. Permanente Rennstrecke gab es im Land keine. Martin Pfundner, langjähriger Journalist in der Motorsport-Szene und später Mitglied des Vorstandes der Internationalen Automobil-Behörde FIA, füllte diese Rolle aus und brachte als integraler Teil der Organisation von Flugplatzrennen in den 1950ern den Ball ins Rollen. Beim ersten Rennen in Wien-Aspern war er 1957 der Rennleiter.

Pfundners Traum war da schon, die Formel 1 ins Land zu holen. Der Militär-Flugplatz im steirischen Zeltweg, nur wenige Minuten von der heutigen Rennstrecke entfernt, wurde zum ersten Ort für große internationale Events. 1959 kam die Formel 2, die Formel 1 fuhr erstmals 1963 den "Grand Prix von Österreich." Das war ein Probelauf, ein Rennen außerhalb der WM-Wertung. 1964 bekam das Event dafür offiziell den WM-Status.

Auf der Buckelpiste zeigte Lorenzo Bandini im Ferrari das beste Durchhaltevermögen. Der Flugplatzkurs auf dem Fliegerhorst Hinterstoisser war zwar nur eine 3,2 Kilometer lange Aneinanderreihung auf einem komplett flachen Flugfeld, aber eine Buckelpiste, die ihresgleichen suchte. Nur neunbrutal, elf von 20 Startern schafften es in die Wertung. Mit Brabham, Hill, Gurney, McLaren, Clark und Surtees war die Mehrheit der Spitzenpiloten auf der Strecke geblieben. Sieger Bandini und der BRM-Pilot Richie Ginther hatten im Ziel drei Runden Vorsprung auf den Dritten Bob Anderson, der sein einziges Podium feierte.

Lorenzo Bandini vorne, im Hintergrund die Hügel, die zukünftig die Strecke beheimaten sollten, Foto: Sutton
Lorenzo Bandini vorne, im Hintergrund die Hügel, die zukünftig die Strecke beheimaten sollten, Foto: Sutton

Die Fahrer zweifelten an der Sinnhaftigkeit, auf so einem Kurs einen Grand Prix abzuhalten. Die Formel 1 kehrte 1965 nicht zurück. Immerhin stand ein junges österreichisches Talent erstmals bei einem WM-Lauf am Start. Jochen Rindt. In Deutschland geboren, in Österreich aufgewachsen, war er früh in seiner Karriere nach England gegangen, mangels Optionen in der Heimat. Bei seinem ersten Heim-GP fiel er aus. Von einem Durchbruch der Formel 1 in Österreich konnte also keine Rede sein.

Wie der Österreichring in Spielberg entstand

Aber die Formel 1 war in Österreich angestoßen worden. Für mehr benötigte es eine echte Rennstrecke - das war die Lektion, welche die wachsende österreichische Motorsport-Welt mitnahm. Rindt entfachte nämlich ein Feuer. 1965 sorgte er mit einem Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans in einem Ferrari für den ersten großen internationalen Triumpf. Rindts Erfolge öffneten die Türen für weitere Österreicher, wie Dr. Helmut Marko.

In Knittelfeld, nur wenige Minuten von Spielberg und Zeltweg entfernt, formierten nun Interessierte unter der Führung des Rechtsanwaltes Dr. Gustav Tiroch einen Plan, die Region mit einer modernen Highspeed-Rennstrecke zu bereichern. In Salzburg gab es ein Konkurrenz-Projekt, beide erhielten millionenschwere Unterstützung ihrer Bundesländer.

Doch Salzburg verlor kurzfristig den anvisierten Bauplatz. Das Projekt in Spielberg-Zeltweg übernahm die Führung, und wurde 1969 fertig. Der Salzburgring folgte kurze Zeit später und existiert ebenfalls noch heute, doch er erreichte nie die Höhen des Konkurrenzprojektes.

Für die moderne Anlage wurden WM-Deals abgeschlossen - 1969 eröffnete die Sportwagen-WM die Piste. 1970 kehrte die Formel 1 zurück. Es passte perfekt zusammen: In jenem Jahr feierte Jochen Rindt den Durchbruch, und sein Charisma und seine Star-Power hatten das Land gerade zum ersten Mal ins F1-Fieber gestürzt. 100.00 pilgerten in die Steiermark. Rindt trat nach vier Siegen in Serie mit einer großen WM-Führung an.

Der Start des ersten Formel-1-Rennens auf dem Österreichring, Foto: LAT Images
Der Start des ersten Formel-1-Rennens auf dem Österreichring, Foto: LAT Images

Von Pole gestartet, fiel Rindt aus. Wieder gewann Ferrari, diesmal wurde Jacky Ickx von aus Italien angereisten Tifosi auf der Zielgeraden gefeiert. Für Rindt war es das letzte Rennen. Drei Wochen später starb er bei einem Unfall im Training zum Italien-GP. Weltmeister wurde er posthum.

Niki Laudas Kampf gegen den Österreich-Fluch

Rindt hatte die Formel-1-Welle in Österreich losgetreten. Sponsoren kamen, Fahrer kamen, das Rennen blieb Fixpunkt. Viel wichtiger noch: Auf Rindt folgte ein weiterer Star, nämlich Niki Lauda. Der hatte im Österreich-GP 1971 debütiert, 1974 feierte er bei Ferrari seinen ersten Sieg. Zuhause stand er 1974, 1975 und 1977 auf der Pole, aber der von den stetig wachsenden Zuschauerzahlen im nunmehrigen F1-Land Österreich erhofften Heimsieg gestaltete sich als schwierig.

Sensations-Sieger Vittorio Brambilla 1975, Foto: LAT Images
Sensations-Sieger Vittorio Brambilla 1975, Foto: LAT Images

1974 Motorschaden, 1975 im Regen zurückgefallen, 1976 nach seinem Feuerunfall nicht am Start, 1977 Zweiter, 1978 ausgefallen. Stattdessen wurde der Österreichring ein Ort für ungewöhnliche Sieger. 1975 gewann Vittorio Brambilla sein einziges Rennen in einem Regen-Abbruch-Chaos nach nur 29 Runden, damals war es das zweitkürzeste Rennen der Geschichte. Brambilla, vom Abbruch überrascht, riss im Freudentaumel auf der Linie die Hände hoch und crashte in die Boxenmauer.

1976 holte John Watson den einzigen Formel-1-Sieg für das legendäre amerikanische Penske-Team, welches seit Jahrzehnten in de IndyCar-Serie die Messlatte war. 1977 gewann Alan Jones sein erstes Rennen, und das einzige für Shadow. Eine Legende unterstellt den Veranstalter, vom Sieg eines Australiers so überrascht gewesen zu sein, dass sie die Hymne nicht parat hatten. Vielmehr lag das Problem wohl daran, dass Australien damals noch keine eigene Hymne hatte - die ehemalige britische Kolonie griff bis 1984 weiterhin auf die britische zurück. "God save the Queen."

Niki Lauda brauchte einen Ruhestand und ein Comeback. 1984, auf halbem Weg zum dritten WM-Titel, erkämpfte er sich ihn endlich im Rennen. McLaren-Teamkollege und Rivale Alain Prost fiel nach Dreher aus, und ein im Rennen starker Lauda gewann daraufhin das Duell um den Sieg mit Nelson Piquet.

Niki Lauda fuhr 1984 zum einzigen Heimsieg eines Österreichers, Foto: LAT Images
Niki Lauda fuhr 1984 zum einzigen Heimsieg eines Österreichers, Foto: LAT Images

Österreich in der Formel-1-Warteschleife

1986 trat Lauda zurück. Beinahe wäre ihm mit dem jungen Gerhard Berger 1986 der nächste Heimsieger gefolgt. Ein Elektrik-Defekt machte zunichte, was ein sensationeller erster Sieg hätte werden können. Berger hielt in der Formel 1 die Österreich-Flagge hoch, aber die große Euphorie war vorbei. Die Strecke gehörte zu den schnellsten im Kalender und benötigte dringend Modernisierungen. 1987 verdeutlichten das zwei Startunfälle auf der zu engen, zu schmalen Piste. Auch die Anlagen waren veraltet. In Summe bedeutete das das F1-Ende.

Erst ein Komplett-Umbau, neuer Streckenverlauf, neue Anlagen und mehr ermöglichten 1997 ein F1-Comeback. Mit Alex Wurz stand der nächste junge Wilde in den Startlöchern. Als Ersatzfahrer war er schon auf dem Podium gestanden, 1996 hatte er als jüngster Fahrer aller Zeiten Le Mans gewonnen. Doch Wurz' großer F1-Durchbruch blieb aus, und damit auch der nächste große F1-Hype in Österreich.

Die Formel 1 war teuer geworden, auch für die Rennstrecken-Betreiber. Die damalige Dominanz Ferraris war generell ein Problem - doch in Österreich sorgte sie zweimal für skandalöse Umstände, was dem Rennen nicht half. 2001 musste Rubens Barrichello seinen um die WM kämpfenden Teamkollegen Michael Schumacher auf der Ziellinie vorbeilassen, nach Teamanweisung: "Let Michael pass for the championship."

Ferraris Teamorder sorgte für Skandal-Stimmung, Foto: LAT Images
Ferraris Teamorder sorgte für Skandal-Stimmung, Foto: LAT Images

Aber der wirkliche Skandal kam im Folgejahr. Wieder musste Barrichello auf der Linie weichen. Nur diesmal, um Schumacher den Sieg zu schenken. Verschlimmert wurde das Bild dadurch, dass Schumacher in der WM weit voran lag und sein nächster Verfolger gerade einmal halb so viele Punkte hatte. Ein Pfeifkonzert überschattete die Siegerehrung. Nach 2003 trocknete das Budget der Veranstalter endgültig aus, als die Europäische Union Zigarettenwerbung bei Sportevents verbot.

Formel 1 in Österreich heute: Das Red-Bull-Land

Zehn Jahre lang wurde um Umbaumaßnahmen gekämpft, nachdem Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz die Strecke gekauft hatte. Kurz nach der Strecke erwarb er auch ein F1-Team. Das hatte deutlich mehr Erfolg, und befeuerte nach vier WM-Titeln in Serie den Wunsch, Österreich wieder in den Kalender zu bringen. Schließlich hatte das Land jetzt immerhin ein Team, das unter österreichischer Lizenz startete.

Das Comeback geschah 2014, doch bei nun anhaltender Mercedes-Dominanz und mangelndem Red-Bull-Erfolg - die Silberpfeile gewannen die ersten vier Rennen nach dem Comeback in Folge - stagnierte der Zuschauer-Zuspruch. Red Bull aber hatte Max Verstappen, und der hatte noch kein Heimrennen. Warum also nicht das Event auf der Hausstrecke des Konzerns dafür bewerben?

Max Verstappen sorgte für niederländischen Boom in Spielberg, Foto: Sutton
Max Verstappen sorgte für niederländischen Boom in Spielberg, Foto: Sutton

Bald pilgerten Tausende in Orange auf die Campingplätze. 2018 wurden sie und Red Bull mit Verstappens erstem Österreich-Sieg belohnt. 2019 folgte Nummer zwei, 2021 ein Doppelpack. Das Event war wieder voll da. 2020 und 2021 wurden sogar zwei Rennen ausgetragen, 2020 war es der Saisonauftakt mit einem "Geisterrennen" im Zuge der Corona-Pandemie. Jetzt gilt das Event wieder als Europa-Klassiker, ist inzwischen als Fixpunkt nicht mehr aus dem Kalender wegzudenken und bleibt bis mindestens 2027 erhalten.