Klemmende Radmuttern, fehlende oder falsche Reifen, verwirrende Ampeln und vieles mehr. Die Liste der Dinge, die bei einem Boxenstopp schiefgehen können, ist ziemlich lang. So lang, dass es in der Königsklasse immer wieder zu schlechten Boxenstopps kommt. Meist reden wir hier bei den sonst so flinken Mechanikern von Standzeiten um die vier oder fünf Sekunden. Manchmal geht ein Stopp jedoch völlig schief: Ferrari und Haas zeigten dies zuletzt in Zandvoort auf, als Carlos Sainz und Mick Schumacher über zehn Sekunden lang vor der Garage standen. Bei Sainz kam dann sogar noch ein gefährlicher Unsafe Release hinzu.

Diese erneuten Beispiele bieten eine gute Gelegenheit, in der Formel-1-Historie zurückzublicken und uns an weitere Boxenstoppdramen dieser Art zu erinnern. Dabei können wir die Mechaniker von Ferrari und Haas beruhigen, denn es trug sich noch weit schlimmeres zu, als am letzten Rennwochenende in den Niederlanden zu sehen war.

Monaco 2021: Bottas hat kein Rad ab

Eigentlich lief beim Monaco Grand Prix des Vorjahres alles gut für Valtteri Bottas. Der Finne im Mercedes lag auf Rang Zwei, während Teamkollege und Titelanwärter Lewis Hamilton deutlich hinter ihm seine Kreise zog. Die Freude währte jedoch nur bis zur Runde 29: Bottas kam an die Box und die Mechaniker wechselten die Reifen.

Allerding wurden nur drei Pneus gewechselt, denn der vorne rechts aufgesteckte Pirelli wollte sich partout nicht lösen. Der Mechaniker am Schlagschrauber versucht alles, doch die Felge war wie festbetoniert. Bottas musste das Rennen beenden. Der klemmende Reifen konnte erst 43 Stunden später in der Mercedes-Fabrik in Brackley entfernt werden. Der Rekord für den längsten Reifenwechsel in der Formel 1 wird wohl so schnell nicht mehr gebrochen werden.

Bahrain 2020: Mercedes verbockt die Russell-Sensation

Beim Rennen auf der Bahrain-Kurzanbindung vor zwei Jahren schien George Russells große Stunde zu schlagen. Lewis Hamilton musste corona-bedingt passen und der damalige Williams-Pilot kam als Ersatzmann in den Genuss, den überlegenen Silberpfeil zu fahren. Russell machte seine Sache mehr als nur gut, denn nach starkem Start führte der Brite das Rennen souverän an. Dann kam eine Safetycar-Phase und Mercedes plante einen Double-Stack.

Russell und Bottas wurden in großem Durcheinander hintereinander abgefertigt. Die Stopps dauerten daher lange, doch nur Bottas verlor zwei Position, während Russell die Führung hielt. Blöd nur, dass das Team dem Briten die falschen Reifen draufgab. An Russells Auto waren die für Bottas designierten Vorderreifen montiert worden. Um einer Disqualifikation zu entgehen, musste er nochmal reinkommen. Russells erster Sieg war damit dahin, stattdessen feierte Sergio Perez im Racing Point Premiere. Bis heute hat Russell trotz eines Mercedes-Stammcockpits im Jahr 2022 noch nicht in der Formel 1 gewonnen.

Hockenheim 2019: Mercedes mit Katastrophenjubiläum

Eigentlich war alles angerichtet für einen ganz besonderen Grand Prix für Mercedes: Die Marke aus Stuttgart feierte beim Heim-Grand-Prix in Hockenheim 125-jähriges Jubiläum und trat dabei sowohl als Titelsponsor des Rennens als auch mit einer Sonderlackierung auf. Mit dem überlegenen Fahrzeug des Jahrgangs 2019 war der Heimsieg fest eingeplant, doch es kam anders. In einem chaotischen Regenrennen ging für Mercedes alles schief.

Der Tiefpunkt dabei: Lewis Hamiltons Boxenstopp in Runde 30. In der mittlerweile berüchtigten 'Ölkurve' im Motodrom rutschte der Weltmeister hinaus und beschädigte sich den Frontflügel. Dieser sollte beim Stopp gewechselt werden, doch die Mechaniker-Crew war alles andere als bereit für den hereinkommenden Silberpfeil. In einem heillosen Durcheinander dauerte es beinahe eine Minute, bis der Flügel und die neuen Reifen am Auto waren. Der Sieg ging nicht an Mercedes, sondern an Max Verstappen im Red Bull.

Australien 2018: Der doppelte Haas

Der Saisonauftakt 2018 hätte eigentlich ein Feiertag für das Haas-Team werden sollen. Der neue Bolide war stark an den Ferrari angelehnt und schien auch ansatzweise dessen Pace zu haben. Die US-Ferraris waren auf dem Weg zu den Plätzen Vier und Fünf, als die Boxenstopps alles zunichtemachen. Bei Romain Grosjean und Kevin Magnussen versagten hintereinander die Schlagschrauber. Zuerst vorne und dann hinten wurde eine Radmutter nur verkantet angebracht. Da die Gefahr bestand, dass sich die Reifen lösen könnten, mussten beide Haas-Piloten ihr Auto aus Sicherheitsgründen abstellen. Aus dem besten Resultat der Teamgeschichte wurde eine bittere Nullnummer.

Monaco 2016: Wo sind Ricciardos Reifen?

Daniel Ricciardo hatte beim Monaco Grand Prix 2016 alles im Griff. Mit einer sensationellen Runde sicherte er sich am Samstag die Pole-Position gegen die eigentlich dominierenden Mercedes. Am Sonntag regnete es im Fürstentum und Ricciardo fuhr der Konkurrenz davon. Dann kam der Australier zum Boxenstopp herein. Er war da, die Mechaniker standen bereit, doch wo waren die Reifen? Bis die Red-Bull-Leute den Reifensatz aus der Garage herbeibrachten und an Ricciardos Auto schraubten, war der Sieg schon dahin. Lewis Hamilton im Mercedes zog vorbei. Riccardo schaffte zwei Jahre später die Erlösung und gewann den Klassiker doch noch, es war sein letzter Sieg für Red Bull.

Strahlemann Ricciardo war ausnahmsweise einmal 'not amused', Foto: Sutton
Strahlemann Ricciardo war ausnahmsweise einmal 'not amused', Foto: Sutton

Brasilien 2009: Ein Finne brutzelt den anderen

Ferrari gegen McLaren, das ist in der Formel-1-Geschichte ein Dauerbrenner. Doch dieser Brand war sicherlich so nicht gewollt. 2009 war die letzte Saison der Königklasse mit Tankstopps. Beim Brasilien Grand Prix riss Heikki Kovalainen im McLaren den Tankschlauch mit und scherrte in der Boxengasse vor Kimi Räikkönen im Ferrari aus. Das Restbenzin im Schlauch strömte heraus und entzündete sich am Auto des Weltmeisters von 2007. Räikkönen blieb glücklicherweise von Verbrennungen verschont und fuhr mit gereizten Augen zu Platz sechs und drei WM-Punkten. Für den anderen Finnen war das Rennen quasi gelaufen. Die Brawn-Techniker halfen aus und entfernten den Tankrüssel von Kovalainens Auto. Am Ende kam er auf Rang zwölf ins Ziel.

Heikki Kovalainen nahm mehr als nur Benzin mit, Foto: Sutton
Heikki Kovalainen nahm mehr als nur Benzin mit, Foto: Sutton

Ungarn 2009: Alonso hat ein Rad ab

Der Ungarn Grand Prix des Jahres 2009 wäre wohl die große Chance für Fernando Alonso gewesen. In einem mäßig konkurrenzfähigen Renault hatte sich der Matador dennoch die Pole-Position gesichert, wenn auch mit weniger Sprit an Bord als die Konkurrenz. Beim Start behauptete der Spanier die Führung, bis er früh an die Box musste. Zu was Alonsos aggressive Strategie gereicht hätte, werden wir nie erfahren. Beim Boxenstopp wurde der rechte Vorderreifen nicht sachgemäß montiert und löste sich bereits in der Outlap. Alonso Chancen im Rennen waren dahin, doch es schien noch schlimmer zu kommen. Renault erhielt für den Fehler eine Rennsperre, da Alonso nicht sofort anhielt und sich das Rad auf gefährliche Art und Weise gelöst hatte. Das Team konnte diese Sperre jedoch mit einem erfolgreichen Protest bei der FIA abwenden und war in Valencia wieder am Start.

Singapur 2008: Ferraris Ampel versaut Massa die WM

Die letzten Meter des Brasilien Grand Prix 2008 sind jedem Formel-1-Fan ein Begriff. Lewis Hamilton ging in der letzten Kurve der Saison an Timo Glock vorbei und Felipe Massa verlor doch noch den schon sicher geglaubten WM-Titel. Realistisch betrachtet hatte der Brasilianer im Ferrari den Titel aber vermutlich schon in der Boxengasse von Singapur verloren. Nelson Piquet Jr. im Renault hatte durch einen Crash gewollt eine Safetycar-Phase herbeigeführt, was damals jedoch noch nicht bekannt war. Das Feld kam daher in die Box zum Nachtanken.

Massa fährt los, Tankschlauch noch dran, WM futsch, Foto: Sutton
Massa fährt los, Tankschlauch noch dran, WM futsch, Foto: Sutton

Für den bis dato führenden Polesetter Felipe Massa sollte sich ein Drama abspielen. Ferrari setzte damals auf eine neues Ampelsystem, anstatt eines Lollipop-Mannes. Die Ampel schaltete jedoch zu früh auf grün und Massa riss den Tankschlauch mit sich, als er losfuhr. Ferraris WM-Hoffnung stoppte das Auto am Ende der Boxengasse. Seine Mechaniker mussten diese in ganzer Länge entlanglaufen, bis sie den Tankschlauch entfernen konnten. Die Folge: Massa blieb punktelos, während Lewis Hamilton im McLaren als Dritter auf das Podest fuhr.

Nürburgring 1999: Drei Reifen für Irvine, doch kein vierter

Das Jahr 1999 war Eddie Irvines große Chance: Michael Schumacher brach sich in Silverstone das Bein und fiel für mehrere Rennen aus. Ferrari musste umdisponieren und machte Irvine zur neuen Nummer Eins. Aufgrund zahlreicher Fehler und Ausfälle bei McLarens Mika Häkkinen konnte der Nordire tatsächlich um die Weltmeisterschaft fahren. Mit jeweils 60 Punkten gingen beide Piloten in das drittletzte Rennen am Nürburgring.

Dort sorgte das Eifellwetter wieder einmal für Chaos und produzierte ein unvergessliches Rennen, in dem am Ende Johnny Herbert im Steward-Ford der Sensationssieger war. Für Eddie Irvines siebten Platz und damit das Verpassen der Punkte konnte Ferrari jedoch nicht das Wetter oder Pech verantwortlich machen. Beim Stopp des Iren stand das Auto beinahe eine halbe Minute. Der Grund: Der rechte Hinterreifen war nicht bereit. In großer Konfusion brachte einer der Mechaniker dann doch noch den richtigen Bridgestone aus der Garage. Die Punkte waren aber dahin. Am Ende verlor Irvine die WM um zwei Zähler gegen Häkkinen. In besagtem Rennen holte der Finne als Fünfter genau diese zwei Punkte.

Eddie Irvine stand ein bisschen länger an der Box, als ihm lieb war, Foto: Sutton
Eddie Irvine stand ein bisschen länger an der Box, als ihm lieb war, Foto: Sutton

Hockenheim 1994: Verstappen im Inferno

Jos Verstappen hatte beim Rennen in Deutschland 1994 viel Glück. Der Benetton-Pilot kam in die Box und sollte sich wenig später in einem Meer aus Flammen wiederfinden. Der Tankstutzen war nicht voll versiegelt, sodass das Benzin rundherum hinausspritze und sich über das ganze Auto verteilte. Wenige Zehntelsekunden später brannte das ganze Auto.

Eine schwarze Rauchwolke stieg 1994 in Hockenheim auf, Foto: LAT Images
Eine schwarze Rauchwolke stieg 1994 in Hockenheim auf, Foto: LAT Images

Verstappen kam dennoch mit leichten Verbrennungen um seine Augen davon und auch weitere Teammitglieder wurden nicht schwer verletzt. Der Unfall war besonders brisant, da Benetton im Verdacht stand, bei der Tankanlage zu tricksen. Dort fehlte ein Filter, doch das Team von Flavio Briatore betonte, dass der Unfall menschliches Versagen gewesen sei. Im weiteren Saisonverlauf kam es nicht mehr zu einem solchen Vorfall.