Die Formel 1 legt in Saudi-Arabien eine Punktlandung hin. Der Jeddah Corniche Circuit wurde gerade noch fertig, und die FIA-Abnahme fand am letzten Tag vor dem ersten Training statt. Am Donnerstagabend fuhr zum ersten Mal ein Auto am Limit um den Kurs - nämlich das Safety Car der Formel 1, in den Händen von Bernd Mayländer. Motorsport-Magazin.com hat den langjährigen Piloten des Führungsfahrzeuges danach zur ersten Einschätzung gebeten.

Du warst jetzt der erste, der überhaupt einen Highspeed-Test auf der Strecke fahren durfte. Wie hat sich es angefühlt?
Bernd Mayländer: Vom Track Walk zum wirklichen Fahren heute um 19:00 Uhr ... beim Track Walk dachte ich puh, die Strecke ist wirklich noch sehr schmutzig. Logischerweise, weil noch immer gearbeitet wird. Da wird man noch ein bisschen Probleme kriegen, dass man den Schmutz auch spürt. Aber man hat ihn wirklich bloß gesehen, weil der Grip eigentlich schon sehr, sehr gut war.

Der Staub ist wohl so tief drin, dass er mehr rausgesaugt wird, oder?
Mayländer: Klar, wenn die Formel 1 morgen unterwegs ist, wird es reichlich stauben, bis es mal raus ist. Aber der Asphalt hat einen sehr hohen Gripanteil. Da war ich sehr überrascht, wie das Auto um die Ecke geht. Ich fahre hier den Aston Martin, und von dem her war es cooler Track Test. Die Strecke ist verdammt schnell, da geht es wirklich um die Kurven rum. Da guckst du lange ins Eck rein, bis du um die Kurve endlich einmal vollends rum bist, und du bist wirklich voll konzentriert, weil es so schnell ist und du so nah an der Mauer bist.

Ist es mit irgendwas vergleichbar?
Mayländer: Kurvenweise mit so manchen Sachen, aber da muss man jetzt ganz viele Rennstrecken zusammenzählen, wo man so langgezogene Kurven hat und wirklich ganz nah drin herumfährt. In Baku gibt es zwei, drei Stellen, die ein bisschen ähnlich sind, wo man wirklich so nah an der Mauer ist. Aber trotzdem ist das für mich eine richtige Rennstrecke hier. Keine Stadtstrecke, sondern eine richtige Rennstrecke, die einfach anders ist.

Manche vergleichen die Strecke mit dem Straßenkurs von Macau. Bist du einmal Macau gefahren?
Mayländer: Nein, aber das habe ich von ein paar anderen heute auch schon gehört, von ein paar Rennfahrerkollegen, die gesagt haben, das hat ein bisschen was von Macau. Es hat logischerweise auch ein bisschen was von Monte Carlo, aber deutlich schneller. Selbst bei mir sind hier alle Ecken im dritten, vierten, fünften Gang. Das sagt bei einem Straßenauto eigentlich schon aus, dass es wirklich verdammt schnell ist.

Saudi-Arabien selbst im Safety Car überraschend schnell

Was fährst du hier maximal?
Mayländer: Den Maximum-Speed finde ich jetzt gar nicht so schnell. Ich hätte gedacht, ich wäre sogar ein bisschen schneller, so knapp 250.

Weil die Kurven einfach langgezogen sind?
Mayländer: Genau, die Kurven sind langgezogen, aber ich hätte mir nie gedacht, dass es so viele Streckenabschnitte gibt, die auch bei mir komplett voll gehen. Da wird dann so eine 15 Meter breite Rennstrecke auch schon ganz schön eng, wenn man da mit 200 bis 220 um die Kurven rumfährt. Für mich sag ich mal, alles zusammenkneifen, es geht. Aber du willst auch nicht von der Rennlinie runter, weil dann geht es in die Mauer. Wird bei der Formel 1 natürlich anders sein, für die ist es dann easy. Da gibt es sogar im Mittelsektor die zweite DRS-Zone, wo für mich jede Kurve wirklich am Limit ist. Die gehen voll, aber da ans Überholen zu denken wäre bei mir nie der Fall. Bei der Formel 1 funktioniert das vielleicht über den Abtrieb, von dem die Fahrzeuge einfach mehr haben.

Die Streckenkarte des Jeddah Corniche Circuit, Foto: Mercedes AMG F1
Die Streckenkarte des Jeddah Corniche Circuit, Foto: Mercedes AMG F1

Was denkst du über die Steilkurve?
Mayländer: Ich finde es interessant. Kurve 13 ist das. Es gibt glaube ich einige unterschiedliche Ansätze dort. Je nachdem, wo dein Auto Stärken aufweist, oder Schwächen aufweist, kann man das dort ein bisschen umfahren. Das liegt an der Linienwahl: Ob man schon weit oben anfängt, je nachdem wie jedes Fahrzeug unterschiedlich ausbalanciert ist. Wie gut lenkt es ein, ist es besser auf der Nase? Ist es ein Auto, mit dem ich früh aufs Gas kann und das trotzdem auf der Vorderachse stabil bleibt? Anders als [bei den Steilkurven in] Zandvoort. Ich bin gespannt, wie das funktioniert. Das ist ja eine Wende von über 180 Grad, ich schätze einmal so 220 Grad, denn die geht ja, wenn man geradeaus reinfährt, wieder zu. Also ist sie länger als 180 Grad. Interessant auch - am Anfang hat sie glaube ich 8,5 Prozent Überhöhung und hintenraus 12,5 Prozent. Da merkst du auch, dass es immer steiler wird. Du arbeitest dich in einem Straßenauto immer weiter nach oben, und es funktioniert. Es ist dann auch ein geiles Gefühl, weil du schon ganz nah an der Mauer bist. Da willst du dann die Vorderachse nicht verlieren.

Ist es mit Kurve 4 in Zandvoort vergleichbar? Oder ist es etwas ganz anderes?
Mayländer: Ich würde sagen, es ist etwas total anderes. Weil es einfach viel länger ist. In Zandvoort lässt du dich reinfallen, gehst nach oben, nimmst den Schwung mit. Diese Kurve hier, da gibt es viele unterschiedliche Ansätze. Du kannst einen doppelten Scheitelpunkt nehmen, wo du dich reinfallen lässt, dann nach oben, nach unten, und wieder rausfährst. Oder vielleicht funktioniert es auch, wenn du mittig reinfährst und dann wirklich mit viel Speed, wodurch du dann viel schneller außen fahren kannst, weil das Fahrzeug so viel mehr Abtrieb generiert, dass du auch schneller bist als weiter unten. Aber das ist wie gesagt von Fahrzeug zu Fahrzeug glaube ich unterschiedlich.

Streckenfluss von Saudi-Arabien begeistert

Wie einfach ist es, sich bei den Scheitelpunkten zu orientieren? Mit den ganzen Mauern?
Mayländer: Ich hatte es mir auch ein bisschen schwieriger vorgestellt, aber die Strecke gibt deinem Fahrzeug die Linie relativ einfach vor. Die Strecke war für mich viel, viel, viel einfacher zu lernen als andere neue Rennstrecken. Wenn ich jetzt nur an Katar denke vor 14 Tagen, da habe ich glaube ich 20 Runden gebraucht, um überhaupt einmal zu wissen, wo es denn hier langgeht und in welcher Kurve ich gerade stecke. Hier haben wir 27 Kurven auf dem Plan - gut, das sind jetzt nicht wirklich 27 Kurven - aber ich war ab der dritten, vierten Runde schon voll im Flow drin. Das ist das Schöne. Die Strecke gibt dir viel vor.

Bist du die Strecke davor virtuell schon gefahren?
Mayländer: Nein. Nur mit dem Finger, auf dem Plan entlang! Zu mehr hat es hier nicht gereicht. Und der Track Walk natürlich. Ich habe jetzt auch keine Simulatoren zur Verfügung.

Was ist deine Lieblingsstelle?
Mayländer: Ich finde den ersten Teil speziell sehr technisch, sehr toll. Da passt mein Auto auch irgendwo rein vom Speed her. Man hat trotzdem noch ein kleines bisschen Auslauf. Die Kurven sechs und sieben sind eine wunderschöne Kombination, in acht rein. Wenn man wirklich sich in acht so an der Mauer entlang hangelt und auch richtig, richtig schnell ist. Ich bin im vierten Gang da, das macht schon sehr viel Laune. Man hat im ersten Streckenabschnitt die kleinen Auslaufzonen, und ich sage jetzt mal wirklich klein. Aber die geben ein Stück weit das Vertrauen, dass man es ein bisschen schneller probieren kann. Dann im zweiten Abschnitt, wo es wirklich voll um die Kurven rumgeht - gut, man kann da jetzt nicht noch mehr probieren, man kann nur ein bisschen eine andere Linie versuchen, aber wenn man seine Linie gefunden hat, dann fühlt man sich da wohl. Wenn man weiß, dass es funktioniert. Es ist alles interessant. Was Neues, was sehr Interessantes.

Ist es für dich die Formel-1-Strecke, wo du am meisten Eier brauchst?
Mayländer: [denkt nach] In einem Straßen- oder GT-Fahrzeug vielleicht ja. In der Formel 1 sind viele Kurven glaube ich sehr einfach zu fahren, weil sie einfach voll gehen. Man braucht aber dann, um sich für die drei DRS-Zonen in gute Ausgangspositionen zu bringen, schon Eier, weil wenn du mit 300 da um die Ecke kommst ... da kann ich glaube ich sagen, da wird die Luft ganz schön dünn.

Mayländer tippt auf Safety-Car-Einsätze in Saudi-Arabien

Erwartest du viel Einsatzzeit am Sonntag?
Mayländer: Ich könnte es mir gut vorstellen, ja. Ich glaube nicht, dass man die Fahrzeuge so schnell bergen kann, und bei der hohen Geschwindigkeit auf der Strecke wird, wenn etwas passiert, sicherlich was herumliegen und dann müssen wir zwangsläufig nicht nur ein virtuelles, sondern ein richtiges Safety Car einsetzen. Mein Tipp wäre: Hier würde ich ein bisschen mehr draufsetzen. Aber ich bin ein ganz schlechter Spieler!

Fast alle Passagen in Jeddah sind von Betonwänden gesäumt, Foto: LAT Images
Fast alle Passagen in Jeddah sind von Betonwänden gesäumt, Foto: LAT Images

Welche Stelle ist prädestiniert dafür, glaubst du? Im vorletzten Sektor meintest du vorhin, die eine Passage bestraft dich nicht am Eingang, sondern am Ausgang, wenn du einen Fehler machst?
Mayländer: 22 und 23. Ja, das war jetzt genau zum Beispiel der Trugschluss vom Track Walk. Beim Fahren ist das doch eine andere Kurve. Ich dachte, da ist es viel schwieriger für mich, um die Ecke herumzukommen. Wie sich jetzt herausgestellt hat: Nein, die Kurve davor ist eigentlich entscheidend. Ich, in meinem Auto - ich kann jetzt natürlich nur von mir sprechen, aber ich habe da ein gutes Gefühl. Jetzt müssen wir mal schauen, ob die anderen das bestätigen können, ob es bei denen genauso ist. Aber klar, an der Stelle möchtest du im fünften Gang im Formel-1-Auto sicherlich nicht einschlagen.

Sind dir sonst noch Stellen besonders aufgefallen?
Mayländer: Die Boxeneinfahrt wird sicher spannend. Links, da geht es richtig schnell rein.

Und mit der Kurve drin?
Mayländer: Genau. Ich würde sagen außerdem noch Boxenausfahrt, die weiße Linie. Die ist prädestiniert dafür, gerade unter den jetzigen Bedingungen, wo noch nicht viel gefahren wurde und wo es noch sehr rutschig ist, dass man da an die weiße Linie schnell rankommen kann. Was dann zur Strafe führt. Da muss man sicherlich ein Auge draufhaben, dass man da nicht die Konzentration verliert. Das ist so einer, wo ich dachte: Hm, okay. Ich achte immer drauf, und dachte okay, Mayländer, du hast es zwei Mal probiert, einmal bist du direkt auch drübergefahren. Denn das verleitet so ein bisschen.

Können die Track Limits hier Probleme machen? Teilweise gibt es, wie in Kurve 10, ja am Ausgang ja immer noch asphaltierte Auslaufzonen.
Mayländer: Nein, es gibt hier drei oder vier Loops, die verbaut sind. Die sind zur Sicherheit angebracht. Jetzt müssen wir einmal schauen, wie die Formel 1 das einbaut. Ich glaube, das dürfte hier kein Problem sein.

Oft ist es ja schon so, dass der Kerb die Streckenbegrenzung ist.
Mayländer: Hier ist es dann gleich so auffällig, dass du eigentlich das nicht einbauen musst. Das kriegst du auch über gute Performance hin.