Überwiegend unbeachtet von den TV-Kameras lieferte ein Formel-1-Pilot am Sonntag in Frankreich eine ganz große Show ab. Nämlich George Russell, der mit seinem Williams einen zwölften Rang herausfuhr.

Warum große Show? "Wir haben es geschafft, die Alfas zu schlagen, wir haben Tsunoda auf der Strecke überholt, wir waren vor einem Alpine", zieht Russell gegenüber Motorsport-Magazin.com nach dem Rennen eine hervorragende Bilanz. "Sowas schaffen wir normalerweise nicht." Teamkollege Nicholas Latifi? Trotz gleicher Strategie weit weg.

Russell verdingt sich in Frankreich als Reifenkünstler

"Wir waren legitim dort, das war wohl unser bestes Rennen mit Williams", lobt Russell. Nur der Start hatte ihm nicht ganz gelingen wollen - nach einem schlechten Launch wurde er zwischen Latifi und Mick Schumacher eingeklemmt und steckte lieber zurück. So kam er nur auf dem 18. Platz aus der ersten Runde zurück.

Aber wichtig war in Frankreich diesmal vor allem eines: Reifenmanagement. Auf einer durch Regenschauern am Vormittag vom Grip befreiten Strecke hatten alle Fahrer mit rutschenden Autos zu kämpfen, und Russell, der sich bisweilen hauptsächlich als Qualifying-Spezialist einen Namen machte, bewies große Klasse.

"Es war unglaublich schwierig, die Balance zu finden", erklärt Russell danach im Detail. "Man darf nicht zu schnell fahren, sonst hat man Graining, und nicht zu langsam, dann verliert man Temperatur. Wir haben da einen richtig guten Job gemacht, ich hatte richtig viel Vertrauen ins Auto."

Latifi konnte sich nach gutem Start nicht vor Russell halten, Foto: LAT Images
Latifi konnte sich nach gutem Start nicht vor Russell halten, Foto: LAT Images

Wie schwierig das war, zeigte sich am Rennen von Teamkollege Latifi, dessen Suche nach dieser Balance hoffnungslos schien: "Von der ersten Runde weg war es mit den Reifen aus irgendeinem Grund wie Fahren auf Eis. Nicht auf einer Achse, einfach auf beiden. Da ging nichts. Sogar auf dem [Hard] - da war es natürlich besser, aber der Großteil des Stints war bis zu den letzten zehn Runden mies. Dann, obwohl ich nichts geändert hatte, kam plötzlich die Rundenzeit. Keine Ahnung warum."

Bestes Rennen der Karriere? Russell bedauert fehlende Ausfälle

Trotz fast identer Strategie verblieb Latifi auf Platz 18. Russell hatte höhere Ambitionen: Die Alfa Romeos, die ebenfalls mit den Reifen kämpften, ließ er hinter sich. Einen verzweifelten Charles Leclerc, der am Schluss nur mehr experimentierte, ebenso. Dann Esteban Ocon. Und schließlich angelte er sich mit DRS auf der Strecke sogar den AlphaTauri von Yuki Tsunoda - alles eigentlich ganz und gar keine Williams-Gegner - und damit P12. Auf den Ferrari von Carlos Sainz fehlten ihm nur zehn Sekunden.

Russell duellierte sich in der Schlussphase in Frankreich mit Yuki Tsunodas AlphaTauri, Foto: LAT Images
Russell duellierte sich in der Schlussphase in Frankreich mit Yuki Tsunodas AlphaTauri, Foto: LAT Images

"Das ist vielleicht unser bestes Rennen mit Williams", meint Russell daher verständlicherweise, will aber nicht übertreiben: "Ich will jetzt nicht sagen, dass es mein bestes Rennen überhaupt war. Ich weiß nicht, wie ich es einordnen soll, aber das Gesamtpaket war einfach gut."

"Es ist frustriert so, dass es nie, wenn wir ein gutes Rennen haben, Ausfälle oder Zwischenfälle gibt", findet Russell trotzdem ein kleines Haar in der Suppe. "Das ist schon drei Mal oder so passiert, dass wir mit einem guten Rennen Platz 12 geholt haben. Aber es wird schon kommen, es wird passieren."

Russells Frankreich-Ergebnis kritisch für Williams-Saison

Platz 12 ist, selbst wenn es dafür keine Punkte gibt, für Williams trotzdem essenziell. Denn im direkten Vergleich mit den ebenfalls punktelosen Haas-Fahrern zählen die besseren Einzelergebnisse. Nach dem 13. Platz von Mick Schumacher in Baku hatten die Amerikaner Williams in der Konstrukteurs-WM daher überholt. Mit Platz 12 in Frankreich hat Russell aber Williams Platz 9 zurückgeholt.

"Das hatte ich im Hinterkopf", gibt Russell sogar zu. "Wenn wir keine Punkte holen, müssen wir uns darauf konzentrieren, P9 in der WM zu holen. Natürlich wissen wir nicht, ob Haas dieses Jahr punkten wird oder nicht, aber wir müssen so weit wie möglich vorne ankommen, um sie mit null Punkten zu besiegen."

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