Im letzten Jahr blieb den brasilianischen F1-Fans trotz der Ehre das WM-Finale austragen zu dürfen die Krönung des Weltmeisters verwehrt. Dieser feierte schon viel früher seinen insgesamt siebten Titelgewinn. In diesem Jahr sieht es anders aus: Der Brasilien GP ist vom Saisonende an die drittletzte Position gerückt und könnte somit am kommenden Wochenende die Krönung des neuen Formel 1 Weltmeisters erleben, des ersten nach Michael Schumacher.

Aber nicht nur das: Fernando Alonso könnte der erste F1-Champion werden, der in Südamerika den Titelgewinn klarmacht. Für den Spanier ist der Boden von Interlagos derweil mit weniger schönen Erinnerungen verbunden. Im Jahr 2003 erlebte er hier seinen bislang schlimmsten Unfall.

2003 endete der Brasilien GP für Alonso wenig weltmeisterlich., Foto: Sutton
2003 endete der Brasilien GP für Alonso wenig weltmeisterlich., Foto: Sutton

Bereits ein dritter Platz am nächsten Sonntag könnte diese schlechten Erinnerungen allerdings vergessen machen: Dann wäre Alonso selbst bei einem Sieg seines einzigen Konkurrenten Kimi Räikkönen der jüngste Weltmeister aller Zeiten. Und das ausgerechnet in der Heimat von Emerson Fittipaldi, der bislang diesen Rekord innehatte.

Renault: Ein 3. und zwei 1. Plätze

Schon seit Wochen geht Fernando Alonso mit dem Ziel einen Podestplatz zu erreichen in die Grand Prix. Schließlich weiß auch er: McLaren Mercedes besitzt das schnellste Paket. In Interlagos würde ihm ein solcher Podestplatz den ersehnten Titelgewinn bescheren. Erreichen möchte er ihn mit einem noch einmal verbesserten Renault-Boliden, der sich bei den Silverstone Tests in der letzten Woche durchaus mit den Silberpfeilen konkurrenzfähig zeigte. Das muss er auch sein. Denn neben dem fast schon sicheren Fahrertitel, möchten die Franzosen natürlich auch ihren Vorsprung in der Konstrukteurs-WM verteidigen. Sah es in den letzten Wochen eher nicht danach als ob ihnen dies gelingen könnte, gibt ihnen der aerodynamisch verbesserte gelb-blaue Flitzer noch einmal neuen Mut und Schwung für die letzten drei Überseerennen dieser Mammutsaison.

Kimi ist auch in Interlagos der Top-Favorit auf den Sieg., Foto: Sutton
Kimi ist auch in Interlagos der Top-Favorit auf den Sieg., Foto: Sutton

McLaren: Nur noch Siege im Sinn

Schon seit der Sommerpause spricht man bei McLaren offen nur noch über Doppelsiege. Geschafft hat man dennoch keinen. Um Renault in der Team-Wertung noch überflügeln zu können, wäre aber gerade das wichtig. Ansonsten würde neben dem wohl bereits verlorenen Fahrertitel auch noch der - für das Team wichtigere - Konstrukteurstitel die Seine hinunter schwimmen. Dennoch gehen die Silbernen als die großen Favoriten in den Brasilien GP, welcher mit seinen bekannten Wetterkapriolen aber durchaus für einige Überraschungen sorgen könnte. In Belgien war McLaren allerdings sowohl im Trockenen als auch im Nassen klar überlegen. Für Kimi Räikkönen dürfte es am Ende trotz der meisten Saisonsiege nur zum Vizeweltmeister der Herzen reichen.

Ferrari: Hilft ein Wunder beim ersten richtigen Sieg?

Sollten die letzten drei WM-Läufe wie erwartet verlaufen, dann würde Ferrari die Saison 2005 mit nur einem GP-Triumph beenden. Und dieser in Indianapolis wurde gegen nur fünf Konkurrenten eingefahren, den Teamkollegen eingeschlossen. Entsprechend kündigte Präsident Luca di Montezemolo für die letzten drei Rennen "Bridgestone-Superreifen" an, mit denen "mindestens" noch ein Sieg erzielt werden soll. Teamboss Jean Todt bleibt jedoch skeptisch und rechnet höchstens dank eines "Wunders" mit einem Erfolg. Auszuschließen ist ein solches im regnerischen Sao Paulo zwar nie, aber wahrscheinlicher ist, dass Ferrari auch diesmal darauf achten muss nicht von Toyota in der WM überholt zu werden. Dass Prognosen aber hin und wieder falsch sein können, bewies nicht zuletzt die sonntägliche Bundestagswahl. Für die Scuderia bleibt also weiter die Hoffnung auf ein Wunder - und den Rechenfehler der F1-Hochrechner.

Toyota: Rang 3 im Visier

Toyota ist allgegenwärtig., Foto: Sutton
Toyota ist allgegenwärtig., Foto: Sutton

Im letzten Jahr hätten es sich die Japaner kaum erträumen lassen, aber drei Rennen vor dem Saisonende liegen sie in Schlagdistanz zur Scuderia Ferrari und besitzen vielleicht sogar ein besseres Paket als die Italiener. Allerdings hätte sich vor einem Jahr auch niemand vorstellen können, dass Ferrari nur auf dem dritten Rang der WM-Wertung liegt. Diesen möchten ihnen die Japaner allerdings noch abnehmen. Dafür müssen sie jedoch in Brasilien bessere taktische Entscheidungen als in Belgien treffen. Dort gingen ihre Reifenwechsel jedes Mal nach hinten los. Vielleicht gibt ihnen der Wettergott nun in Interlagos die Chance ihre Fehler wieder gutzumachen. Ralf Schumacher klagte jedenfalls über eine verpasste Möglichkeit auf den ersten Toyota-Sieg.

Williams: Keine Ziele, nur noch Abschied

Mit Antonio Pizzonia wird in Brasilien ein zweiter Lokalmatador neben Rubens Barrichello an den Start gehen. Viel mehr gibt es bei Williams momentan nicht zu berichten. Jedenfalls auf der sportlichen Seite. Auf der politischen Seite stehen der Wechsel zu Bridgestone, die weiterhin unentschiedene Button-Affäre sowie der Abgang von Nick Heidfeld zum ebenfalls scheidenden Motorenpartner BMW im Mittelpunkt des Interesses. In Interlagos hoffen Webber und Pizzonia derweil ihren Aufwärtstrend fortsetzen und ein paar weitere Punkte holen zu können. Ob dies auch unter normalen Bedingungen möglich sein wird, bleibt abzuwarten. Denn die letzten Eindrücke aus Belgien waren bekanntlich alles andere als normal...

B·A·R: Sprung auf's Podest geplant

Jenson Button würde gerne wieder jubeln., Foto: Sutton
Jenson Button würde gerne wieder jubeln., Foto: Sutton

Wie Renault reist auch British American Racing noch einmal mit einem neuen Aerodynamikpaket nach Südamerika. Dort soll der Schub durch Jenson Buttons dritten Belgien-Rang in ein weiteres gutes Ergebnis umgesetzt werden. Für Takuma Sato wird das allerdings besonders schwierig: Er muss nach seinem Unfall mit Michael Schumacher in Spa zehn Startplätze weiter hinten ins Rennen gehen. Wie gut die weißen Autos tatsächlich sein werden, lässt sich momentan kaum einschätzen. In der letzten Woche testeten sie unter Ausschluss der Konkurrenz in Barcelona, was keine Vergleichszeiten mit den Rivalen erlaubte. Bei den letzten Rennen schwankte ihre Leistung nicht nur von Wochenende zu Wochenende, sondern sogar von Tag zu Tag erstaunlich stark. B·A·R ist in Sao Paul also die große Unbekannte: Vom Podestplatz bis zum totalen Reinfall ist alles möglich.

Red Bull Racing: Kampf um Rang 6

Obwohl die roten Bullen in Belgien keinen einzigen Punkt einfahren konnten und den sechsten WM-Rang an British American Racing abtreten mussten, verließen sie die Ardennen mit einem zufriedenen Lächeln und einem zweiten Team im Gepäck. Mit David Coulthard und Christian Klien sollen jetzt in den letzten drei Saisonrennen noch einmal alle Kräfte mobilisiert werden, um vielleicht doch noch einmal an B·A·R vorbeiziehen zu können. Besonders groß sind die Chancen dafür allerdings nicht. Aber auch bei RBR fielen die Leistungen zuletzt sehr schwankend aus, weswegen nichts von vornherein ausgeschlossen werden sollte.

Sauber: Alles denkt an 2006

Felipe Massa gibt sein letztes Heimspiel für Sauber., Foto: Sutton
Felipe Massa gibt sein letztes Heimspiel für Sauber., Foto: Sutton

Mit Sauber, Jordan und Minardi bestreiten gleich drei Rennställe ihren letzten Brasilien GP unter diesem Namen. Die Schweizer verbinden das Rennen dabei mit unterschiedlich schönen Erinnerungen. 2001 feierte man hier mit Nick Heidfeld dessen ersten Podestplatz und den Beginn der besten Saison in der Teamgeschichte. Es gab aber auch schon unschöne Momente: Etwa als Jean Alesi von einer Werbebanner "attackiert" wurde oder als man im Jahr 2000 beide Autos wegen Problemen mit dem Heckflügel zurückziehen musste. An die diesjährige Ausgabe wird dennoch kaum ein Gedanke zu viel verschwendet: Im Mittelpunkt steht die Zukunft als BMW-Werksteam. Personaländerungen, Ressourcenverteilungen und Fabrikerweiterungen stehen im Vordergrund. Der letzte Brasilien GP des Sauber Teams eher im Hintergrund.

Jordan: Saisonziel bereits übererfüllt

Elf Punkte holte das Jordan Team beim Mini Prix der USA in Indianapolis. Kaum jemand hätte geglaubt, dass die Gelben 2005 noch einmal punkten würden. Doch heimlich, still und leise schlich sich der Indy-Dritte Tiago Monteiro auch in der Nässe von Spa-Francorchamps in die Punkteränge. Trotzdem bleibt auch vor dem zu erwartenden nächsten Regenrennen die Aussage bestehen: Unter normalen Umständen darf die Ex-Truppe von Eddie Jordan keine weiteren Punkte erwarten. Aber was ist in der F1 schon normal?

Minardi: Diesmal soll die Strategie stimmen

Minardi hofft auf eine zweite Chance im Regen., Foto: Sutton
Minardi hofft auf eine zweite Chance im Regen., Foto: Sutton

Belgien und Brasilien: Zwei Grand Prix die den Ruf eines Regenrennens besitzen. Dementsprechend sind es auch zwei WM-Läufe die Minardi normalerweise sehr gut munden. Schließlich können im Regen schon einmal kleine Wunder geschehen. Jos Verstappen und Paul Stoddart ärgerten sich einst über eine verpasste Siegchance beim Chaosrennen von Interlagos 2003. In diesem Jahr hätte sich die sympathische Truppe aus Faenza ein Erfolgserlebnis noch mehr verdient als sonst: Denn der Brasilien GP 2005 wird das drittletzte Rennen des Minardi F1 Teams sein. Damit sie sich würdevoll in die Hände der roten Bullen begeben können, muss diesmal allerdings die Strategie passen. In Belgien erlebte man schließlich einen totalen strategischen Reinfall.