Die Formel 1 will weiter Kosten sparen. Und die diskutierten Maßnahmen werden immer umfangreicher. So wurde in den letzten Monaten auch die Idee eines kompletten Windtunnel-Verbots vorgebracht. Tatsächlich könnten sich die F1-Teams das sogar vorstellen - aber nur mit langer Vorlaufzeit.

"Ich glaube, es gab eine grundsätzliche Übereinkunft, dass es langfristig passieren wird", suggeriert Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Schließlich wird schon heute in der Aerodynamik-Entwicklung auf CFD, 'Computational Fluid Dynamics', zurückgegriffen. Das sind Computer-Simulationen des Luftflusses.

Wolff warnt: Windkanal-Verbot auch eine Sicherheitsfrage

Natürlich ist das günstiger: Aero-Entwicklung virtuell betreiben, anstatt die Betriebskosten eines realen Windkanals zu bezahlen. Denn diese sind immens, und wurden schon in der Vergangenheit beschnitten. In der modernen Formel 1 ist die Zeit der unbeschränkten Aero-Entwicklung längst vorbei, die im Sportlichen Reglement festgehaltenen 'Aerodynamic Testing Restrictions' (ATR) limitieren.

Aber ganz auf den Windkanal verzichten? Hier treten die Teams zuerst noch auf die Bremse. "Es ist ein so massiver regulatorischer Eingriff, und beinhaltet auch bestimmte Sicherheitsaspekte", merkt Toto Wolff an. "Wir dürfen nicht vergessen, dass das die schnellsten Autos auf dem Planeten sind, mit dem meisten Abtrieb, und wir wollen keine Live-Experimente mit Fahrern in einem auf CFD basierten Auto."

"Windkanäle sind heute ein essentieller Teil der Entwicklung eines Formel-1-Autos", erweitert Renaults Sportdirektor Marcin Budkowski. "Das Risiko, alles mit CFD, also mit numerischer Simulation zu machen, ist, dass du beim ersten Rennen ankommst und das Auto sich komplett anders verhält als erwartet."

"Dann hast du Schwierigkeiten, wieder auf Kurs zu kommen", meint Budkowski. "Es besteht das Risiko, dass die Leute einfach die Korrelation zur Strecke verlieren. Ein Windkanal ist hier ein wichtiges Element." Korrelation bedeutet, dass die Daten auf der Strecke nicht mit dem aus den Simulationen übereinstimmen. Das Design vor der Ausfahrt schon im Windkanal zu testen hilft. Daher denkt auch kein Team aktuell daran, sich ohne Windkanal am Autodesign zu versuchen.

Formel-1-Teams können sich langfristig Windkanal-Verbot vorstellen

Im Gegenteil - der Windkanal ist weiterhin so wichtig, dass sich McLaren gerade für teures Geld einen neuen baut. In den letzten Jahren sahen sie sich gezwungen, Toyotas Windkanal in Köln zu mieten, der eigene war zu alt. "Wenn du dir anschaust, was CFD heutzutage machen kann, sind wir noch immer weit davon entfernt, keine Windkanäle zu nutzen", warnt McLaren-Teamchef Andreas Seidl, der nach seiner Ankunft beim britischen Traditionsteam zur treibenden Kraft des Windkanal-Baus gehörte.

Seidl unterstreicht, dass die Verbots-Gespräche auf den McLaren-Plan keine Auswirkungen haben. Aber er unterstreicht, wie die meisten Ingenieure: Die CFD-Technologie entwickelt sich rasant fort. Langfristig sehen die Techniker sehr wohl Potential. So sagt Renault-Mann Budkowski: "Die Formel 1 liebt die Herausforderung, und wenn du uns sagst, dass wir in zehn Jahren weg von so einem essentiellen Teil der Entwicklung gehen, weil wir den Simulations-Aspekt hervorheben, dann ist es denke ich machbar."

2030 wird momentan also vorsichtiges Ziel für den großen Eingriff angegeben. Das beschreibt die Mehrheit als realistisches Ziel. Toto Wolff sieht darin einen "Weg, der für alle funktioniert, und uns dabei helfen wird, den Sport finanziell nachhaltiger zu machen."