Die Formel 1 feiert am Wochenende ihre unverhoffte Wiedervereinigung mit dem Nürburgring. Einer der legendärsten Austragungsorte fand in der Ausnahmesituation durch die Coronavirus-Krise den Weg zurück in den Kalender der Königsklasse. Der Eifel GP führt den Sport zurück an eine Rennstecke, auf der Mythos und Moderne verschmelzen. Ein Rückblick auf die einzigartige Tradition, legendäre Rennen und beeindruckende Rekorde .

Die einzigartige Tradition

Die legendäre Nordschleife wurde zwischen 1925 und 1927 als permanente Renn- und Teststrecke erbaut. Die Umsetzung des Projekts war gleichzeitig eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die strukturschwache Eifelregion, die in Spitzenzeiten bis zu 2.500 Menschen beschäftigte. Die 22,8 km lange Nordschleife wurde vom federführenden Architekt Gustav Eichler durch die 7,7 km lange Südschleife ergänzt. Die für die Anlage ursprünglich veranschlagten Kosten von 2,5 Mio Reichsmark wurden bei Fertigstellung mit 8,1 Mio Reichsmark deutlich überschritten.

Zwischen 1927 und 1976 wurden im Automobilsport 35 Grands Prix auf der Nordschleife ausgetragen, von denen 22 im Rahmen der Formel 1 stattfanden. Der Nürburgring wurde in seiner Urform von den Piloten im Grand-Prix-Sport gleichermaßen geliebt wie gefürchtet. F1-Legende Jackie Stewart prägte den Begriff Grüne Hölle. Der dreimalige Weltmeister gewann 1968, 1971 und 1973 auf der Nordschleife. Sein erster Triumph im strömenden Regen war eine der Leistungen, die in die Geschichte der Rennstrecke und des Sports eingingen.

Jackie Stewarts Sieg beim Deutschland GP 1968 gilt als eine der herausragendsten Leistungen in der Geschichte, Foto: Sutton
Jackie Stewarts Sieg beim Deutschland GP 1968 gilt als eine der herausragendsten Leistungen in der Geschichte, Foto: Sutton

Fahrten wie diese oder die denkwürdige Aufholjagd Juan Manuel Fangios, der 1957 in der Eifel das Rennen seines Lebens fuhr, waren jedoch nur eine Seite der Mythenbildung rund um die Nordschleife. Tödliche Unfälle waren von Beginn an trauriger Alltag. Fünf Piloten ließen ihr Leben bei Formel-1-Rennen auf der Nordschleife. Obwohl Stewart als einer der Meister des Rings galt, fiel die Austragung des GP im Jahr 1970 dem von ihm angeführten Bestreben nach mehr Sicherheit in der Königsklasse zum Opfer.

Mit den immer schneller werdenden F1-Boliden wuchs das Risiko von Jahr zu Jahr. Beim ersten Auftritt 1951 hatte Alberto Ascari die Achterbahn auf dem Weg zur Pole Position in 9:55.8 Minuten umrundet, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 137,825 km/h entspricht. 1975 toppte Niki Lauda mit einer 6:58.6 Minuten und 196,383 km/h das Qualifying. Der verheerende Feuerunfall der österreichischen F1-Legende besiegelte 1976 das Ende der F1 auf dem Nürburgring in seiner Reinform.

Niki Laudas Feuerunfall besiegelte 1976 das Ende der Formel 1 auf der Nordschleife, Foto: Sutton
Niki Laudas Feuerunfall besiegelte 1976 das Ende der Formel 1 auf der Nordschleife, Foto: Sutton

Der Nürburgring der Moderne

1984 wurde der neue GP-Kurs des Nürburgrings mit einem der denkwürdigsten Rennen der Motorsportgeschichte eingeweiht. In einem Show-Lauf mit 20 identischen Mercedes-Benz 190 E 2.3-16 gab sich das Who is who der Formel 1 auf der 4,542 km langen Strecke die Klinke in die Hand. Mit dabei waren unter anderem Jack Brabham, John Surtees, Stirling Moss, James Hunt, Alan Jones, Keke Rosberg, Jody Scheckter, Alain Prost, Niki Lauda und Ayrton Senna. Letzterer ging als Sieger hervor.

Kurz darauf kam das neue Layout unverhofft zu seinem F1-Debüt. Der Große Preis von Deutschland war seit 1977 fest in Hand des Hockenheimrings. Der Nürburgring kam im Oktober 1984 als Grand Prix von Europa als Lückenfüller im Kalender zum Zug, nachdem geplante Rennen in New York und Spanien ins Wasser gefallen waren. Im Folgejahr kehrte die Formel 1 erstmals seit 1976 für den Deutschland GP an die Nürburg zurück, was bis 2009 einer Ausnahme blieb.

Nürburgring-Eröffnung 1984: Sennas legendärer Sieg im Mercedes (21:46 Min.)

Ab 1995 trat der Nürburgring wieder permanent in der Formel 1 in Erscheinung, wahlweise als Grand Prix von Luxemburg oder von Europa. Als zweites deutsches F1-Rennen neben dem Deutschland GP in Hockenheim etablierte sich der Austragungsort ein zweites Mal in seiner Geschichte in der Königsklasse. 2002 wurde der Streckenverlauf modifiziert, indem die als Castrol-S bekannte Rechts-Links-Kombination nach der Start- und Zielgeraden der Mercedes-Arena weichen musste.

Der 5,148 km lange GP-Kurs des Nürburgrings mit neun Rechts- und fünf Linkskurven blieb seit diesem Umbau unangetastet. Im Jahr 2007 wurde Rekordweltmeister Michael Schumacher mit der Umbenennung der S-Kombination zwischen den Kurven sieben und zehn mit einer eigenen Kurve geehrt. Ab 2009 wechselte sich die Strecke mit dem Hockenheimring in einer jährlichen Rotation ab, um den Grand Prix von Deutschland auszutragen. 2013 gastierte die F1 zum bis dato letzten Mal in der Eifel.

Die Formel 1 kehrte 1985 erstmals nach Laudas Feuerunfall für den Deutschland GP in die Eifel zurück, Foto: Sutton
Die Formel 1 kehrte 1985 erstmals nach Laudas Feuerunfall für den Deutschland GP in die Eifel zurück, Foto: Sutton

Das überraschende Comeback

Eine Rückkehr der Formel 1 an den Nürburgring stand unter normalen Umständen nie wirklich zur Debatte, nachdem die Rennstrecke durch ausufernde Investitionen in Gewerbe und Infrastruktur rund um den Ring wirtschaftlich in Schieflage geraten war. 2012 war die Nürburgring GmbH in Folge der Misswirtschaft Pleite gegangen, zwei Jahre später folgte der Verkauf an die Capricorn Group. Ab 2016 übernahm die neugegründete Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG unter Leitung von Geschäftsführer Mirco Markfort die Geschicke in der Eifel.

Die Coronavirus-Krise und der daraus resultierende Bedarf der Formel 1 an geeigneten Rennstrecken im europäischen Raum brachte den Nürburgring im Frühjahr 2020 unverhofft zurück auf das Radar der Königsklasse. Markfort erklärte im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com, dass auch in Zeiten der Krise keine völlige Funkstille zwischen der Rennstrecke und den Promotern der Formel 1 geherrscht habe, sodass die Verhandlungen nach einigen Wochen zum Erfolg führten. Ende September folgte außerdem die Bestätigung, dass 20.000 Zuschauer für das Comeback zugelassen sind.

Die Fans vor Ort werden am Freitag Zeuge eines denkwürdigen Moments, wenn Mick Schumacher im 1. Freien Training seine Premiere an einem Grand-Prix-Wochenende feiert. Der Sohn des Rekordweltmeisters nimmt für die erste Session im Alfa Romeo C39 von Antonio Giovinazzi Platz. Der 21-Jährige wird nicht der einzige Ferrari-Junior sein, der sich erstmals auf der großen Bühne präsentieren darf. Der Brite Callum Ilott pilotiert im FP1 den Haas VF-20.

Sebastian Vettel feierte beim bis dato letzten F1-Rennen auf dem Nürburgring seinen einzigen Sieg auf deutschem Boden, Foto: Sutton
Sebastian Vettel feierte beim bis dato letzten F1-Rennen auf dem Nürburgring seinen einzigen Sieg auf deutschem Boden, Foto: Sutton

Die legendären Rennen

Der GP-Kurs konnte dem Nimbus der Nordschleife zwar nie das Wasser reichen, doch auch auf dem modernen Nürburgring fanden in 18 Grands Prix einige denkwürdige Rennen statt. Der Sieg von Michael Schumacher in der Saison 1995 gilt als eine der besten Darbietungen in der Karriere des Kerpeners. Bei wechselhaften Bedingungen lieferte er sich ein hartes Duell mit WM-Rivale Damon Hill. In einer noch heißeren Schlussphase fing er den in Führung liegenden Ferrari-Pilot Jean Alesi zwei Runden vor Schluss ab und gewann nach Hockenheim auch sein zweites Heimrennen in diesem Jahr.

Vier Jahre später sorgte Johnny Herbert im Steward Ford für eine der großen Underdog-Sensationen in der modernen F1-Historie. Nach Startplatz 14 im Qualifying kam dem Briten das Eifelwetter zur Hilfe, welches er mit seinen Strategen am besten meisterte. In einem völlig chaotischen Rennen behielt Herbert den Überblick und einen kühlen Kopf. Nach 66 Runden schnappte er sich völlig unerwartet seinen dritten Grand-Prix-Sieg. Es war der einzige Triumph für Jackie Stewart als Teamchef, bevor dieser seinen Rennstall zum Ende der Saison an Jaguar verkaufte.

2007 sorgte der Nürburgring für die Hinterbänkler-Überraschung der anderen Art. Markus Winkelhock gab für Spyker ein einmaliges Gastspiel in der Formel 1, nachdem Stammfahrer Christijan Albers sein Cockpit aufgrund ausbleibender Sponsorengelder verloren hatte. Der Deutsche war mit realistischen Erwartungen in sein Debüt gegangen und doch lag er nach zwei Runden sensationell in Führung. Er und sein Team hatten den drohenden Wolkenbruch in der Einführungsrunde richtig gedeutet und spontan auf Regenreifen gewechselt. Kurz darauf segelte die Konkurrenz in Kurve eins reihenweise von der Strecke, was Winkelhock zu sechs Führungsrunden verhalf.

Michael Schumacher feierte 1995 auf dem Nürburgring einen seiner eindrucksvollsten Siege im Benetton Renault, Foto: Sutton
Michael Schumacher feierte 1995 auf dem Nürburgring einen seiner eindrucksvollsten Siege im Benetton Renault, Foto: Sutton

Die großen Rekorde

Mit fünf Siegen ist Michael Schumacher auf dem Nürburgring der unangefochtene Rekordhalter. Nach seinem ersten Erfolg im Benetton Renault 1995 war er in den Jahren 2000, 2001, 2004 und 2006 mit Ferrari siegreich. Auf dem GP-Kurs standen außer Schumacher nur zwei weitere Piloten mehrmals ganz oben auf dem Podest. Jacques Villeneuve holte 1996 auf dem Nürburgring seinen ersten GP-Sieg und wiederholte diesen im Jahr darauf. Fernando Alonso gewann 2005 für Renault und zwei Jahre später mit McLaren. Mit Lewis Hamilton und Sebastian Vettel feierten auch zwei aktive Piloten jeweils einen Sieg auf dem Nürburgring.

Die erfolgreichsten Fahrer auf der Nordschleife waren Juan Manuel Fangio und Jackie Stewart, die jeweils drei Siege feierten. In der Statistik über die Führungskilometer liegt das Duo hingegen noch vor Schumacher. Der Argentinier musste in den 1950er Jahren Renndistanzen von 22 Runden beziehungsweise 500 km abspulen und erreichte dabei Durchschnittgeschwindigkeiten von bis zu 142,943 km/h. Für das schnellste auf dem Nürburgring gefahrene F1-Rennen sorgte Schumacher 2001 mit einem Schnitt von 204, 143 km/h.

AnzahlAnzahlkm
Sieger auf GP-KursPoles auf GP-KursFührungs-km Top-10
Michael Schumacher5Michael Schumacher3Juan Manuel Fangio1.391
Jacques Villeneuve2David Coulthard2Jackie Stewart1.050
Fernando Alonso2Kimi Räikkönen2Michael Schumacher1.019
Michele Alboreto1Mark Webber2Alberto Ascari753
Alain Prost1Nelson Piquet1John Surtees593
Johnny Herbert1Teo Fabi1Jacky Ickx502
Rubens Barrichello1Damon Hill1Mika Häkkinen469
Ralf Schumacher1Mika Häkkinen1Jim Clark456
Mark Webber1Heinz-Harald Frentzen1Kimi Räikkönen443
Lewis Hamilton1Juan Pablo Montoya1Rubens Barrichello442
Sebasian Vettel1Nick Heidfeld1
Fernando Alonso1
Lewis Hamilton1
Sieger auf NordschleifePoles auf NordschleifeAngeführte Rennen Top-10
Juan Manuel Fangio3Jim Clark4Michael Schumacher6
Jackie Stewart2Alberto Ascari3David Coulthard5
Alberto Ascari2Juan Manuel Fangio3Fernando Alonso5
John Surtees2Jacky Ickx3Kimi Räikkönen5
Jacky Ickx2Jackie Stewart2Juan Manuel Fangio4
Nino Farina1Niki Lauda2Jim Clark4
Tony Brooks1Mike Hawthorn1Jackie Stewart4
Stirling Moss1Phil Hill1Rubens Barrichello3
Graham Hill1Dan Gurney1Alberto Ascari3
Jim Clark1John Surtees1Mike Hawthorn3
Jack Brabham1James Hunt1
Denny Hulme1
Clay Regazzoni1
Carlos Reutemann1
James Hunt1

Der Rekordchampion hält darüber hinaus auf dem seit 2002 bestehenden Layout den offiziellen Streckenrekord. 2004 fuhr er im zweiten Qualifying mit einer Rundenzeit von 1:28.351 Minuten auf die Pole Position. Den absoluten Streckenrekord auf dem GP-Layout stellte am selben Tag jedoch ein anderer auf. Takuma Sato fuhr mit seinem BAR-Honda im Q1 eine Bestzeit 1:27.691 Minuten, was einem Durchschnitt von 211,342 km/h entspricht und die schnellste jemals von einem Formel-1-Pilot auf dem Nürburgring gefahrene Runde darstellt.

Formel 1, Nürburgring-Rekord: Takuma Sato schlägt Schumi (02:03 Min.)