So spät die Formel-1-Saison 2020 wegen der Corona-Pandemie auch startete, so schnell folgt jetzt Schlag auf Schlag. Nur eine Woche nach dem Belgien GP in Spa-Francorchamps nimmt am Wochenende der dritte Tripleheader des Jahres mit dem Großen Preis von Italien in Monza seinen Lauf.

Das achte Saisonrennen der Königsklasse beginnt vor allem für ein Team unter völlig anderen Voraussetzungen als im Vorjahr: Ferrari. 2019 reisten Sebastian Vettel und Charles Leclerc noch als Favoriten in den Königlichen Park von Monza. Geradeaus ging der Ferrari ab wie eine Rakete, praktisch aus nichts anderem als Geraden besteht der nicht umsonst auch „Temple of Speed“ genannte Parco di Monza im Norden Italiens.

Ferrari nach Vorjahressieg & Spa-Ohrfeige vor bitterem Heimrennen

Ein Jahr später haben sich die Vorzeichen nahezu vollständig gedreht. Ohne einen Rennsieg, dafür mit einer schallenden Ohrfeige im Gepäck muss die Scuderia beim Heimrennen die nächste Blamage fürchten. In Belgien ließen sich beide Ferrari im Rennergebnis fair und gerecht vom eigenen Motorenkunden Kimi Räikkönen im Alfa Romeo schlagen. Vettel und Leclerc verfügten nicht einmal im Ansatz über eine Chance auf Punkte, geschweige ein Podium, gar nicht zu sprechen von einem neuerlichen Sieg.

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Ein neuer Tiefpunkt einer ohnehin schon desaströsen Ferrari-Saison 2020 war erreicht. Ausgerechnet vor dem Italien GP - auch dort zelebrierte Ferrari im Vorjahr mit Leclerc noch einen glanzvollen Heimsieg - herrscht Totengräber-Stimmung in Maranello. Vor allem, weil die Hoffnung auf einen Aufschwung dünn gesät ist. Zumindest einen großartigen Kompromiss finden wie in Spa - im Mittelsektor ist Abtrieb dort durchaus nicht zu verachten - muss Ferrari in Sachen Setup in Monza nicht. Das kann helfen, große Sprünge erwartet das Team dennoch schon selbst nicht. „Das wird auch schwierig. Es ist ein Kurs, auf dem Leistung wichtig ist - und da sind wir sicher nicht die Besten“, weiß Teamchef Mattia Binotto.

Formel 1 verbietet Partymode: Ferraris letzte Hoffnung

Immerhin vor Zuschauern muss Ferrari sich wegen der Corona-Auflagen präsentieren. Den Tifosi bleibt die Enttäuschung mit Ansage erspart. Erst eine Woche später - beim nächsten Heimrennen in Mugello - werden zumindest 3000 Fans an der Strecke erlaubt sein.

Als einziger kleiner Hoffnungsschimmer bleibt Ferrari in Monza das abseits des Dauerbrenners Scuderia-Form mit Abstand größte Thema vor dem Italien GP: Ab Monza greift das Verbot unterschiedlicher Einstellungen für den Verbrennungsmotor durch eine Technische Direktive der FIA. Mit Folgen für das Kräfteverhältnis? „Man kann nicht sagen, was passiert, bis es passiert. Nach Monza haben wir ein klareres Bild“, sagt Renaults Esteban Ocon, typisch Rennfahrer.

Politisch nutzt das Thema ein Teamchef - nämlich Ferraris Mattia Binotto. Offenbar, um vor dem Italien GP zumindest irgendetwas wie Zuversicht zu verbreiten. „Das könnte einige Teams betreffen“, sagt der Italiener. „Ich bin gespannt zu sehen, wie viel und welche Teams.“ Gerade am ersten Wochenende der Beschränkung erwartet Binotto größere Unterschiede - weil Monza so sensibel für die Leistung sei.

Soll heißen: Die Hoffnung im roten Lager ruht darauf, dass vor allem Ferrari - die großen Motorenverlierer des Jahres durch die FIA-Direktiven des Vorjahres und undurchsichtige Einigung mit der FIA im Winter - profitiert, wenn das Ende des sogenannten „Partymodus“ im Qualifying gekommen ist. Bizarr: 2019 war genau das noch die große Stärke der Scuderia – bis zum ersten Eingreifen der FIA.

Mercedes-Vorteil weg? Red Bull zwischen Zuversicht & Zweifel

Red Bull verspricht sich ebenfalls einen Vorteil und erwartet, Mercedes zu zumindest etwas näher zu rücken. „Es war uns ganz wichtig, dass der Qualimode abgeschafft wird. Da haben wir auch den nötigen Druck hinter gesetzt“, sagt RB-Berater Dr. Helmut Marko zu Motorsport-Magazin.com. Zweifel, ob der Schuss nicht sogar nach hinten losgehen könnte, hegt Teamchef Christian Horner. „Es wird einen Effekt haben“, glaubt der Brite. „Hoffentlich wird es so nicht schlimmer.“

Damit reagiert Horner auf Warnung aus dem Mercedes-Lager. In ersten Reaktionen galten die Weltmeister als Zielscheibe der Änderungen. Man wolle Mercedes einbremsen, sagte Lewis Hamilton selbst als das Thema im Rahmen des Spanien GP erstmals publik wurde. Der Formel-1-Weltmeister schob allerdings gleich hinterher, gelingen werde das sicher nicht.

Warum, legte Motorsportchef Toto Wolff wenig später nahe. Wenn es nur noch einen Kompromiss zwischen den bisherigen Modi für Qualifying und Rennen geben darf, könne Mercedes unter dem Strich sogar als Gewinner dastehen. Fünf Runden Partymode weniger könnten 25 Runden mit höherer Leistung im Rennen entsprechen, verglich Wolff lose aus dem Stegreif.

Renault angriffslustig: Red Bull in Monza ärgern?

Unabhängig seines „Einfach Abwarten“ erwartet Renaults Ocon beim vierten Motorenhersteller der Formel 1 dennoch keine allzu großen Probleme für die Franzosen. „Unser Rennmodus ist sowieso stark“, sagt der Franzose. Das galt zuletzt in Spa ganz besonders - nicht nur mit Blick auf die Power Unit. Einmal mehr blühte Renault auf einem Low-Downforce-Kurs so richtig auf, erzielte das beste Punkteresultat der Teamgeschichte.

Monza sollte dem Team aus Enstone nur noch besser liegen. „In Monza können wir erwarten, wieder konkurrenzfähig zu sein. Davon gehe zumindest ich sehr stark aus“, sagt Daniel Ricciardo. Alles, was dem gelben Boliden schmeckt, sollte dort zusammenkommen. Bereits im Vorjahr zeigte Renault im Königlichen Park stark auf. „Wir scheinen schnell zu sein, sobald wir etwas in Richtung wenig Abtrieb gehen. Das war in Silverstone der Fall und in Belgien waren wir wieder schnell. Jetzt kommt Monza - da sollten wir auch wieder schnell sein“, bestätigt Ocon.

So schnell, dass selbst Red Bull seinen ehemaligen Motorenlieferanten fürchten muss? Schon in Spa war Renault gegen Rennende auf einem Niveau. „Auf Augenhöhe mit dem Red Bull zu sein, ist schön. Sehr, sehr schön. Das müssen wir natürlich deutlich konstanter hinbekommen“, sagt Ocon. Das hält Ricciardo für realistisch - trotz eines zuvor schwachen Spanien GP. Renault habe auch beim Setup etwas gefunden. Deshalb erwartet der Australier künftig auch auf anderen Layouts bessere Performances des R.S.20.

Kampf um P3 tobt: McLaren vs. Renault vs. Ferrari vs. Racing Point

Ocon geht davon aus, dass Renault, aktuell Gesamtsechster, nun realistisch um Platz drei in der WM-Wertung kämpfen kann. Nur zwei Punkte fehlen auf Ferrari, sieben auf Racing Point und neun auf McLaren. Im Mittelfeld geht es 2020 auch mit Neuzugang Ferrari eng zu. Deshalb will sich McLarens Andreas Seidl gar nicht mehr auf große Erwartungsprognosen einlassen. Einzig ein zumindest im Mittelfeld prickelndes Rennen in Monza verspricht der Bayer geradezu.

„Mit dem schmalen Performance-Unterschied zwischen vier oder fünf Teams [in Sachen Performance mischt auch AlphaTauri mit] sollten wir ein spannendes und unterhaltsames Rennen erwarten“, sagt Seidl. Fehler seien da besonders bitter. Seidl: „Die Intensität im Mittelfeld hält uns fokussiert für die nächste Aufgabe. Mit einem schlechten Rennen kannst du in der WM von Platz drei auf Platz sechs fallen, das ist uns bewusst. Unsere Strategie, die Abläufe und die Performance müssen auf konstant hohem Niveau sein.“

Monza: Alfa Romeo wieder bestes Italien-Team?

Hinter dieser Gruppe rangieren dürfte auch in Monza das neue Hinterfeld-Trio Alfa Romeo, Haas und Williams. Zumindest in dieser Gruppe sind aus Sicht italienischer Fans leicht positive Entwicklungen zu beobachten. Während Williams und Haas zuletzt leicht stagnierten, gelang Alfa-Sauber zumindest ein leichter Aufwärtstrend - und das nicht nur, weil Räikkönen in Spa Ferrari besiegte. Schon zuvor in Barcelona hatte Alfa die Schmach der letzten Startreihe beendet.